Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat die Gefahr des iranischen Atomprogramms bei seinem denkwürdigen Auftritt vor den Vereinten Nationen im Jahr 2012 offenbar übertrieben. Das geht aus einem geheimen Kabel des Geheimdiensts Mossad aus, den die Zeitung The Guardian und der Sender Al-Dschasira veröffentlichten. Demnach hieß es in der Notiz wörtlich: „Der Iran leistet aktuell nicht die Aktivität, die für den Bau von (Nuklear)waffen nötig wäre.“
Ganz anders stellte Netanjahu den Sachverhalt wenige Wochen vor der Niederschrift des Kabels dar. Eine hochinszenierte Szene war es, als der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor der UNO-Generalversammlung 2012 Papier und Stift zückte: Auf einer Cartoonbombe markierte er damals mit einem dicken roten Filzstift die sprichwörtliche „rote Linie“. Spätestens im Sommer 2013, meinte der israelische Premier damals, werde der Iran in der Lage sein, „ausreichend angereichertes Uran für seine erste Bombe zu erhalten“.
Einige Wochen später jedoch wurde Netanjahus dramatische Einschätzung vom israelischen Auslandsnachrichtendienst Mossad widerlegt. In einem geheimen Bericht an den südafrikanischen Geheimdienst, die dem arabischen Nachrichtensender „Al Jazeera“ und der englischen Zeitung „The Guardian“ zugespielt wurden, widerlegte der Mossad die Aussage des israelischen Regierungschefs. Demnach sei Teheran nicht bereit gewesen, „Uran auf ein ausreichendes Niveau anzureichern, um Atombomben zu bauen“.
Der Tageszeitung „Jerusalem Post“ zufolge handelt es sich bei den von „Al-Dschasira“ veröffentlichten Berichten nicht um Original-Dokumente des Mossad, sondern um Papiere des südafrikanischen Geheimdienstes SAS, dem Informationen des Mossad zugrunde lagen. Die Beziehungen zwischen Israel und Südafrika haben sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten beständig verschlechtert.
Unmut über unangekündigten US-Besuch
Die Enthüllungen werden zu einem brisanten Zeitpunkt veröffentlicht: Am 3. März will Netanjahu vor dem US-Kongress über die Gefahren des iranischen Atomprogramms sprechen und löste damit einen innenpolitischen Eklat aus: Der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses hatte Netanjahu ohne Wissen von Präsident Barack Obama eingeladen.
Der Israeli wolle die Gelegenheit nutzen, die Atomgespräche zwischen den fünf UN-Vetomächten und Deutschland mit dem Iran zu kritisieren, heißt es. Denn ebenso wie ein Großteil der Republikaner versucht Netanjahu Obamas außenpolitisches Prestigeprojekt zu verhindern. Das Weiße Haus befürchtet nun, dass Netanjahus Rede kommende Woche, die sensiblen Verhandlungen zu nichte machen könnte. Die Deadline für ein Rahmenabkommen ist Ende März. Die endgültige Vereinbarung soll am 30. Juni getroffen werden.
Obama hingegen wird den israelischen Premier nicht empfangen – ebenso wie Vizepräsident Joe Biden und Außenminister John Kerry. Offiziell heißt es zwar, man wolle den Eindruck vermeiden, sich kurz vor der israelischen Parlamentswahl am 17. März in die Innenpolitik des Landes einzumischen. In Wahrheit jedoch könnte die US-Regierungsspitze damit ihren Unmut über den unangekündigten Besuch ausdrücken.
Atomabkommen „Gefahr für westliche Welt“
Israel scheint die Kontroverse über Netanjahus Rede im US-Kongress wenig zu beeindrucken. „Wir werden die Sicherheit israelischer Bürger nicht auf Spiel setzen. Wir werden alles tun was wir können und wir werden überall verkünden, welche Gefahren uns erwarten“, betonte der israelische Außenminister Moshe Yaalon erst am Montag.
Erneut warnte er vor einem Atomabkommen mit dem Iran. Es sei eine Gefahr für die Sicherheit Israels und der westlichen Welt. Ein Abkommen ermögliche dem Iran, eine Atomacht zu werden und seine Terroraktivitäten fortzusetzen.
Video:
Quellen: taz.de/diepresse.com/israelnetz.com vom 23.02.2015
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