Lukrative Aufträge aus Riad: Das wahhabitische Königshaus schürt und finanziert den Krieg gegen »Ungläubige«, ob in Syrien oder Jemen.
Saudische Kampfjets haben am Sonntag in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa das Gelände der Vereinten Nationen angegriffen. Eine Person sei getötet und verschiedene Gebäude seien »schwer beschädigt« worden, hieß es in einer Erklärung von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon am Montag. Die UNO verurteilte den Angriff und forderte eine Untersuchung. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Die UN verwiesen auf das humanitäre Völkerrecht, das allen Kriegsparteien den Schutz von Zivilisten und zivilen Einrichtungen vorschreibe. Dazu gehörten auch die UN-Mitarbeiter und UN-Einrichtungen.
Seit Beginn des Luftkrieges gegen den Jemen, der als »Armenhaus der arabischen Welt« gilt, versuchen UN-Organisationen, den vielen Inlandsvertriebenen zur Seite zu stehen. Seit Jahren kümmern sich die Vereinten Nationen um Flüchtlinge, die aus afrikanischen Kriegsländern über den Golf von Aden flüchten und im Jemen stranden. Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF wies am Montag darauf hin, dass aufgrund des Krieges die medizinische Versorgung der Bevölkerung gefährdet sei. Impfkampagnen seien gestoppt worden, so dass 2,6 Millionen jemenitische Kinder unter 15 Jahren sich mit Krankheiten infizieren könnten, die das Land eigentlich längst unter Kontrolle gehabt habe. Auch engagieren sich die UN für eine politische Lösung im Machtkampf um den Jemen. Allerdings endeten entsprechende Verhandlungen in Genf Mitte Juni ohne Erfolg.
Am Montagabend, dem selben Tag, an dem der UN-Generalsekretär die saudischen Luftangriffe auf UN-Einrichtungen in Sanaa verurteilt hatte, zündeten dort extremistische Attentäter vor dem Wohnhaus zweier Anführer der Huthi, Faisal und Hamid Dschajash, eine Autobombe. Verwandte, Freunde und Nachbarn hatten sich in dem Gebäude versammelt, um einem verstorbenen Familienangehörigen die letzte Ehre zu erweisen. Unter den 28 bisher bestätigten Todesopfern sind acht Frauen. Zu dem Anschlag bekannte sich wenig später im Internet die Miliz »Islamischer Staat« (IS). Das Haus sei ein »Schiitennest« gewesen, hieß es. Die Huthis sind Angehörige der schiitischen Strömung der Zaiditen. Im Jemen werden etwa 40 Prozent der Bevölkerung dieser Glaubensrichtung zugerechnet.
Dass schiitische Muslime als »Ungläubige« getötet werden müssen, behaupten sunnitische Prediger vor allem aus Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten. Über staatliche und private Satellitensender sowie das Internet verbreiten sie Hassreden. Auf diese folgen die Anwerber der Geheimdienste vom Golf, die seit den 1980er Jahren »Mudschahedin« (Dschihad-Kämpfer) suchen. Damals wurden sie nach Afghanistan zu einer Basis geschleust, arabisch »Al-Qaida«, um gegen die Sowjetunion Krieg zu führen. Seitdem haben die damals entstandenen Gruppen ein weitverzweigtes Eigenleben entwickelt und in anderen Ländern neue Führer und Filialen hervorgebracht. Immer und überall jedoch speisen sich die Aktivitäten der Gotteskrieger aus Geldquellen der Golfstaaten.
Video: Liebe Bundesregierung, wenn in Saudi-Arabien deutsche Gewehre gebaut und im Jemen eingesetzt werden, sind das dann deutsche Gewehre im Jemen?
US-Vizepräsident Joe Biden sprach im Oktober 2014 offen aus, was Medien in der Region seit langem berichtet hatten: Vor allem die Golfstaaten und die Türkei hätten »Hunderte Millionen Dollar und Tausende Tonnen Waffen in jeden investiert«, der gegen Syriens Präsidenten Baschar Al-Assad kämpfen wollte. Die eigenen Verbündeten hätten »einen sunnitisch-schiitischen Stellvertreterkrieg« gestartet, so Biden.
Der US-Vize musste sich für die Äußerung entschuldigen – und Europa schweigt dazu, denn das ist gut für das Geschäft. Saudi-Arabien ist einer der größten Kunden der Waffenschmieden des »alten Kontinents«. Deutsche Konzerne dürfen beispielsweise 15 Patrouillenboote liefern, und Jordanien – von den Saudis und den USA finanzierte Militärbasis an der Seite Israels – erhält 526 vollautomatische deutsche Gewehre. Die landen vermutlich schneller im Kriegsgebiet in Syrien, als die Lieferung aus Deutschland dauert.
Hochtief darf derweil den Flughafen der saudischen Hauptstadt Riad ausbauen. Der Auftragswert betrage 1,3 Milliarden Euro, teilte der Baukonzern am Dienstag mit. Hochtief hält den Angaben zufolge 55 Prozent an dem beauftragten Gemeinschaftsunternehmen. Nur wenige Kilometer entfernt liegt der militärische Teil des Flughafens Riad, die Prinz-Sultan-Luftwaffenbasis in Khardsch. Von dort starten täglich Waffentransporte in Richtung Syrien und Kampfjets in Richtung Jemen und Irak.
Video:
Kooperation im Atombereich
Frankreich und Saudi-Arabien haben sich auf eine Zusammenarbeit im Bereich der Nukleartechnologie geeinigt. In Anwesenheit des französischen Präsidenten François Hollande und des saudischen Kronprinzen und Verteidigungsministers Prinz Mohammed bin Salman wurde am 24. Juni in Paris ein Kooperationsplan beider Länder verabschiedet, der auch eine Machbarkeitsstudie für den Bau von zwei Druckwasserreaktoren der französischen Firma Areva vorsieht. Das aus insgesamt zehn Vereinbarungen bestehende Abkommen war von einer neugegründeten »Gemeinsamen französisch-saudischen Kommission« vorbereitet worden.
Die Zusammenarbeit, von der sich Frankreich Einnahmen in Höhe von ungefähr zwölf Milliarden US-Dollar verspricht, umfasst neben dem geplanten Reaktorbau und der Schulung saudischen Personals im Bereich der Entsorgung von Atommüll und der nuklearen Sicherheit auch Projekte im Rüstungsbereich, in der Transportinfrastruktur und der Luftfahrt. Der Firma Airbus kauft Saudi-Arabien 50 Passagierflugzeuge und Technologie im Wert von acht Milliarden US-Dollar ab. 23 Airbus-Hubschrauber (H145) im Wert von 500 Millionen US-Dollar gehören auch zu dem Geschäft. Areva dürfte sich über die Vereinbarung im Nuklearbereich freuen. 2009 hatten die Franzosen ein Geschäft mit den Vereinigten Arabischen Emiraten verloren, die sich beim Bau einer Atomanlage für ein südkoreanisches Konsortium entschieden hatten.
Hintergrund der engen Zusammenarbeit von Riad und Paris dürfte die französische Haltung bei den Atomverhandlungen mit Iran sein. Frankreich hat sich bisher als Bremser bei den Gesprächen präsentiert, was an den engen französisch-israelischen Beziehungen liegen dürfte. Saudi-Arabien, das – wie Israel – im Iran seinen größten regionalen Widersacher sieht, widersetzt sich Washingtons Annäherungskurs gegenüber Teheran. Diese Haltung bringt das saudische Königshaus nicht nur eng an Israels Seite, sondern auch an die Frankreichs.
Die Tatsache, dass eine solche Vereinbarung über den Bau von Atomreaktoren in Saudi-Arabien parallel zu den US-amerikanischen Atomverhandlungen mit dem Iran geschlossen werden konnte, lässt erkennen, dass Israel gegen einen Atomstaat Saudi-Arabien nichts einzuwenden hat. Dem Iran allerdings hat Israel wiederholt mit Krieg gedroht, sollte er sein Atomprogramm nicht einstellen. Um dem Land zu schaden, das sich trotz Jahrzehnte langer westlicher Sanktionen zur einflussreichen Regionalmacht entwickelt hat, schürt Saudi-Arabien seit Jahren regionale Konflikt- und Brandherde insbesondere auf konfessioneller Basis.
Literatur:
Inside IS – 10 Tage im ‚Islamischen Staat‘ von Jürgen Todenhöfer
Die Weltbeherrscher: Militärische und geheimdienstliche Operationen der USA von Armin Wertz
Deutschland die Drehscheibe des Waffenhandels: Parteien und Panzer sind Petro-Dollar von Walter Bolsinger
Schwarzbuch Waffenhandel: Wie Deutschland am Krieg verdient von Jürgen Grässlin
Quellen: Reuters/jungewelt.de vom 01.07.2015
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