Deutsche Geheimdienste erschließen sich bald alternative Quellen! Sie hören und lesen endlich bei den Russen mit! So berichtete die SÜDDEUTSCHE ZETUNG jüngst auf einer ganzen halben Seite. Die deutschen Berufs-Spione sollen im Auftrag der Bundesregierung russische Medien, die in Deutschland erscheinen, regelmäßig observieren.
Über Jahrzehnte war die Informationsbeschaffung des Bundesnachrichtendienstes (BND, Auslands-Spionage) und des Verfassungsschutzes (Inlands-Spionage, BFV) eine trübe Angelegenheit. Der Inlands-Geheimdienst hatte die Beschaffung falscher Informationen total rationalisiert: Dort bezahlte man V-Leute, Personen des Amts-Vertrauens, die man in die diversen Nazi-Organisationen schickte.
Die machten dann eigene Nachrichten für den Schutz. Sie gründeten auch Schutz-Filialen, wie den Thüringer Heimat-Schutz, oder auch gern echte Terror-Gruppen wie den NSU, den „Nationalen Schutz Untergrund“. Alles, was die so trieben, wurde aufgeschrieben und füllte Kilometer von Aktenregalen. Und immer wenn die jeweiligen Büroräume für die vielen Akten zu klein wurden, kamen die Unterlagen in den Reißwolf.
Auch der Auslandsgeheimdienst hatte entdeckt, wie man mit Null Aufwand eine totale Dienst-Simulation herstellen konnte. Man gründete allerdings keine Filiale, man wurde selbst eine! Als ein Teil des US-Geheimdienstes (gleichgültig ob CIA oder NSA) bekam man zum Beispiel die begehrte Spionage-Software XKeyscore von den Amerikanern.
Der BND musste im Gegenzug nur die Millionen Daten, die er durch das „Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses“ geradezu automatisch generierte, an die NSA weiterleiten. Die neue Software, so konnte man in einem internen Aktenvermerk lesen, habe „eine hohe Erkennung genutzter Applikationen, Internetanwendungen und Protokolle“ ergeben.
Und: XKeyscore habe in den Daten „bspw. Hotmail, Yahoo oder auch Facebook erkannt. Ebenfalls konnten Benutzernamen und Passwörter ermittelt werden.“
Was wie ein guter Deal erschien – die USA bekamen deutsche Daten und die Deutschen konnten die Füße hochlegen – war die reine amerikanische Dankbarkeit. Denn als ein amerikanischer Präsident mal dringend einen Kriegsgrund suchte, zu Beginn der Zerstörung des Iraks und der Liquidierung beträchtlicher Teile seiner Bevölkerung, da half der BND völlig selbstlos:
Einer seiner Informanten, ein Agent namens Curveball (Rafed Ahmed Alwan), erzählte dem Nachrichtendienst nach dringlicher Aufforderung, dass es im Irak „Rollende Giftgas Labors“ gäbe. Diese Spionage-Ente gab der BND an den CIA weiter und das tapfere Irak-Bomben konnte beginnen.
Der Spion, der für Geld eine „Nachricht“ erfunden hatte, wohnt heute unbehelligt in Bad Aibling. Aber da weder der Kriegs-Präsident Georg W. Bush, noch sein Lügen-Außenminister Collin Powell, geschweige denn der Lügen-Auftraggeber, der damalige BND-Chef August Hanning, jemals vor ein ordentliches Gericht gestellt wurden, sollte man dem Agenten seine Ruhe gönnen: Der Irak-Krieg wäre auch ohne seine bezahlte Lüge begonnen worden.
Nach Jahren der Faulenzerei und der Zu-Arbeit für ausländische Dienste und inländische Verbrecherorganisationen weist das Kanzleramt unter dem Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche die Dienste an, nun endlich echte Informationen zu beschaffen: Sie müssen jetzt regelmäßig Sputnik und RT-Deutsch lesen und sehen, um die Kanzlerin und den Bundespräsidenten mit echten Informationen zu versorgen.
Das berichtet in diesen Tagen der Rechercheverbund von SÜDDEUTSCHER ZEITUNG, NDR und WDR. Natürlich unter der Überschrift „Aufklärung über die Desinfomationskampagne des Kreml“. Kenner der Szene haben aber große Zweifel an dieser jüngsten Nachricht.
Gehören doch die recherchierenden Medien genau zu jenen, die, vom Irak-Krieg über den Ukraine-Krieg bis zum Syrien-Krieg, grundsätzlich alle Propaganda-Nachrichten der USA brav verbreitet hatten. Von den Giftgas-Labors des Saddam Hussein, die es im Irak nicht gab, bis zu den Giftgas-Angriffen des Baschar Hafiz al-Assad in Syrien, die ebenfalls erfunden wurden.
Was wäre, wenn der dubiose „Verbund“ auch die neue frohe Botschaft über die Verbesserung der Quellenlage deutscher Geheimdienste nur erfunden hätte? Denn bisher waren die Weltnachrichten für deutsche Dienste und Medien ziemlich simpel herzustellen. Immer wenn Kanzler- oder Bundespräsidialamt Fragen stellten wie „Wer hat Schuld am Syrienkrieg?“, „Wer hat Schuld am Kalten Krieg?“ oder auch „Wer hat Schuld am schlechten Wetter?“, dann mussten die Dienste nur auf einem Formular „DER RUSSE“ ankreuzen. Das war einfach und wurde gern geglaubt.
Und in einer wunderbaren Kette der Nachrichten aus dem Formular träufelte diese Botschaft von den Diensten über den Sprecher der Bundesregierung bis in das letzte Medium. Man musste nicht mal inländische V-Leute oder ausländische Spione bezahlen. Zudem würde zu einer Änderung der bisherigen deutschen Nachrichten-Politik ein hohes Maß an eigenständigem Denken gehören. Wer die intellektuelle Lage in den betroffenen Büros von Diensten, Politik und Redaktionen kennt, der kann sich Denken außerhalb des gelernten Schemas – USA GUT, RUSSLAND BÖSE – einfach nicht vorstellen.
Regierung gibt neuen Bundestrojaner frei
Wenn Twitter-Nutzer den Hashtag #ozapftis verwenden, dann ist normalerweise Herbst, und das Oktoberfest hat begonnen. Die nächste Wiesn liegt aber noch ein gutes halbes Jahr in der Zukunft. Aktueller Grund für die #ozapftis-Tweets ist ein deutlich nüchterneres Thema: der Bundestrojaner. Die Späh-Software der Sicherheitsbehörden zur sogenannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) kann von heute an eingesetzt werden.
Wie das Bundesinnenministerium der SZ bestätigte, ist das umstrittene Programm des Bundeskriminalamtes freigegeben. Der Deutschlandfunk hatte am Montagmorgen zuerst darüber berichtet. Damit will die Behörde Computer und Smartphones überwachen. Laufende Gespräche und Chats sollen so mitgeschnitten werden, und zwar direkt auf dem von der Zielperson genutzten Gerät. So wollen Ermittler Kommunikation abgreifen, bevor sie verschlüsselt wird.
Die Freigabe sei „nach umfassenden Tests und einer externen Software-Prüfung“ im Herbst 2015 geschehen, heißt es. In die Beratungen seien die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern einbezogen gewesen. Auch Landeskriminalämter könnten das Programm nutzen, ihre Mitarbeiter müssten aber noch geschult werden.
Die Software zur Quellen-TKÜ soll nur ein einziges Programm auf einem Computer überwachen und auf Kommunikationsvorgänge beschränkt sein. Theoretisch ließen sich mit einem Trojaner sehr viel weitgehendere Überwachungsmaßnahmen durchführen. Das Bundesverfassungsgericht hatte aber 2008 enge Grenzen für den Fernzugriff auf Computer gezogen: Die Online-Durchsuchung sei nur „bei überragend wichtigen Rechtsgütern“ gestattet, etwa bei Gefahr für Leib und Leben oder Straftaten gegen den Bestand des Staates. Für die reine Telekommunikationsüberwachung definierten die Richter allerdings geringere Hürden.
Kritiker bezweifeln, dass diese Einschränkung gewährleistet werden kann. „Man kann sehr einfach nachweisen, dass eine Software eine bestimmte Funktion hat“, sagt Falk Garbsch, einer der Sprecher des Chaos Computer Clubs (CCC). „Aber es ist fast unmöglich, nachzuweisen, dass eine Software eine bestimmte Funktion nicht hat.“ Im besten Fall bleibe die Überwachung tatsächlich auf die Kommunikation des Verdächtigen beschränkt, genauso sei aber möglich, dass zum Beispiel auch Daten auf der Festplatte erfasst würden.
Der Chaos Computer Club hatte 2011 eine ähnliche Software bayerischer Sicherheitsbehörden analysiert. Das Programm erlaubte einen umfassenden Zugriff auf die Festplatten der Zielpersonen, die Fernsteuerung ihrer Rechner und ermöglichte es außerdem, weitere gefährliche Software nachzuladen.
„Mittelfristig könnte das dazu führen, dass sich Sicherheitsbehörden neue, noch unentdeckte Sicherheitslücken auf dubiosen Märkten einkaufen müssen“, sagt Garbsch. „Normalerweise ist das ein Milieu, in dem sich sonst nur Kriminelle und Geheimdienste bewegen.“
Der CCC hat noch weitere Bedenken. Ein Trojaner sei immer auch ein Einfallstor für andere Kriminelle. Diese könnten sich Schwachstellen in der Software zunutze machen, die Funktionen des Trojaners erweitern und ihre eigenen Programme einschleusen. So könnten sich etwa ausländische Geheimdienste oder Kriminelle Zugang zu den Computern von Verdächtigen verschaffen, die von deutschen Sicherheitsbehörden überwacht werden.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz forderte, den Quellcode des Programms offenzulegen. Weil dieser bei den Firmen lag und so für Öffentlichkeit und Fachleute nicht nachvollziehbar war, forderten Kritiker, die Überwachungsprogramme nicht von der Privatwirtschaft entwickeln zu lassen.
Nun hat das BKA nach jahrelanger Arbeit seinen eigenen Trojaner entwickelt. Allerdings bestätigte das Innenministerium auch, dass es eine Ersatz-Software gekauft habe. Es handele sich um „ein kommerzielles Produkt der Firma Finfisher aus Gründen der Ausfallsicherheit und zur Steigerung der passgenauen Einsatzfähigkeit“.
Finfisher ist umstritten, weil das Unternehmen Software an autoritäre Staaten verkauft haben soll, mit der auch Oppositionelle überwacht worden sein könnten.
Literatur:
Die globale Überwachung: Der Fall Snowden, die amerikanischen Geheimdienste und die Folgen von Glenn Greenwald
Bürger im Visier der Geheimdienste
Die Akte Wikipedia: Falsche Informationen und Propaganda in der Online-EnzyklopädievonMichael Brückner
NSA, BND & Co.: Die Möglichkeiten der Geheimdienste: Technik, Auswertung, Gegenmaßnahmen von Gilbert Brands
Quellen: PublicDomain/de.sputniknews.com/SZ/rationalgalerie.de am 23.02.2016
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