Schifffahrtsstraße soll 278 Kilometer lang werden. Details zu Umweltfolgen. Größte Investition in Infrastruktur in der Geschichte Lateinamerikas.
Das chinesische Unternehmen Hongkong Nicaragua Development Group (HKND) hat die wohl endgültige Route des „Großen Interozeanischen Kanals“ vorgestellt, der durch das mittelamerikanische Land führen soll. Mit dem Bau der künstlichen Wasserstraße wird der Panama-Kanal Konkurrenz bekommen. Baubeginn soll bereits im Dezember dieses Jahres sein.
(Bild: Die geplante Route des „Großen Interozeanischen Kanals“)
Die nun vorgestellte Route des Nicaragua-Kanals soll von der Mündung des Brito-Flusses südlich der Provinzhauptstadt Rivas quer über den im Landesinneren gelegenen Nicaragua-See bis hin zur Mündung des Punta-Gorda-Flusses in den Atlantik führen. Insgesamt wird der Kanal 278 Kilometer lang sein. Davon führen 105 Kilometer durch den See selbst. Der Kanal wird zwischen 230 und 530 Meter breit und zwischen 26 und 30 Meter tief sein.
Dem Vernehmen nach wurde nicht die kostengünstigste Strecke ausgewählt, da die möglichen negativen Folgen für die Umwelt und Menschen möglichst gering gehalten werden sollen. Containerschiffe bis zu einer Größe von 400.000 und Öltanker von bis zu 320.000 Tonnen werden den Kanal passieren können, erklärte der leitende Ingenieur des Projekts, Dong Yungsong. Jährlich könnten den Kanal den Berechnungen zu Folge 5.100 Schiffe passieren.
Mit einer geschätzten Investitionssumme von 40 Milliarden US-Dollar wäre das Kana-lprojekt mit den dazugehörigen Nebenvorhaben die größte jemals in Lateinamerika getätigte Infrastruktur-Investition. Durch den Bau und die dadurch entstehenden Zulieferernetzwerke verspricht sich Nicaragua zweistellige Wachstumszahlen und eine Steigerung des Anteils formeller Beschäftigungsverhältnisse von knapp 21 Prozent im Jahr 2012 auf gut 51 Prozent im Jahr 2018.
Neben dem Kanal sollen im Rahmen des Projekts auch eine Freihandelszone, mehrere Tourismuskomplexe, ein internationaler Flughafen nahe Rivas und zwei Tiefseehäfen – jeweils an den beiden Endpunkten des Kanals an der Atlantik/ Karibik- und an der Pazifikküste – entstehen. Zudem soll das Straßennetz in der zukünftigen Kanalregion modernisiert werden. Die Zahl der durch das Projekt entstehenden Arbeitsplätze soll zunächst bei 50.000 liegen und auf bis zu 250.000 ansteigen.
Nicaragua selbst wird keine finanziellen Mittel für das Projekt bereitstellen, seine Geschäftsanteile an der Betreibergesellschaft aber automatisch alle zehn Jahre um zehn Prozent steigern.
Bei der Präsentation der Kanalroute trat HKND auch einigen Befürchtungen hinsichtlich der möglichen negativen sozialen und umweltpolitischen Folgen entgegen. Demnach reiche das Wasser aus dem Rio Punta Gordo für den Betrieb des Kanals aus, so dass eine Beeinträchtigung des sensiblen Wassersystems des Nicaragua-Sees nicht zu befürchten sei. An der Atlantikküste soll – ähnlich dem Lago Gatún in Panama – ein 395 Quadrat-kilometer großer künstlicher See, der Lago Atlanta, aufgestaut werden, durch den dann ein Teil der Kanalroute zwischen Karibik und Nicaragua-See verlaufen wird. Dieser See könne den Bewohnern der Zone wirtschaftliche Chancen im Bereich der Aquakulturen bieten. Die beim Bau des Kanals ausgebaggerten Materialien sollen an 41 Stellen verteilt werden, wo mit relativ geringen Umweltschäden gerechnet wird. Dort sollen landwirtschaftliche Nutzflächen entstehen.
Mit der Abschätzung der Umweltfolgen war das britische Beratungsunternehmen Environmental Resources Management (ERM) beauftragt. Der technische Direktor von ERM, Alberto Vega, sagte, dass die gewählte Route von den sechs möglichen Verläufen der günstigste zum Schutz der Ökosysteme und zum Erhalt der Wasserressourcen sei.
Kritiker des Mega-Projekts befürchten vor allem negative Folgen für das Ökosystem des Nicaragua-Sees, da dort durch das Ausbaggern der Kanalroute enorme Mengen an Sedimenten freigesetzt würden. Auch vor den sozialen Folgen durch Umsiedlungen und eine massenhafte Migration in Richtung der Kanalbaustellen wird gewarnt. Ein weiteres Risiko stellen mögliche Schiffs- und Tankerunglücke im Nicaragua-See dar. Hinsichtlich der Umweltfolgen halten Befürworter des Kanalprojekts den Kritikern entgegen, dass der Kanalbau die einmalige Chance biete, die seit Anfang der 1980er Jahre immer stärker fortschreitende Waldrodung in der Südatlantikregion umzukehren und massiv mit der Wiederaufforstung zu beginnen. Zudem bekäme Nicaragua erst durch den mit dem Kanalbau verbundenen wirtschaftlichen Aufschwung und durch die Einnahmen aus dem Kanalbetrieb die nötigen finanziellen Mittel, um dringend nötige Projekte zum Schutz der Umwelt durchzuführen.
Quelle: amerika21.de vom 10.07.2014
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Hat dies auf Oberhessische Nachrichten rebloggt.