Binnen Tagen schickt die Bundeskanzlerin deutsche Soldaten und Kampfjets in den Krieg gegen die Terrormiliz »Islamischer Staat«. Es ist der derzeit größte Auslandseinsatz – und die Bundeswehr geht ohne Strategie. Die Mehrheit der Bevölkerung hat die Regierung beim Waffengang in Nahost nicht hinter sich. Doch das hat ja noch nie jemanden geschert.
Nach den Terroranschlägen am 13. November in Paris hat Frankreichs Präsident François Hollande erklärt, sein Land befinde sich im Krieg mit den Terroristen des »Islamischen Staats« (IS), die größere Gebiete in Syrien und im Irak okkupiert haben. Die sollen jetzt von der Geißel der Dschihadisten befreit werden. Unter Verweis auf eine weithin unbekannte Beistandsklausel in den EU-Verträgen hat der Chef des Élysée in Paris die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union um Unterstützung im Feldzug »gebeten«. Allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr schwarz-rotes Kabinett folgen dem Racheruf links des Rheins (Die Déjà-vus von Paris: Neue (alte) Erkenntnisse über den Terror und weitere Merkwürdigkeiten (Videos)).
1.200 deutsche Soldaten sollen Frankreich und die seit einem Jahr mehr oder weniger erfolglose, US-geführte Allianz im Kampf gegen den IS-Krieger unterstützen. Die Bundeswehr soll mit »Tornado«-Aufklärungsflugzeugen und Satellitenmaterial bei der Zielauswahl helfen, ein Marineschiff den französischen Flugzeugträger »Charles de Gaulle« im Mittelmeer absichern helfen. Nach bisherigen Angaben soll der Einsatz in den nächsten zwölf Monaten die deutschen Steuerzahler 134 Millionen Euro kosten.
Die Bundesregierung redet sich den Kriegseinsatz völkerrechtlich schön. Grundlage des Mandats ist den Angaben in Berlin zufolge das Recht auf kollektive Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen. Namhafte Völkerrechtler stellen dieses Rechtskonstrukt in Frage und verweisen auf eine fehlende Resolution des UN-Sicherheitsrats. Auch liegt keine Bitte der syrischen Regierung vor, beim Kampf gegen den IS zu helfen, wie sie gegenüber Russland geäußert worden ist.
Im Gegensatz zur Selbstermächtigung zur westlichen Intervention im Nahen Osten operieren die Truppen Moskaus in einem völkerrechtlich legitimen Rahmen und mit einer klaren Strategie: Ziel ist die Unterstützung der syrischen Führung beim Kampf gegen die Terrorgruppen – wenn die besiegt sind, kann ein politischer Prozess für das kriegsgeplagte Land in der Levante in Gang kommen.
Davon will die Bundesregierung – noch – nichts wissen. Eine Kooperation mit der syrischen Armee schließt Berlin aus, stellt das Verteidigungsministerium vor der Verabschiedung des Einsatzes im Deutschen Bundestag klar. Damit fehlt eine sinnvolle Strategie, wird doch gleichzeitig allerorten betont, dass Luftangriffe alleine nicht helfen, den IS zu besiegen.
Obwohl der Einsatz – wie seinerzeit die Bombardierung auf dem Balkan 1999, die Angriffe auf Afghanistan 2001 und die Irak-Invasion 2003 – völkerrechtlich nicht legitimiert ist; obwohl der Einsatz das vorgegebene Ziel offensichtlich nicht erreichen wird, dafür aber die Terrorgefahr in Deutschland wohl steigt, wird – wieder einmal – eine überwältigende Mehrheit der Abgeordneten des Bundestages pflichtschuldig zustimmen.
Die erhöhte Terrorgefahr redet die Bundesregierung klein. »Die bittere Wahrheit ist, dass der IS unmissverständlich ja bereits klar gemacht hat, dass auch Deutschland in seinem Fadenkreuz steht«, behauptet Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Deutschland dürfe sich keinen Illusionen hingeben.
Der Publizist Jakob Augstein, Herausgeber der Wochenzeitung Freitag und Kolumnist beim Spiegel, dagegen warnt: »Die Deutschen werden nun endgültig zur Kriegspartei in diesem Konflikt ohne Hoffnung. Bisher hatte Deutschland sich weitgehend herausgehalten. Nicht aus Feigheit, sondern aus Vernunft.« Deutschland ziehe »aus Liebe zu Frankreich« in den Krieg. Das sei im Prinzip ein guter Grund. »Aber ist nicht gut genug für einen Krieg. Und er rechtfertigt nicht das Risiko, dass der Terror nun auch zu uns kommt.«
Augstein weiter: »Freundschaft verpflichtet nicht zur Torheit. Und dieser Krieg ist töricht. Was wir in Syrien bekämpfen wollen, erzeugen wir selbst: Flüchtlinge und Terror. Krieg erzeugt nur Krieg. Dass dieser Krieg aus der Luft gewonnen werden kann, glaubt niemand. Niemand weiß aber, wer ihn am Boden auskämpfen soll.« Syrien sei ein »Schlachthaus« und der Westen hilflos. » Wir halten aber die eigene Hilflosigkeit nicht aus, also machen wir alles immer schlimmer. Und gefährlicher.« („Wir schaffen das…“ deutsche Volk ab! Über Gehirnwäsche „er ist wieder da“ und „Bild Dir Deine Meinung“)
Sicher, die Bundeswehr seit an der Ausbildung kurdischer Peschmerga-Kämpfer im Irak beteiligt und liefere Waffen an die Kurden, doch erst mit den »Tornado« über Syrien werde Deutschland wirklich zur Kriegspartei, so Augstein. Und natürlich erhöhe diese Beteiligung am Krieg in Syrien die Terrorgefahr in Deutschland. »Aber das ist ein verbotener Gedanke. Wer ihn äußert, ist feige, will sich verstecken, den Kopf in den Sand stecken. Vielleicht wären die Angehörigen der Toten von Paris froh, wenn ihr Land sich nicht in diesen sinnlosen syrischen Krieg gemischt hätte.«
Ähnlich kommentiert die Frankfurter Rundschau den unbedingt gewollten Syrien-Einsatz der Bundeswehr: »Krieg gegen den Terror – zweiter Versuch, neuer Schauplatz. Als Reaktion auf die Anschläge am 11. September 2001 in New York und Washington sind die Nato-Verbündeten US-Präsident George W. Bush nach Afghanistan gefolgt. Die Attentate des 13. November 2015 in Paris führen Frankreichs Präsidenten François Hollande und seine europäischen Freunde Richtung Syrien. Wirklich erfolgreich war der erste Kreuzzug nicht.
Haben die Teilnehmer von Kreuzzug Nr. 2 hinreichend Lehren daraus gezogen? Eher nicht. Das fängt an mit dem reflexartigen Beginn. Die Regierung einer tief verwundeten Nation schreit nach Vergeltung. Handelte es sich nicht um hoch zivilisierte Staaten, wir sprächen von Blutrache. Und die Blutsbrüder, pardon: die politischen Verbündeten sitzen in der Falle. Sie müssen Paris zu Willen sein, obwohl die afghanische Erfahrung zur Vorsicht hätte mahnen sollen.«
Die Kanzlerin will also deutsche Soldaten möglichst schnell in die Schlacht schicken, nur Krieg soll das Ganze – wieder einmal – nicht genannt werden. »Es handelt sich um einen militärischen Einsatz«, meinte Merkel am Dienstag in Berlin auf Journalistennachfragen. Welche Lehren ihre Regierung aus dem Afghanistan-Debakel der Bundeswehr zieht, wollte sie nicht beantworten (Zu unserem Schutz: Massenüberwachung, Krieg und andere Gauckeleien).
Video: Chronologie eines deutschen Kriegseintritts
Die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland hat die Bundesregierung im Syrien-Einsatz nicht hinter sich. Laut ZDF-»Politbarometer« sprechen sich von gut 1.000 Befragten nur 47 Prozent explizit dafür aus, 46 Prozent sind dagegen, sechs Prozent unentschieden – also auch nicht dafür.
Deutlicher fällt eine – nicht repräsentative – Umfrage des Nachrichtenkanals n-tv aus. Der Privatsender fragte auf seiner Webseite: »Sollte sich Deutschland militärisch in Syrien engagieren?« Mehr als zwei Drittel, 69 Prozent, antworteten mit Nein, nur 27 Prozent mit Ja. An der Abstimmung haben sich bisher mehr als 25.000 Bürger beteiligt.
Wohlweislich wird die Bevölkerung von der Regierung nicht gefragt, wenn es um Krieg und Frieden geht.
Literatur:
Die Wahrheit über das Attentat auf Charlie Hebdo von Gerhard Wisnewski
Wer den Wind sät: Was westliche Politik im Orient anrichtet von Michael Lüders
Ich bin nicht Charlie: Meinungsfreiheit nach dem Terror (Kaplaken) von Martin Lichtmesz
Krieg um jeden Preis: Gier, Machtmissbrauch und das Millardengeschäft mit dem Kampf gegen den Terror von James Risen
Quellen: PRAVDA TV/PublicDomain/de.sputniknews.com vom 01.12.2015
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