Die EU-Polizei Europol und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sind sehr besorgt um unsere Sicherheit. Und da bekanntlich zwischen und unter uns überall Schläfer und Terroristen lauern, schließen die Behörden jetzt die nächsten Lücken im Überwachungs-, pardon, Sicherheitsnetz. Wie immer eilen dabei Konzerne wie Google, Facebook und Microsoft selbstlos zu Hilfe. Es geht diesmal um eine neue „Meldestelle für Internetinhalte“, die kritische, pardon, gefährliche Inhalte auch in bislang privaten und verschlüsselten Bereichen des Netzes aufspüren und – bei Explosionsgefahr – entfernen soll.
Die EU will mehr Geld und Personal in die Entwicklung der Meldestelle für Internetinhalte („EU Internet Referral Unit“, EU-IRU) stecken. Wovor genau wir diesmal beschützt werden sollen? Nun, vor allzu freizügigen Kommentaren und kritischen Inhalten im Internet. Was genau dabei alles unter „kritischen Inhalten“ zusammenzufassen ist, wird natürlich im Ermessen der Behörden liegen. Wahrscheinlich wird darunter auch all das fallen, was als EU-Kritik gemeint ist, aber mit Etiketten wie „Separatismus“ oder „Antisemitismus“ beklebt werden kann. Mit einem zentralen Denunziationsbüro, in dem der Willkür Tür und Tor geöffnet sind, hat das Ganze freilich überhaupt nichts zu tun. Und es ist sicher auch nur Zufall, dass der EGMR dazu kürzlich ein wegweisendes Urteil in die passende Richtung gefällt hat:
„Der Fall aus Estland betraf wütende und unflätige Kommentare über Fährrouten, die anonyme Verfasser auf der Nachrichtenwebseite Delfi.ee hinterlassen hatten. Estnische Gerichte hatten den Betreiber des Nachrichtenportals, die Delfi AS, deswegen zu einer Geldstrafe verurteilt. Delfi habe die anstößigen Kommentare nicht schnell genug entfernt, befand der Gerichtshof. Delfi schrieb in einem eigenen Artikel zu der Entscheidung, obwohl Delfi die strittigen Kommentare sofort löschte, als die Redaktion von der Kritik des Fährbetreibers erfuhren, hätten verschiedenen Gerichte dem Fährunternehmen Recht gegeben – nun auch der EGMR.“
Wie so oft wurde hier der Präzedenzfall in einer scheinbar nebensächlichen Angelegenheit geschaffen. Die Auswirkungen sind auf den ersten Blick kaum sichtbar und dennoch gravierend. In diesem Falle ist es das mögliche Ende der Redefreiheit im Internet. Denn Websitenbetreiber können fortan für die Kommentare ihrer Nutzer haftbar gemacht werden – selbst dann, wenn die Kommentare „erst“ nach Beschwerden von Nutzern gelöscht werden. Denn es wird nun verlangt, dass Betreiber „böswilligen“ Kommentaren von vorneherein vorbeugen müssen.
Das Gericht wertete die Kommentare gegen die Fährgesellschaft als „Volksverhetzung“, die sofort hätte zensiert werden müssen. Zwar sind die tatsächlichen Folgen und Reichweiten des Urteils noch nicht wirklich abzusehen, doch es ist wahrscheinlich, dass diese Entscheidung des EGMR genutzt werden kann und wird, um Websites zu torpedieren, die keine Kommentare einschränken. Sie dürfte in jedem Fall viele Seiten dazu zwingen, offene Kommentarfunktionen zu schließen, Foren einzuschränken und streng zu moderieren. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass das EGMR bei spitzfindig formaler Betrachtung nicht zur EU gehört.
Fest steht, dass dieses Urteil ein Baustein für die „Meldestelle für Internetinhalte“ ist. Diese wiederum wird überraschenderweise nicht der Abteilung für Cyberkriminalität bei Europol zugeordnet, sondern dem „Europäischen Anti-Terror-Zentrum“, über dessen Planung und Entstehung wir bereits vor einigen Monaten im Newsletter berichteten. Die Meldestelle soll über kurz oder lang sogar das „Erkennen von Propaganda“ („propaganda detection“) im Internet automatisieren. Was dabei alles unter Propaganda aufgefasst wird? Gute Frage, nächste Frage.
Der Linken-Abgeordnete Andrej Hunko berichtet auf seiner Website über den aktuellen Stand des Aufbaus:
„Hierzu richtet die EU bei Europol derzeit eine „Meldestelle für Internetinhalte“ ein. Erst jetzt ließ die Kommission die Katze aus dem Sack, dass die neue Einheit ebenfalls dem „Antiterrorzentrum“ zugeordnet werden soll. Die „Meldestelle“ ist die Weiterentwicklung eines Projekts des Bundeskriminalamts, in dem Daten zu dem „Phänomenbereich des Islamistischen Terrorismus“ gesammelt werden. Gespeichert werden Informationen zu „relevanten Personen, Organisationen, Medienstellen und Internetseiten“. Bis Ende Mai sollen alle Mitgliedstaaten die polizeilichen Stellen benennen, die an der neuen „Meldestelle“ mitarbeiten wollen. Für Deutschland ist das wohl eine Abteilung des BKA-Staatsschutzes.“
Dass Hunko und seine Linksfraktion die neue Meldestelle ebenso ablehnen wie die beteiligten Inlandsgeheimdienste und ihren Filz, ist doch eigentlich auch schon verdächtig, oder? Sollten wir diesen Fall von kritisch-gefährlichen Ansichten nicht gleich der neuen Meldestelle melden?
Zum Glück haben unsere Leitmedien wie Zeit, Spiegel und Co. weit weniger auf dem Kerbholz als solche Tastaturterroristen. Und demnach auch nichts zu befürchten. Im Gegenteil, sie dürften sich über das Ende der Internet-Wildwestzeit und die „Verpflichtung zur Ordnung“ in den Kommentarspalten freuen. Leiden diese Medienflaggschiffe doch seit langem unter heftigem Beschuss mit terroristischen Kommentaren, die mit ihrem Spott und ihrer Häme über die – nach Meinung dieser Leser – gelenkte Hofberichterstattung die öffentliche Sicherheit gefährden. Endlich darf man hier guten Gewissens nach Herzenslust löschen.
Literatur:
Lügenpresse von Markus Gärtner
Die Unbelangbaren: Wie politische Journalisten mitregieren (edition suhrkamp)
Perfekte Krisenvorsorge: Überleben, wenn Geld wertlos wird und die Geschäfte leer sind von Gerhard Spannbauer
Finanzcrash: Die umfassende Krisenvorsorge von Gerhard Spannbauer
Das Medienmonopol: Gedankenkontrolle und Manipulation der Dunkelmächte von M. A. Verick
Quellen: krisenvorsorge.com vom 02.10.2015
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