Der Kampf gegen vermeintliche „Hassreden“ und „Fake News“ ist ein Kampf um die Deutungshoheit. Die Sorge des Mainstreams um den Verlust seines Sprachmonopols ist durchschaubar. Seit dem Altertum bedienen sich Eliten der gleichen linguistischen Technik – der Schmähung ihrer Gegner.
Die Unionsfraktion lud am 18. Januar zur Konferenz „Demokratie braucht Debatten ohne Hass und Verzerrung – Zur Lage in den sozialen Medien“ in den Bundestag. Die Veranstalter wollten dabei Argwohn dahingehend zerstreuen, die Politik wolle die Meinungsfreiheit beschneiden. Der Event gibt den Anlaß über die Gründe nachzudenken, warum plötzlich jetzt politische und mediale Eliten über die Sprache diskutieren.
Sprache stand von jeher den Mächtigen und Etablierten dieser Welt als wichtigste Waffe zur Verfügung. Ob zu biblischen Zeiten, bei den Griechen oder Römern: Zunächst entschieden stets verbale Zuschreibungen über die soziale und politische Ordnung. Ämter sicherten die Deutungshoheit, die sich immer an der Machtposition orientierte.
Der Einsatz der „harten Waffen“ war nur dann nötig, wenn es um den Vollzug dessen ging, was in der Sprache bereits festgehalten wurde. Von der seit der griechischen Philosophie praktizierten sprachlichen Aberkennung der Gleichwertigkeit, wenn es um die so genannte „Barbaren“ ging, bis zu der klassischen „Hexenjagd“ bedeutete eine in nur wenige Worte gefasste Bezichtigung nicht selten gleich ein Todesurteil.
Es ist deshalb kein Wunder, dass auch im Zeitalter globaler und transatlantisch geprägter Eliten, die weltumspannende Medien kontrollieren, politische Ordnungen vor allem auf der Grundlage der Sprache funktionieren.
Das gibt der breiten Masse das Gefühl, in einer weniger restriktiven Welt zu leben. Ein lächelnder Polizist bleibt nur solange ein solcher, wie die gemeinsame Sprachebene nicht angezweifelt wird. Und wer, der noch bei allen Sinnen ist, würde schon Freiheit und Demokratie anzweifeln?
Der Preis der Harmonie liegt auf der Hand: Man muss und darf die Sprache der Eliten, die ihren Ausdruck in den Medien findet, nicht anzweifeln. Dass das bisweilen, zumindest in den letzten Jahrzehnten, gut funktioniert hat, ist zu großen Teilen der Lernfähigkeit und Ausstattung der Werkstätten der Macht zu verdanken.
Diese stellten in Form der zahlreichen Thinktanks und Forschungseinrichtungen den Medien ausreichend linguistisches Rüstzeug zur Verfügung. Dazu kam noch die entsprechende verwaltungstechnische Regulierung in Form des zuverlässigen Besetzens von Schlüsselpositionen (Fake News – Elite baut Wahrheitsministerium).
Auch die größte sprachliche Katastrophe des 20. Jahrhunderts, die Sprache der NS-Zeit, wurde ausgiebig analysiert und, was die Propaganda-Techniken angeht, zur Kenntnis genommen. Aber manche befassten sich mit dieser nicht nur, um sie zu entlarven und bloßzustellen. Manche wollten sich Elemente davon auch in modifizierter Weise zunutze machen – immerhin war ihre Wirkung ja durchschlagend.
Die unmittelbare Beteiligung ehemaliger deutscher Propaganda-Profis im neuen Arbeitsumfeld in den USA war für diese Prozesse recht förderlich. Der Krieg, damals der Kalte, entschuldigte in den Augen der Arbeitgeber den zynischen Schritt, die Sprache des Unmenschen einzusetzen.
Die traurigen Erfolge, die Propaganda vor allem mittels Sprache während der NS-Ära in nur kurzer Zeit erzielen konnte, sollten nicht unbeachtet bleiben. Es war vor allem die Sprache der Dämonisierung und Dehumanisierung. Die Bezeichnung der Sowjetunion als das „Reich des Bösen“ aus dem Munde des Präsidenten Reagan war dabei die linguistische Krönung dieser Bemühungen.
Als die UdSSR zu schwächeln begann, änderte sich die Zauberformel. „PR“ war nun angesagt. Sie machte schließlich aus dem NATO-Block den freundlichen Kumpel, aus den Angriffskriegen Befreiungen, aus unerfahrenen Parlamentariern Präsidenten oder Nobelpreisträger und aus wenig beliebten und nicht charismatischen Politiker Premierminister wichtiger europäischer Länder. Schon verstanden? Und Russland nicht zu vergessen! Aus einem unpopulären, trunksüchtigen Versager wurde der Retter vor der „kommunistischen Gefahr“.
Es war deshalb auch kein Wunder, dass der Betreffende als „unser“ und deshalb nicht wirklich kritikwürdiger Boris Jelzin am Ende doch aus „gesundheitlichen Gründen“ zur Jahrtausendwende abtrat und als seinen Nachfolger einen wenig bekannten ehemaligen Auslandsagenten empfahl.
Die Hüter der sprachlichen Umrüstung sahen sich entsprechend wieder in Alarmbereitschaft versetzt. Nach einer kurzen Schonfrist war der rhetorische Klassenauftrag in Bezug auf den neuen Staatslenker aber klar: Es würde fortan keinen Schmusekurs mehr geben.
Was danach passierte, ist bekannt. Der neue russische Präsident nahm seinen Platz in der linguistischen Unterwelt ein. Im Gegensatz zu den Lichtgestalten wie dem später bis auf den Himmel gehypten ersten schwarzen US-Präsidenten handelte er nur aus dämonischen Trieben heraus, im besten Fall aus Kalkül.
Der Vertreter der „Düsternis“ (FAZ-Überschrift) war naturgegeben nur für „Machterhalt“, „Spaltung“ und „Drohung“ zuständig. Seine westlichen Visavis und allen voran der vormalige US-Präsident waren hingegen für „Visionen“, „Unterstützung“ und „Engagement“ zuständig.
Als die Ukraine-Krise ausbrach, standen auch schon weitere sprachliche Schablonen parat. Allein das Duett aus den zwei Substantiven „Annexion“ und „Aggression“ und die beiden Verben „bestrafen“ und „isolieren“ sollten Russland in alle Ewigkeit ins politische Jenseits befördern. Jedwede Gegenrede konnte dementsprechend nur „Propaganda“ sein, die allein aus „Manipulation“ und „Desinformation“ schöpfte.
Als Ende 2015 russische Jets im Einklang mit internationalem Recht ihre Militäroperation in Syrien begannen, war auch da schon das Wording parat: Ein „Kriegsverbrechen“ sollte dies sein, ausgeübt aus „Mordwut“ (Joffe; Die Zeit). Ein weiteres verbales Eskalationspotenzial war offenbar nicht mehr vorstellbar.
Das war auch nicht mehr nötig. Die Welt war bereits neu erschaffen. Mittlerweile waren in den relevantesten internationalen Bereichen die festen Konnotationen geschaffen. Russische Politik? Aggressiv! Russischer Sport? Dopingverseucht! Russische Medien? Propagandistisch! Digitales Russland? Eine Hackerarmee.
Es bleibt nur noch Kultur. Dieser kann man notfalls auch die Kraft einer vermeintlichen Soft Power im Dienste einer bösen Macht unterstellen. Dass die politisch Verantwortlichen die Idee eines russischen Kultur-Zentrums in Hamburg ablehnten, steht ebenfalls exemplarisch für diese Strategie.
Um angesichts der Komplexität dieser Welt nicht durchzudrehen, brauchen die Menschen, besonders die am meisten gebildeten, Plausibilität und Glaubwürdigkeit. Solange die Prämisse für antirussische Unterstellungen nicht hinterfragt wird, scheint auch alles logisch zu sein. Risse, die auf Grund des Mangels an Beweisen oder Substanz ins Bewusstsein drängen, werden dann mithilfe sprachlicher Notnägel wie den Worten „anscheinend“ und „mutmaßlich“ zugespachtelt.
Ein Bekannter, der das für deutsche Verteidigungsministerium als Spezialist für Waffen weltweit im Einsatz ist und dementsprechend eine gute technische Hochschulbildung aufweist, sollte standesgemäß eine Vorliebe für „harte Fakten“ haben. Eigentlich. Aber wenn diese nicht gibt, dann reicht auch für ihn eine bloße Vermutung. Diese ist allerdings keine Unschuldsvermutung, wie dies im Rechtswesen der Fall ist, solange ein Vorwurf nicht bestätigt ist.
Trump ist prorussisch, Clinton ist antirussisch, es ist demnach logisch, dass die Russen anscheinend die Wahlen zu Gunsten von Trump manipuliert haben. Und es ist auch logisch, dass auch Deutschland sich vor Russland in Acht nehmen muss. Letzteres sagte der wohlerzogene gute Bekannte zwar nicht, die deutschen Medien aber umso lauter. Bildungsgrad stellt dabei keinesfalls eine kognitive Barriere gegen Märchenglauben dar, Hauptsache, dass am Ende „Die Guten“ gewinnen. Die Guten sind vor allem diejenigen, die die Welt, wie sie gegeben ist, mit ihren bestehenden Machtzentren nicht infrage stellen.
Vor allem braucht man auch keine Beweise, wenn die faktische Macht zur Verfügung steht, Meinungen beliebig beeinflussen zu können. Daher rührt auch die kaum verhüllte Schlampigkeit beim Präsentieren von Fakten im Zuge der zahlreichen Kampagnen gegen Russland, die in den letzten Jahren stattgefunden hatten. Anonyme Beobachter, dubiose „Menschenrechtler“, allesamt Hasardeure und politische Emigranten, liefern am laufenden Band Angaben, die vor keinem Gericht standhalten würden. Wohlbemerkt: Russland spannte Edward Snowden seinerseits keine Minute lang für antiamerikanische Propaganda ein.
Doch wer wagt schon all die globalen Lügenkonstrukte, die „klassische“ Medien billigst verkaufen und die Meinungsmacher in Politik und Gesellschaft weiterverbreiten, als das zu bezeichnen, was sie sind – als gefälschte Nachrichten oder kurz als „Fake News“? Natürlich nur Verschwörungstheoretiker, Putinversteher und andere Querdenker. Eine bessere soziale Kontrolle als jene durch die sprachliche Denunziation haben Menschen bislang noch nicht geschaffen („Volksverräter“ – Kritik am Unwort 2016: Wissenschaftsmagazin wirft Unwort-Setzern „Sprachdiktatur“ vor).
Wer würde es denn schon wagen, die penetrante mediale Hetze und den zuweilen blanken Rassismus – wie im Falle der Weigerung mancher westlicher Sportler, mit den Russischen Paralympikern am gleichen Ort zu trainieren – als Hass-Botschaften zu kennzeichen?
Die Stimmung, die erzeugt werden soll, hat doch mit Hass nicht zu tun! Hass ist etwas Irrationales, die Menschen im Westen, wenigstens die westlichen Vorzeigefiguren, handeln hingegen ja immer rational. Sie müssen nur die entsprechende Politik rechtfertigen können. Der Rest ist eine Sache der richtigen Technik.
Die Ratio ist bekanntlich das Alleinstellungsmerkmal jener Weltregion, die sich in den letzten Jahrhunderten durch Fortschritte in Technik und Wissenschaft einen enormen Vorsprung gegenüber der restlichen Welt schaffen konnte. Auch die Russen konnten diese Region nur dadurch halbwegs einholen, weil ihr Zar sich seinerzeit eigenhändig als Lehrling in den Westen begab.
Nein, all diese antirussischen und anderen Kampagnen beinhalten keine „Hassbotschaften“. Das sind immer nur „klare Worte“. Oder „deutliche Worte“. Hass strömen nur diejenigen, die durch diese „klaren Worte“ aufgeladen sind und in den sozialen Medien zurückschießen. Das linguistische Ping-Pong ging bis vor kurzem immer zugunsten der Spracheliten aus, also denjenigen, die weltweit in der Lage waren, die Deutungshoheit auszuüben.
„Freiheit und Demokratie“ waren damals noch in Ordnung. Eine einseitig verstandene politische Korrektheit lieferte ein zusätzliches sprachliches Korsett. Das half, die wenig kontrollierbaren sprachlichen Triebe in den Staaten der „freien Welt“ wirksam im Zaun zu halten. Doch das Ende der Geschichte ist noch nicht erreicht.
Literatur:
Sprachlügen: Unworte und Neusprech von »Atomruine« bis »zeitnah« von Kai Biermann
verraten – verkauft – verloren?: Der Krieg gegen die eigene Bevölkerung von Gabriele Schuster-Haslinger
Whistleblower von Jan van Helsing
Quellen: PublicDomain/deutsch.rt.com am 22.01.2017
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Kompliment, ein außergewöhnlich guter Artikel 🙂
Eliten sind für mich die jenigen die mit ihren eigenen Händen etwas aufgebaut haben,das Teufelchen aber ja das macht was es am besten kann,logisch-Teufelchen ist ja auch pöse und möchte nichts gutes erreichen-nein im Gegenteil ,Teufelchen arbeitet tüchtig daran auf Lug und Trug aufzubauen ,notorisch lehnt Teufelchen aber ab für Entscheidungen und deren Folgen gerade zu stehen.
Die selbsternannten Eliten erreichen jedenfalls bei mir genau das Gegenteil von dem, was sie beabsichtigen. Und wenn Sie ihre Taktik ändern würden, dann würde ich meine auch ändern und wieder wären diese selbsternannten Eliten die Verlierer. Aber ich weiß aus Erfahrung, daß die meisten Menschen anderes reagieren – viel gutmütiger – viel treuherziger – viel weicher.- viel braver.