Gideon Levy ist Journalist der israelischen Tageszeitung Haaretz. Sein grösstes Problem, ein Problem das bereits lebensbedrohliche Ausmasse angenommen hat, ist genau das, was wir in Europa seit dem Anschlag auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo so vehement vertreten und wofür hunderttausende Menschen – inklusive unserer politischen Führung – auf die Strassen gegangen sind: die Rede-, Meinungs- und Pressefreiheit.
Gideon Levy gehört nämlich zu einer der eher selteneren Spezies in der israelischen Medienlandschaft, die sich nicht an die Selbstzensur und in manchen Fällen auch staatlicher Zensur hält. Pressefreiheit eben.
Und dafür erhält er nicht nur Lob oder Kritik, sondern auch Morddrohungen. Eine solche Morddrohung hat er jetzt veröffentlicht und gerade hinblicklich der aktuell geführten Diskussion um diese Freiheiten, erscheint mir eine Übersetzung seines Artikels zum gegebenen Anlass als richtig und wichtig.
Übersetzung ab hier:
“Das Europäische Gericht für antisemitische Verbrechen. Gerichts- Exekutionskommando. Fall: Vorgehen gegen Teilnehmer an anti-israelischen Aktivitäten. Das Gericht wurde damit beauftragt auf die Aktivitäten gegen Israel durch den Journalisten Gideon Levy zu achten. Zeuge Nr. 1 zeigte den Artikel “Lowest Deeds from Loftiest Heights” (Haaretz, 15. Juli 2014). Der Vorsitzende des Gerichts: Das Gericht ist davon überzeugt, dass pro-Nazi Propaganda stattgefunden hat. Wenn das erst einmal bewiesen ist, hat das Gericht keinerlei Ermessen auf das Urteil, deshalb ist der oben angeführte Täter zum Tode verurteilt. Angesichts des Schadens den er angerichtet hat, sollte seine Elimination bald vollstreckt werden. Tod durch “Unfall”: Gift, Wespen, Schlangen, Viren, etc. PS: Das Pulsa Denura Gericht hat keine Verbindung zum israelischen Sicherheitssystem. Dieses Gericht jagt die Feinde Israels wo immer sie sind und die Urteile werden durch die Exekutionskommandos des Gerichts vollstreckt. Stellen Sie bitte diesen Brief an verschiedenen Orten in Ihrem Büro aus.”
“Dieser Brief, auf Englisch geschrieben, erreichte letzte Woche Haaretz in einem Umschlag mit Tel Aviver Poststempel. Dieser Brief wurde nicht von einem Muslimen geschrieben. Am Ende stand geschrieben: “Orangenkerne bedeuten den Tod.” Kerne wurden auf der Rückseite des Briefes angebracht.
Eine Sherlock Holmes Geschichte heißt “Die fünf Orangenkerne” und handelt von einer Morddrohung. Das ist nicht die erste Drohung gegen einen israelischen Journalisten und auch nicht die Letzte.
Der Attacke auf das Charlie Hebdo Magazin sind Morddrohungen vorausgegangen. Das Massaker folgte dann. Das könnte auch hier passieren. Jeder der über den Angriff auf die Pressefreiheit in Frankreich schockiert war, sollte überprüfen was in Israel passiert.
(Gideon Levy bei der Preisverleihung der “International Media Awards” 2012)
Die israelischen Medien brauchen grundsätzlich keine Drohungen. Sie haben sich vor langer Zeit, auf ihren eigenen freien Willen hin, dazu verpflichtet dem Narrative und dem Königreich (Anm. so wird Israel von Gläubigen genannt) zu diesen, dem Konsensus, den Bewertungen und der Unterhaltung zu dienen und die Zeit für ihre Kunden unterhaltsam zu gestalten. Nichts wurde ihnen von oben aufgezwungen, nicht durch den Zensor und auch nicht durch Bedrängung. Nur nackte wirtschaftliche Überlegungen, Gehorsam, Feigheit, und grundsätzliches Unverständnis darüber was ihr Job (eigentlich) ist.
Nur diejenigen die es wagen aus der Spur zu springen wissen wie groß und unmittelbar die Gefahr ist, und wieviel sie kürzlich zugenommen hat. Die Welle des Terrors gegen Journalisten und Juden in Frankreich, bewarb Israel auf unterschiedlichste Art und Weise. Die gewöhnlichen Sicherheitsspekulanten sassen in den Studios und dozierten ihre Ratschläge den Amateuren in Frankreich. Einige von ihnen machten sich über französische Gesetze lustig, die dort erlauben was hier verboten ist. Andere sprachen über Unerfahrenheit.
Es ist klar, dass das Experten sind die wissen wie man den Terror im eigenen Land vernichtet, ein für alle Mal. Natürlich haben sie sämtliche Arten von aggressiven Lösungen den Franzosen empfohlen die sie auch hier anwenden: mehr Einsatzkräfte, (mehr) Nachrichtendienst und (mehr) Ermordungen.
Und all das wurde mit einem – wie könnte es anders ein? – mit einem offensichtlichen Gefühl der Freude berichtet, dass “sie jetzt verstehen werden wie wir damit umgehen müssen”, und auch Israels populärstes Mantra: “Nicht alle Muslime sind Terroristen, aber alle Terroristen sind Muslime.”
Alle Terroristen sind Muslime? Hmm. Einige der schrecklichsten Massaker der letzten Jahre scheinen da vergessen zu sein. Sie wurden durch weiße, christliche Männer durchgeführt, aber wer zählt da schon? In solchen Fällen sind es “Einzelpersonen” die allein gehandelt haben, psychisch krank oder verstört sind. Anders Breivik, der 75 Menschen in Oslo und der Insel Utoya getötet hat, ist er ein Muslim? Und die Serie von Massakern an in den Vereinigten Staaten; and der Columbine High School, an der Sandy Hook Elementary School und an der Virginia Tech. Wurde das alles durch Muslime getan?
Niemand hat diese Taten allen weißen Männern, (ob) Amerikaner oder Norweger zugeschrieben. Niemand dachte an christlichen Terror. Und wir sagen kein Wort über das grösste Blutvergiessen der Geschichte, das vor nicht allzu langer Zeit ausschliesslich auf dem aufgeklärten Kontinent geschehen ist, wo es damals noch fast keine Muslime dort gab.
Und die Tötung von Journalisten? Es ist auch noch möglich sich daran zu erinnern, dass während der Operation Protective Edge letzten Sommer 13 (Journalisten) in Gaza getötet wurden.
Der kriminelle Terror der durch islamische Bewegungen und Einzelnen auf der ganzen Welt durchgeführt wird, ist sehr besorgniserregend. Es ist notwendig diesen zu bekämpfen. Aber wir müssen auch ihre Absichten und Motive versuchen zu verstehen.
Die Attacke auf die Presse in Frankreich sollte uns auch schlaflose Nächte bereiten, aber wir müssen uns daran erinnern was währenddessen in Israel passiert.
Hier ist noch ein anderes Stück aus einer Mail die ich letzte Woche bekommen habe, und das auch nicht von einem Muslimen:
“Du hast auf das Volk Israel gespuckt und Gott hat Dir geantwortet. Nein Kind.” Und nichts muss mehr gesagt werden.”
Anmerkungen des Übersetzers:
Während also auf der einen Seite die Meinungs- und Pressefreiheit von kritischen Journalisten bei vielen Menschen in Israel nicht gut ankommt, und zwar nicht nur bei Militanten oder “Randgruppen” wie es immer so schön heißt, zelebriert man die dieselbe Freiheit die sich der israelische Botschafter in Schweden (Isaac Bachmann) herausnimmt um auf seiner Facebook Seite gegen Muslime zu wettern.
Was wäre wohl passiert, hätte sich ein Botschafter eines muslimischen Landes in dieser rassistischen Art und Weise gegen Juden öffentlich geäußert? Wäre er da nicht sofort des Antisemitismus beschuldigt worden und hätte man ihm nicht sehr wahrscheinlich die Akkreditierung entzogen? Ist dann Rede- und Meinungsfreiheit nicht mehr gleich Rede- und Meinungsfreiheit?
Video: Israelkritischer Tweet und weg bist du. Selbst als langjähriger CNN-Korrespondent…
https://www.youtube.com/watch?v=HWEWrTaXe-s
Israel will Weltstrafgericht abschaffen
Die israelische Regierung ist erzürnt: Dass der Internationale Strafgerichtshof (ICC) Vorermittlungen wegen möglicher Kriegsverbrechen gegen Israel aufnehmen will, sei ein Grund, den Gerichtshof abzuschaffen, protestiert Außenminister Avigdor Lieberman. „Dieses Gremium repräsentiert niemanden. Es ist ein politisches Organ und sollte abgeschafft werden“, tobte er im Radio.
Bei den Palästinensern im Westjordanland und im Gazastreifen herrscht hingegen Genugtuung. Die Entscheidung der Chefklägerin, Fatou Bensouda, in Den Haag folgte dem Antrag von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas zur Aufnahme Palästinas.
Freunde sollen nicht zahlen
Gegenstand der Vorermittlung wird zunächst der Gazakrieg im vergangenen Sommer sein, in dessen Verlauf über 2000 Palästinenser den Tod gefunden haben. Aus Unmut über das Gericht in Den Haag will sich Lieberman bei westlichen Mitgliedern dafür starkmachen, dass sie die Finanzierung des Strafgerichtshofs einstellen. „Wir werden unsere Freunde in Kanada, in Australien und in Deutschland auffordern, die Zahlungen schlicht einzustellen“, sagte er.
Sharon Pardo, Jurist und Dozent für Internationale Beziehungen an der Ben-Gurion-Universität in Beerschewa, hält den Aufruf Liebermans für einen symbolischen Akt. Selbst wenn sich Staaten mit Israel solidarisieren sollten, „findet der Internationale Strafgerichtshof sicher schnell andere Geldgeber“. Pardo rechnet mit Klagen gegen Militärs und israelische Siedler.
Abbas hatte das Statut des Gerichtshofs vor zwei Wochen unterzeichnet, bis April soll der Aufnahmeantrag ratifiziert werden. Ziel der Palästinenser ist, den Konflikt, der auf bilateraler Ebene seit Jahren in einer Sackgasse steckt, auf die internationale Bühne zu verlagern. Israel ist selbst nicht Mitglied beim Internationalen Strafgerichtshof und kann als Staat nicht zur Verantwortung gezogen werden. Denkbar sind aber Klagen gegen Einzelpersonen. Umgekehrt kann das Gericht allerdings auch völkerrechtswidriges Verhalten auf palästinensischer Seite verfolgen, wie die Raketenangriffe der Hamas auf israelische Zivilisten.
Als grotesk bezeichnete Benjamin Netanjahu, Israels Premier, die Entscheidung des ICC, der „internationales Recht und Abkommen ignoriert, die festhalten, dass die Palästinenser keinen Staat haben und ihn nur über Verhandlungen mit Israel bekommen können“. Gerade Israel komme den „höchsten Anforderungen des internationalen Rechts“ nach, fügte Netanjahu hinzu, während „palästinensische Terroristen routinemäßig zahlreiche Kriegsverbrechen begehen“. Er erinnerte daran, dass das Tribunal gegründet wurde, um die Wiederholung der schlimmsten Kriegsverbrechen zu verhindern, „allen voran des Völkermords an sechs Millionen Juden“.
„Schritt hin zur Gerechtigkeit“
Die Palästinenser betrachten die geplanten Vorermittlungen hingegen als einen „wichtigen positiven Schritt hin zur Gerechtigkeit“. Die Verbrecher zur Verantwortung zu ziehen bedeute „die Opfer zu ehren und andere davor zu schützen, in der Zukunft Opfer zu werden“. Die Mitgliedstaaten des ICC stünden unter der „moralischen Verpflichtung“, sich für ein „Ende der Besatzung“ einzusetzen.
Der Internationale Strafgerichtshof hat vorläufige Ermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen während des Gaza-Krieges in Palästina aufgenommen. Die Entscheidung war durch den Beitritt Palästinas zum Grundlagenvertrag möglich geworden. Israel forderte daraufhin die Abschaffung des Weltstrafgerichts, auch die USA reagierten empört.
Video: Palästina kann jetzt Israel wegen Kriegsverbrechen anklagen
https://www.youtube.com/watch?v=42K0RSF7s1k
Quellen: diepresse.com/neopresse.com/haaretz.com vom 16.01.2015
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