Die EU-Kommission will Marktmacht des US-Unternehmens brechen.
Bevorteilt Google in Suchergebnissen eigene Angebote? Die EU-Kommission hat Beschwerde eingereicht. Es könnte eines der wichtigsten Verfahren der Internetgeschichte werden.
»Google« steht heute fast synonym für Suchmaschine. Dass es eine solche längst nicht mehr nur ist, sondern man auf der Website des Unternehmens auch Flüge buchen oder shoppen kann, könnte dem Konzern jetzt zum Verhängnis werden: Wegen eines möglichen Missbrauchs seiner Marktmacht hat die EU-Kommission am Donnerstag ein formelles Verfahren gegen den US-Konzern angekündigt, an dessen Ende die höchste Wettbewerbsstrafe stehen könnte, die je ein Unternehmen an die EU-Kommission zahlen musste.
»Wir wollen, dass die Verbraucher bei einer Suchanfrage die besten Suchergebnisse präsentiert bekommen«, kündigte EU-Kommissarin Margrethe Vestager das Beschwerdeverfahren an, das Internetgeschichte schreiben könnte. Bei den Beschwerdepunkten, die dem US-Konzern am Mittwoch zugeschickt wurden, geht es im Kern um die Frage, ob Google durch die Einbindungen eigener Angebote, wie seines Preisvergleichsdienstes »Google-Shopping«, andere Unternehmen benachteiligt und damit Verbrauchern schadet. Sie habe die Befürchtung, dass Google sich »einen unfairen Vorteil verschafft« habe, sagte Vestager.
In einem getrennten Verfahren soll auch das Geschäftsmodell von Android geprüft werden. Zwar ist Googles Betriebssystem für Smartphones an sich frei und kostenlos, aber Hersteller müssen Pauschalbeträge für das Anbieten von Google-Diensten wie Maps oder GMail auf ihren Geräten bezahlen. Auch wenn sie nur einzelne Dienste anbieten wollen.
Das eigentliche Problem geht allerdings über Android und »Google Shopping« hinaus und liegt in der Marktmacht des Konzerns begründet: Immer wieder gab es in der Vergangenheit Kritik am Verhalten des Unternehmens gegenüber kleineren Anbietern, dessen Suchmaschine in Deutschland 90 Prozent aller Internet-User nutzen. Reiseanbieter und Restaurantbewerter wie TripAdvisor und Expedia hatten sich in der Vergangenheit über Benachteiligung beschwert und Google Machtmissbrauch vorgeworfen.
Die EU ermittelte bereits Ende 2010 wegen Wettbewerbsverzerrung. Google sagte damals zu, Konkurrenzangeboten mehr Platz einzuräumen und eigene Dienste besser zu kennzeichnen. Doch der Unmut der Branche blieb. Der Ausgang der jetzigen Beschwerde könnte deshalb zum Präzedenzfall werden. Beschwerden von Vertretern weiterer Branchen an die Kommission würden noch geprüft, versprach deshalb Vestager vorsorglich.
Mindestens ein Jahr wird das Verfahren voraussichtlich dauern. »Google hat nun zehn Wochen Zeit, um zu antworten«, sagte Vestager am Mittwoch. Auf seinem Firmenblog reagierte das Unternehmen bereits nach wenigen Minuten: Mit zahlreichen Statistiken versucht das Unternehmen dort zu belegen, dass die eigene Marktmacht nicht dem Wettbewerb schade. Im Gegenteil: Bei Suchmaschinen gebe es »mehr Auswahl als je zuvor«. Auch bei dem kritisierten Angebot für Flugpreise lägen andere Anbieter immer noch weit vor Google.
Auch Googles Chefjustiziar Kent Walker äußerte sich am Mittwoch öffentlich, wenn auch unfreiwillig. Das Onlinemagazin »Re/code« veröffentliche ein internes Schreiben, in dem Walker versucht, die Gefahr eines Verfahrens kleinzureden: So seien bisherige Fälle für Jahre »hin und her gegangen«, mit dem Ergebnis, dass die »Kommission ihre Ansprüche geändert oder den Fall geschlossen habe«. Obwohl man mit scharfer Kritik rechnen müsse, biete das Verfahren »auch die Gelegenheit unsere Version der Geschichte zu erzählen«. Zumindest finanziell dürfte er Recht behalten: Selbst im für Google ungünstigsten Fall beträgt das maximale Bußgeld des EU-Verfahrens nicht mehr als ein Zehntel des Unternehmensumsatzes. Bei Google wären das 6,6 Milliarden Dollar, in etwa der Gewinn von fünf Monaten.
Seznam: Tschechische Suchmaschine schlägt Google
In ganz Europa hat Google beim Markt der Suchmaschinen die Nase vorn, außer in Tschechien: Dort bietet der lokale Anbieter Seznam dem Internetriesen Paroli – und will seine Dienste jetzt auf die Nachbarländer Deutschland und Österreich ausweiten.
Was ist der schönste Weg zum Badesee, wo gibt es das beste Schnitzel und das billigste Bier? Mapy.cz – der Kartendienst von Seznam kennt die Antworten auf alle Fragen. Die lokale Suchmaschine weiß, was den Tschechen wirklich am Herzen liegt und wird deshalb auch von der Studentin Petra geliebt:
„Dort suche ich alle Informationen – egal ob beruflich oder privat. Seznam kommt aus Tschechien und ist deshalb einfach besser als zum Beispiel Google.“
Mindestens jeder zweite Tscheche teilt diese Meinung. Für sie ist Seznam die Nummer Eins der Suchmaschinen. Damit ist das kleine EU-Land die einzige Nation mit lateinischen Buchstaben, in dem Google nicht die Nase vorn hat. Seznam-Direktor Pavel Zima ist stolz auf sein Erfolgsrezept:
„Wir konzentrieren uns vollkommen auf den tschechischen Markt. Google denkt global, wir arbeiten lokal. Jedes Angebot ist vollkommen auf die heimischen Nutzer zugeschnitten. Wir kennen seine Vorlieben und Wünsche und sind in der Lage sie zu erfüllen.“
Heimat der Tschechen im Internet
Als Mitte der 90er-Jahre Google in den USA seine Suchmaschine entwickelt, sind die Tschechen ebenfalls schon am Start. Im Schlafzimmer seiner Eltern tüftelt der IT-Student Ivo Lukacovic gemeinsam mit einigen Freunden an seinen Ideen. Rasch nach der Firmengründung 1996 kommt der Erfolg. Seznam wird für die Tschechen zur Heimat im Internet. Darin hat sich bis heute kaum etwas geändert, so Direktor Pavel Zima:
„Wir Tschechen sind nicht unbedingt Patrioten, aber sehr konservativ. Wenn etwas funktioniert, brauchen wir keine Alternative. Wer uns benutzt hat meist keine Lust etwas anderes zu testen. Das ist ein Grund für unseren dauerhaften Erfolg.“
Über 1000 Mitarbeiter beschäftigt Seznam in seiner Prager Zentrale und den zahlreichen Regionalbüros. Mit einem Jahresumsatz von rund 100 Millionen Euro ist das Unternehmen im Vergleich zu Google zwar ein Zwerg, doch Branchenexperten wie der IT-Journalist David Cizek malen die Zukunft von Seznam in leuchtenden Farben:
„Seznam schafft es immer wieder Verluste durch kreative Ideen und neue Dienste auszugleichen. Dort sind sie einfach besser als die Konkurrenz, Wenn dies weiter gelingt, braucht man um sich um die Zukunft keine Sorgen machen.“
Streaming-Portal mit eigenen Serien
Nachrichten in Echtzeit, ein Marktplatz für Autos und Wohnungen und neuerdings ein Streaming-Portal mit eigenen Serien lassen Seznam in Tschechien weiter wachsen. Sorgen bereitet Direktor Pavel Zima allerdings die steigende Dominanz von Google bei den Smartphones. Dort sei das Angebot des US-Rivalen meist voreingestellt und der Gebrauch der Seznam-App kaum möglich. Doch von der Konkurrenz mit Google profitiere letztendlich der Verbraucher. Jeder verdopple seine Anstrengungen um immer besser zu werden.
„Der tschechische Markt ist weitgehend besetzt. Jede Firma muss aber wachsen oder sie stirbt einen langsamen Tod. Wir planen deshalb die Expansion ins Ausland.“
Im Blick hat Seznam vor allem den deutschsprachigen Raum. Die beiden Nachbarländer Deutschland und Österreich sollen als Nächstes von der Google-Herrschaft befreit werden.
Literatur:
Die Akte Google von Torsten Fricke
Deep Web – Die dunkle Seite des Internets von Anonymus
Totale Überwachung: Staat, Wirtschaft und Geheimdienste im Informationskrieg des 21. Jahrhunderts von Günther K. Weiße
Der programmierte Mensch – Wie uns Internet und Smartphone manipulieren von Thomas R. Köhler
Quellen: dpa/deutschlandradiokultur.de/neues-deutschland.de vom 16.04.2015
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