Eine äusserst abenteuerliche Episode spielte sich vor dreihundert Jahren in den Gewässern des Indischen Ozeans ab, als Piraten diese Weltgegend für sich entdeckt hatten. Die Zeit der Freibeuter hat die Phantasie Europas während Jahrhunderten genährt, zumeist mit romantisierten Vorstellungen vom aufregenden Leben der Piraten in den Gewässern rund um die Pfefferinsel.
Unter den Leuten des Meeres gilt es einen Unterschied zwischen Korsaren und Piraten zu machen. Korsaren waren quasi staatlich lizenzierte Freibeuter, die in Westindien von den Engländern und Franzosen dazu benutzt wurden, die spanische Vormacht in den Antillen zu zerstören und die reichbeladenen Silberflotten zu kapern. Diese Seeleute behielten ihre Staatsangehörigkeit, griffen unter der Flagge ihrer Heimat nur ‚feindliche‘ Schiffe an und kehrten nach ein paar Jahren, oft reich und geehrt, in ihre Heimat zurück. Einer der staatlichen Freibeuter, Lancelot Blackburne, endete gar als Erzbischof von New York. Das Korsarentum war Kriegsführung mit anderen Mitteln.
Die Piraten hingegen hatten das Seil zur menschlichen Gemeinschaft durchschnitten. Sie waren outlaws, ohne Zukunft, ohne Heimat und Heimathafen, mit dem Tod als ständigen Begleiter. Viele waren brutale Individualisten, die in einer Art egalitärer Anarchie mit ihresgleichen lebten. Der Übergang von kommerzieller oder militärischer Schifffahrt zur Piraterie wurde von etlichen Kapitänen und ihrer Mannschaft ohne Mühe gemacht. Thomas Tew beispielsweise, den der britische Gouverneur von Bermuda nach Senegal schickte, um die Insel Gorée (Senegal) zu erobern, entschloss sich en route mitsamt seiner Mannschaft zur profitableren Piraterei.
Zuweilen wurde die gekaperte Mannschaft auch gezwungen, zwischen Piraterie und Tod zu wählen. Die misslichen Verhältnisse der ‚legalen‘ Schifffahrt machten die Wahl nicht schwer.
Innerhalb der Piratengemeinschaft herrschte eine strikte Ordnung. Das Wort des von der Mannschaft gewählten Kapitäns galt allerdings nur für Fragen der Navigation und für Befehle während des Angriffs. Die Gruppe kannte ein hohes Ethos: kein Diebstahl unter Kollegen, Beistand im Kampf, gerechtes Aufteilen der Beute.
Die Piratenmannschaft setzte sich aus etlichen Nationalitäten zusammen: Franzosen, Engländer, Spanier, Dänen, Holländer und viele mehr. Nur ganz wenige schafften den Weg zurück in eine ‚zivilisierte‘ Gemeinschaft, mehr starben im Kampf und durch Schiffbruch auf den Weltmeeren oder liessen sich auf exotischen Inseln nieder. Nur ein kleiner Teil wurde gefangen, gerichtet und hingerichtet.
Die Piraten nutzten meist schnelle Fregatten, mit 20 bis 50 Kanonen bestückt und mit rund 200 bis an die Zähne bewaffneten Mann an Bord. Sie pirschten sich an die Beute an, von vorn oder hinten, um den feindlichen Bordkanonen zu entgehen. Die schwarze Flagge wurde oft erst kurz vor dem Zusammentreffen gehisst: Angst und Überraschungseffekt erhöhten die Chancen einer leichten Beute. Zudem versuchten die Piraten, mit ihren Kanonen die Segel des Beuteschiffes zu zerschiessen, um das Schiff manövrierunfähig zu machen. Das gelang wohl mit einer Schussweite von vielleicht 200 Metern und entsprechendem Seegang nicht immer. Ergab sich das Schiff nicht von selbst, wurde es geentert.
Bei Kämpfen von Mann zu Mann gab es auf beiden Seiten unzählige Tote, Verletzte und Verwundete. Augen und Beine gingen verloren. Solche Berufsrisiken deckten die Piraten durch einen grösseren Anteil an der Beute ab. Wer beispielsweise im Kampf ein Auge verlor, erhielt einen Sklaven mehr. Oft wurde das gekaperte Schiff für die Zwecke der Piraterie weiterverwendet, manchmal einfach versenkt. Der besiegten Mannschaft wurde zuweilen grosszügig gestattet, auf Rettungsbooten weiterzufahren – oder sie wurde auf einer öden Insel ausgesetzt. Wer sich jedoch den Piraten anschliessen wollte, war immer willkommen.
Die Beute wurde nach einem genauen Schema aufgeteilt. Jeder konnte über seinen Anteil verfügen, wie er wollte, ihn verkaufen oder horten, verspielen oder verstecken. Erbeutete Nahrungsmittel wurden in langen Festen verzehrt, Schnaps und Rum in ausgedehnten Saufgelagen getrunken. Die Ruhezeit verbrachten die rauhen Seeleute an Land mit Festen und Gelagen, Frauen und Freuden. Zuweilen wohl auch in Misere und Not, wenn das Jagdglück ausblieb oder das Schiff zerstört war.
Im Indischen Ozean existierte die Piraterei seit Jahrhunderten, seit die chinesischen Dschunken nach Indien und gar nach Ostafrika kamen, seit die moslemischen Kapitäne zwischen Aden, Zansibar und Indien verkehrten und seit indische Schiffe mit dem Monsun nach Westen kamen und Monate später wieder nach Indien zurückkehrten. Arabische, persische und indische Piraten unterhielten einen florierenden Parallelmarkt mit erbeuteten Gewürzen. Marco Polo berichtet, dass die Piraten nach Socotra kamen, um ihre Beute zu verkaufen.
Aber auch die reichbeladenen persischen und indischen Pilgerschiffe auf ihrem Weg nach Mekka waren vor den Piraten nicht sicher.
1488 umrundete Bartolomeu Diaz das Kap der Guten Hoffnung: somit war die Gewürzroute offen.
Die europäischen Schiffe holten auf den Gewürzinseln der Molukken (Indonesien) Pfeffer, Muskat, Nelken und Ingwer. Aus Ceylon kam Zimt, Reis aus Indien, Tee und Zuckerrohr aus China. Aber auch Indigo, Salpeter, Moschus, Gold, Edelsteine und Kupfer wurden nach Europa transportiert. Von der Malabarküste (Westküste Indiens) kamen Baumwolltücher, damals eine Neuheit in Europa, aus Bengalen stammten Seidentücher, die Coromandelküste (Südostküste Indiens) lieferte ebenfalls Stoffe.
Die Schiffe hingen von den Winden ab. Sie starteten von Januar bis Mai in Europa, stachen weit in den Atlantik hinaus bis vor die Küste Südamerikas, umrundeten das Kap der Guten Hoffnung und fuhren entlang der ostafrikanischen Küste nach Norden. Die Portugiesen nutzten im 18. Jahrhundert den Kanal von Mozambique und machten auf den Komoreninseln Zwischenhalt, wo auch persische und arabische Schiffe hinkamen. Die Franzosen hingegen hielten sich mehr östlich von Madagaskar und legten auf den Inseln der Maskarenen ihre Zwischenhalte ein. (Bourbon (La Réunion) wurde ab 1662 von französischen Siedlern besetzt; Mauritius war von 1598 bis 1712 holländisch; dann ohne Bewohner und wurde ab 1721 von Siedlern aus Bourbon bevölkert, die ihr den Namen Ile de France gaben).
Bis zum Oktober schob der südwestliche Monsunwind die Handelsschiffe nach Indien und Südostasien. Von dort starteten sie im Januar, und mit dem aus Nordost wehenden Monsunwind im Rücken segelten sie gegen Afrika und erreichten Europa mit einem Südostwind entlang der westafrikanischen Küste.
Die Reisen dauerten fünf Monate und mehr. Als Orientierung dienten noch sehr ungenaue Karten, aber auch das Kreuz des Südens als dominantes Sternbild der südlichen Hemisphäre. Unterwegs mussten etliche Landaufenthalte eingelegt werden, um Frischwasser und Nahrungsmittel aufzunehmen. Die mehrmonatigen Fahrten verlangten der Besatzung grosse Anstrengungen ab, Skorbut forderte Opfer ebenso wie heftige Winde und Wellen. Und natürlich die Überfälle der Piraten.
Die Fregatten hatten 200 bis 500 Tonnen Verdrängung, grössere Schiffe gar bis zu 1000 Tonnen, sie waren aber dafür weniger bewaffnet. Oft wurden Kanonen als Attrappen an die Schiffswände gemalt oder aber die Schiffe fuhren im Konvoi. Doch Wind und Wetter sowie die unterschiedliche Geschwindigkeit der beteiligten Schiffe machten es für die Schiffe eines Konvois schwierig, in Formation zu bleiben.
Mit der kommerziellen Schifffahrt kamen auch europäische Piraten ins Spiel. Schon 1508 wurde ein Schiff aus dem Konvoi des Portugiesen Tristan da Cunha im Kanal von Mozambique von Franzosen gekapert.
Auch die regulären Handelsschiffe machten sich über ein fremdes Schiff her, wenn sich die Gelegenheit ergab. Insbesonders das Schnappen eines arabischen Schiffes galt als nichts ehrenrühriges.
Madagaskar war ein idealer Ort für die Piraten. Die zahlreichen Buchten bildeten gute Verstecke entlang der viel befahrenen Handelsrouten, die Insel bot genügend Nahrung, ebenso wie Holz zur Reparatur der Schiffe.
Die Ostküste liegt im Wind und in stürmischer See. So waren die Schiffbrüche an dieser Küste häufig. Doch etliche Orte sind durch Riffe geschützt und weisen kleine Buchten oder Flussmündungen auf, die für die Bedürfnisse der Piraten gut geeignet waren. Sie fanden dort Schutz und Holz, Nahrung und Wasser. Insbesonders die Küste zwischen Tamatave und Antongil mit der vorgelagerten Insel Ste. Marie waren die bevorzugten Aufenthaltsorte der Piraten. Tamatave war den Piraten früh bekannt, dann auch Fénérive, Foulpointe und Tintingue. In Ste. Marie wird heute noch die Insel einer Bucht Pirateninsel genannt. Auch weiter nördlich in Antalaha und Vohémar fanden sich Piratennester.
Die Westküste mit ihren mangrovenbestandenen Buchten und flachen Lagunen wurde von den ‚legalen‘ Schiffen zu Handelszwecken (Vieh und Sklaven) angelaufen, doch die Präsenz der portugiesischen Flotten im Kanal verhinderte das Ansiedeln von Piratennestern an den flachen und offenen Küsten des Westens. Hingegen waren Massilly im Nordwesten (westlich der heutigen Stadt Mahajanga) und Saint-Augustin im Südwesten beliebte Anlaufpunkte der Piraten. In der Region des Mündungsgebietes des Betsiboka liessen sich auch immer wieder kampfmüde Piraten als Händler nieder.
(Piratenfriedhof auf Sainte Marie)
Vor allem Piraten französischer Herkunft verkehrten im Indischen Ozean bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts. Einige davon hatten ihren Unterschlupf in Madagaskar.
Auch in anderen Regionen des Indischen Ozeans bildeten sich Piratennester, so etwa in Bab el Mandeb am Eingang des Roten Meeres und zwischen Bombay und Goa.
Die hohe Zeit der Piraterie in Madagaskar begann 1685 und dauerte ziemlich genau 40 Jahre. Der Beginn dieser Aktivität hat mit den Ereignissen in den Antillen zu tun. Die Portugiesen und Spanier hatten im Atlantik immer wieder mit Piraten zu kämpfen, die vor Europa und in den Azoren operierten. Sogar Christoph Kolumbus musste sich auf seiner dritten Reise vor Piraten nach Madeiras retten.
Die Spanier, bislang die Herren der Inseln Westindiens, brachten von dort Gold und Silber nach Europa und hinterliessen zerstörtes Land und entvölkerte Inseln. Um diese Silberflotten schwirrten die Korsaren, die auf den verlassenen Inseln Westindiens ideale Unterschlüpfe fanden. Diese legalisierten Piraten waren von den französischen und britischen Regierungen unterstützt, um die Spanier zu schwächen und deren Silber zu erbeuten.
Doch um 1686 war die Zeit der antillischen Freibeuter vorbei. Eine neue Epoche mit Zuckerrohrplantagen und Siedlern, mit staatlicher Verwaltung und militärischer Kontrolle brach an. Der Frieden von Utrecht (1713) zwischen Grossbritannien, Frankreich und Spanien machte die staatlich lizenzierten Freibeuter endgültig überflüssig. Viele liessen sich als Siedler nieder, andere suchten neue Jagdgründe und noch unbekannte Verstecke.
Bekannt ist, dass sich der dänische Piratenkapitän Wilken um 1686 aus den Antillen in den Indischen Ozean aufmachte und unterwegs zwei Schiffe kaperte.
Das Schicksal des Kapitäns John Avery erlangte in Europa grosse Bekanntheit durch ein 1709 erschienenes Buch von Adrian van Broeck und durch eine spätere Publikation von Daniel Defoe. Avery wurde von diesen Autoren romantisiert und zum Helden gemacht: Defoe spricht gar vom König der Piraten und liess 1720 mit ‚Kapitän Singleton‘ ein weiteres Piratenbuch folgen. Doch letztlich beinhalten die Bücher mehr erdichtete Zutaten als geschichtliche Wahrheiten. John Avery wurde um 1653 in Plymouth (England) geboren, fand früh zur Schifffahrt und betätigte sich in Jamaika als Piratenjäger. Während eines Heimaturlaubs, so die Romanversion, wurde er um sein Vermögen geprellt und von seiner Frau betrogen. Voller Gram entschied er sich für eine Laufbahn als Pirat. Er bemächtigte sich des Schiffes ‚The Duke‘ und gelangte an die Nordostküste Madagaskars, die bereits ein bekannter Unterschlupf der Piraten war. Von dort segelte er an die Mündung des Indus und kaperte 1695 ein Schiff des mächtigen Grossmoguls Aureng-Zeb, beladen mit Geld und Gold, der Tochter des Moguls und zahlreichen Sklaven. Vielleicht befand sich das Schiff auf dem Weg nach Mekka oder aber zur Hochzeit der Tochter.
Der Grossmogul, der den Grossteil Indiens dominierte, empörte sich bei den Engländern, die jedoch erst vier Jahre später einen Flottenverband gegen die Piraten im Indischen Ozean schickten. (Um gegenüber dem Grossmogul doch eine Geste zu zeigen, wurde William Kidd 1696 als Piratenjäger in den Indischen Ozean gesandt. Der in New York beheimatete Geschäftsmann Kidd segelte über zwei Jahre in den Gewässern zwischen Afrika und Indien und betätigte sich selber als rücksichtsloser Pirat. Seine reiche Beute schützte ihn nicht vor dem Galgen, an dem er 1701 in London baumelte.)
Mit seiner Beute floh Avery in die Bucht von Antongil und liess sich auf der vorgelagerten Insel Nosy Mangabe nieder. Von diesem Stützpunkt aus segelte er regelmässig auf neue Fangzüge in die riesigen Weiten des Indischen Ozeans hinaus. Sogar am Eigentum seiner Freibeuterkollegen an der Küste soll er sich vergriffen haben. Sein Ende ist unbekannt. Der Schriftsteller Defoe lässt ihn über Bagdad nach Constantinopel reisen – oder ging er in die Antillen und von dort nach England, um sich nochmals übers Ohr hauen zu lassen? Die Romanerzählungen von Adrian van Broeck und von Daniel Defoe machten John Avery weltberühmt und die dem Grossmoguls entrissene Beute nährten die Vorstellungen vom immensen Reichtum, den die Piraten angeblich auf ihren Schatzinseln angehäuft hatten.
Eine seltsame Mischung zwischen Piraten und Weltverbesserern waren Misson und Caraccioli. Diese fast unglaubliche Geschichte ist durch mehrere Elemente belegt und in ihren Grundzügen wohl wahr, obwohl sie Freiheit und Gleichheit, Internationalismus und Antisklaverei predigte längst bevor diese Fragen in Europa auch nur diskutiert wurden.
Misson wurde in der Provence geboren und durchlief eine gute Bildung. Um die Luft der weiten Welt zu schnuppern, schiffte er sich auf der ‚Victoire‘ ein, ein Schiff, das ihn durch viele Abenteuer bis kurz vor sein Ende begleiten sollte. In Rom lernte er den Dominikanerpater Caraccioli kennen, der mit Sehnsucht der muffigen Papstwelt entfliehen wollte. Zusammen machten sie sich um 1690 nach Amerika auf, um Engländer und Piraten zu jagen (Verdrängte und okkulte Hintergründe über die Entdeckung und Unterwerfung Amerikas (Videos)). Bei einem Kampf gegen ein englisches Schiff kamen Kapitän und etliche Offiziere zu Tode, ebenso wie ein Grossteil der Mannschaft. Sofort riss der tatkräftige Misson das Kommando an sich, während Caraccioli die spirituelle Führung übernahm und die Matrosen wortreich überzeugte, mit ihm ein Leben in Gott und Freiheit zu führen.
So arbeitete sich die Besatzung von Amerika Richtung Westafrika, kaperte unterwegs, was vor den Bug lief, so auch ein holländisches Sklavenschiff, dessen Sklaven befreit wurden und fortan als gleichberechtigte Matrosen mitmachten. Mit jeder erfolgreichen Beute wuchs die Mannschaft auf eine internationale Equipe an: der Hauptteil waren Franzosen, dann Engländer, Afrikaner, Holländer, Portugiesen. Schliesslich legten die edlen Piraten auf den Komoren einen verdienten Zwischenhalt ein, blieben allerdings nicht untätig, sondern standen der Königin von Anjouan in ihrem Kampf gegen den Sultan der Nachbarinsel Mohéli bei. Doch diese Kampfgänge befriedigten die nach Höherem strebenden Geister nicht, ebenso wenig wie die erfolgreichen Piratenfahrten an die Küste von Mozambique, wo der wackere Caraccioli leider sein linkes Bein verlor. Auf der Suche nach einem Siedlungsplatz machten sie sich erneut auf und entdeckten den engen Eingang zur Bucht von Diégo-Suarez. Damit hatten sie ein ideales Versteck vor feindlichen Schiffen gefunden und endlich ein geeignetes Gebiet zur Errichtung ihrer Republik Libertalia gesichtet.
Die schmale Einfahrt wurde mit 40 Kanonen gesichert. Die Mannschaft baute Landestege und Holzhäuser, Lagerhallen und Vorratsschuppen. Schon bald war ein schmuckes Städtchen in der Bucht von Diégo-Suarez entstanden, dazu eine Werft, in der Schiffe gebaut und überholt wurden. Mit den Bewohnern der Umgebung entwickelte sich nach anfänglichem Zögern ein intensiver Tauschhandel. Und immer wieder ging man auf Fahrt und kaperte ein paar Schiffe vor Mozambique oder weit im Norden im Golf von Aden. Auf einer dieser Fahrten traf Misson auf den bekannten Freibeuter Tom Tew und lud ihn nach Libertalia ein. Fortan herrschten drei Chefs über den Stadtstaat Libertalia, doch sie regierten nicht uneingeschränkt, denn ein Parlament mit demokratisch gewählten Abgeordneten übte die politische Kontrolle über den Ort aus. Die erlassenen Gesetze wurden gedruckt, in der Stadt befand sich eine Druckerpresse. Die Piraten-Einwohner verkehrten in einem bunten Kauderwelsch, dessen Elemente aus verschiedensten Sprachen stammten.
Der Besatzung der geenterten Schiffe wurde jeweils freigestellt, ob sie ihrer Wege ziehen oder sich Libertalia anschliessen wollte. Vielleicht war es ein Fehler, ein Schiff mit rund 200 gefangenen Portugiesen in die Bucht zu führen. Denn nur ein Teil entschloss sich, fortan in der Freiheit und Demokratie von Libertalia zu leben. 137 Mann sprachen sich dagegen aus. Generös erhielten sie ein Schiff, sie mussten einzig versprechen, den Aufenthaltsort nicht zu verraten. Wenige Monate später kreuzten jedoch fünf portugiesische Kriegsschiffe vor der Einfahrt zur Piratenbucht auf. Den Verteidigern gelang es, zwei der Schiffe sofort zu versenken, zwei weitere entkamen unbehelligt. Auf dem dritten, das sich schliesslich ergeben musste, befanden sich zwei der ehemaligen Gefangenen. Der Verrat und die Nichteinhaltung ihres Ehrenwortes kostete ihnen das Leben: sie wurden unverzüglich gehängt.
Die Stadtrepublik Libertalia litt unter mangelnder Bevölkerung für die verschiedenen Aktivitäten. Also machte sich Tom Tew auf der generalüberholten ‚Victoire‘ auf, um seine an der madagassischen Küste lebenden Kumpane zu überzeugen, sich in Libertalia niederzulassen. Doch die kampfmüden Piraten hatten sich inzwischen an ein sattes Landleben gewöhnt. Erfolglos segelte Tom Tew von Piratennest zu Piratennest, ohne dass es ihm gelang, die lustlosen Freibeuter wegzulocken. Zu seinem Verdruss blieb er selber in einer Bucht hängen, als ein Zyklon die ‚Victoire‘ an Land schleuderte und zermalmte. Eines Tages jedoch erblickte er hocherfreut zwei der Libertalia-Schiffe. Misson brachte jedoch schlechte Nachrichten. Madagassische Krieger hatten Libertalia gestürmt, Caraccioli war im Kampf umgekommen, nur 45 Männer hatten sich auf zwei Schiffen retten können. Tom Tew erhielt eines der Schiffe zur gemeinsamen Reise nach Amerika. Im Konvoi umsegelten sie das Kap der Guten Hoffnung, doch an der westafrikanischen Küste erlitt Misson Schiffbruch und ertrank. Tom Tew setzte sich eine Zeitlang auf Rhode-Island zur Ruhe, nahm aber bald wieder das wilde Leben der Piraterei auf und starb im Kugelhagel eines Schiffes des Grossmogul, das er mit seiner Mannschaft stürmen wollte.
Die Piraterei im Indischen Ozean kannte Höhen und Tiefen. In der Mitte des 17. Jahrhunderts nahm die Aktivität zu. Ebenso von 1685 bis 1701, als Misson, Avery und Kidd aktiv waren. Dann wieder um 1705 und noch mal von 1718 bis 1726.
(Kapitän William Kidd auf Sainte Marie, Madagaskar 1698)
Mit dem Beginn des 18. Jahrhunderts zerfiel die Piraterei langsam. Wohl trieben sich noch ein paar bekannte Piraten in den Gewässern des Indischen Ozeans herum: Thomas White, Nathaniel North, Edward England, La Buse und viele mehr. Doch die europäischen Staaten hatten ihre Streitereien einmal mehr begraben, somit wurden auch Schiffskapazitäten und Mannschaften frei, um die lästigen Störenfriede des weltweiten Handels zu eliminieren. Die Handelskompanien suchten ihre Geschäftskontakte mit Übersee in geregelter und ungehinderter Weise zu entwickeln (Keine Macht ohne Drogen – vom British Empire bis zur Neuen Weltordnung (Videos)). So wurden starke Flottenverbände auf Piratenjagd geschickt und den Piraten gleichzeitig generelle Amnestien angeboten. Jene, die sich nicht stellten, wurden in mehreren Erlassen als Kriminelle deklariert, auf die unverzüglich der Galgen wartete. Die Beute liess sich auch nicht mehr so leicht fangen, weil die in Konvois fahrenden Frachtschiffe vermehrt von Kriegsschiffen begleitet waren. Zudem patrouillierte die englische Marine verstärkt vor den Küsten Indiens und Afrikas, um Sklavenschiffe abzufangen.
Trotzdem wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts an den Königshöfen von Dänemark, Schweden und gar in Russland erwogen, mit den Piraten Kontakt aufzunehmen, um mit ihnen als Verbündete eigene Kolonialgelüste zu verwirklichen.
Schon 1730 war in Frankreich vorgeschlagen worden, die Freibeuter zu benutzen, um Madagaskar einzunehmen. Die Flotte der Piraten genüge, so wurde geschätzt, sämtliche Hafenorte Madagaskars auf einen Schlag zu besetzen.
Doch die Uhr der Piraterei war in jenem Teil der Weltmeere abgelaufen. Zur Zeit von 1710 bis 1720 wurden die Stärke der Piraten auf 70 bis 400 Mann geschätzt oder auf 11 Schiffe mit 1550 Männern. So genau wusste es niemand. Viele Piraten hatten sich als kleine Lokalherrscher entlang der madagassischen Küste niedergelassen, mit ihren Frauen Nachkommen gezeugt (die malata) und lebten von Landwirtschaft, Handel und der Ausbeutung der Nachbardörfer, mit denen sie zuweilen in Krieg waren. Bei der Lokalbevölkerung waren sie nicht immer beliebt, sodass die befestigten Piratenhöfe immer mal wieder überfallen und die Bewohner massakriert wurden, wie etwa in Antongil und auf Ste. Marie.
Die erfolgreicheren der Piraten hatten zum Teil noch immer beträchtliche Summen Geld gehortet, die sie willig ausgaben, falls ein wagemutiges Handelsschiff ihnen Importwaren lieferte. Ansonsten versteckten sie ihre Münzen und Wertsachen an geheimen Orten. Die Piraten hatten die Angewohnheit, wie alle damaligen Seeleute, ihre versteckten Schätze auf verschlüsselten Karten aufzuzeichnen. Zwar fanden sich vergrabene Reichtümer, so auf La Réunion, auf den Seychellen und gar in den USA (Schatz von William Kidd). Doch die grossen Piratenschätze, von denen Romane wie die Schatzinsel von Stevenson berichten, waren wohl rar.
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Die militärische Bekämpfung der Piraten blieb so gut wie ohne Ergebnis. Schon 1699 segelte eine französische Flotte von drei Schiffen im Indischen Ozean, doch sie kehrte ohne Erfolg zurück. Ebenso glücklos blieb in der gleichen Zeit der englische Kapitän Warren mit seinen fünf Schiffen. Auch 1703 gelang es Kapitän Littleton nicht, mit seinen drei Schiffen die Piratenaktivitäten zu stoppen, obwohl er die Piratensiedlungen vor Ste. Marie aufsuchte und gar half, ihre Schiffe wieder in Ordnung zu bringen. Ohne Resultate blieb auch Matthews, der im Februar 1721 in England mit drei Schiffen startete und in den Gewässern um Madagaskar kreuzte.
Die Nachbarinseln Bourbon und Mauritius, bislang willige Käufer der verschiedenen Produkte der Piraten, mussten auf Druck der Handelskompanien zu Beginn des 18. Jahrhunderts ihre Kontakte mit den Piraten einstellen. Dies wurde zwar nur mehr oder weniger eingehalten, der Gouverneur von Bourbon agierte noch bis 1720 als williger Anwalt für die Piraten. Die Piraten hatten oft auch loyale Informanten in den Häfen, die ihnen eine lohnenswerte Beute verrieten. So arbeitete noch 1720 der Freibeuter Taylor mit dem englischen Gouverneur von Cochin (Indien) zusammen und wurde gar mit Kanonenschüssen im Hafen begrüsst.
Mehr Erfolg hatten die Amnestiebemühungen. Auch hier spielte Bourbon eine entscheidende Rolle, denn die unterbevölkerte Insel war auf steter Suche nach neuen Siedlern. Etliche Piraten liessen sich auf dieser Insel nieder und brachten ihr handwerkliches Geschick und ihr breitgefächertes Allroundwissen mit.
So beendeten jene, die nicht im Kampf gegen Feind und Naturgewalten umgekommen waren, ihr Leben als Siedler auf La Réunion oder als Lokalfürsten auf Madagaskar. Die Piraterei flammte nur noch einmal auf, als die Betsimisaraka hundert Jahre später aufbrachen, um in riesigen Flottenverbänden mit hunderten von Pirogen und tausenden von Kriegern die Komoren und die Städte Ostafrikas zu plündern.
Tempelritter und Freimaurer
Erstmals wird das Fortbestehen und der direkte Zusammenhang des alten Templerordens mit der modernen Freimaurerei ab 1598 dargestellt und glaubhaft gemacht. Der geschichtliche Hintergrund der Templer in Schottland nach 1312 bildet die Grundlage dieses Buches das kurz umrissen offene Fragen zu diesem Thema endlich beantwortet.
Was geschah nach dem Tod der letzten Großmeisters Jaques de Molay? Wie stehen der Templerorden und die Freimaurer in Verbindung? Welche Rechte galten? Gab es auch Frauen in den Ritterorden und welche Rolle hatten diese? Welche Geschichte haben Frauen in der modernen Freimaurerei. Was geschah mit dem Schatz der Templer – der ja enorm gewesen sein soll?
Auf diese und viele andere Fragen gibt das Autorenduo Ferdinand Neundlinger und Andreas Regius endlich Antworten. Im Kapitel „Das Grab des Jaques de Molay“ wird den Fragen über die gerichtsmedizinisch exakte Todesursache und den Verbleib der Überreste, die in Stockholm gefunden wurden, nachgegangen.
Auf der Basis der Forschungen von Prof. Stevenson, Universität St.Andrews in Schottland wird der Zusammenhang der schottischen Templertraditionalisten mit der beginnenden Freimaurerei und deren so genannten Hochgraden untersucht.
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Recht und Unrecht – zeigt die Regeln und Statuten des historischen Templerordens anhand von ausgewählten Beispielen. Es scheint außer dem wenig verbreitetem akademischen Schrifttum in England und Italien unbekannt zu sein, dass im Templerorden Frauen in gleichberechtigter und führender Stellung aufgenommen wurden. Freimaurerinnen – die Geschichte der Freimaurerinnen reicht mehr als 160 Jahre früher zurück als die gegenwärtigen Freimaurerinnen selbst anzunehmen geneigt sind. Der Nachweis wird anhand zeitgenössischer Quellen geführt.
Im Kapitel „Der Schatz der Templer“ wird dargestellt wie 70 Jahre nach dem Untergang des Templerordens im Jahre 1312, ein ungeheurer Schatz in Paris auftaucht, der die Stiftung von 11 Spitälern ermöglichte – angeblich alchimistischer Herkunft. Das Kapitel St.Georgen ob Judenburg schließlich macht auf eine kunsthistorische Hinterlassenschaft des Tempelritterordens in Österreich aufmerksam, die eine bisher viel zu wenig wahrgenommene Sensation darstellt.
Seit der Zerschlagung des Ordens der Tempelritter ranken sich um ihn Legenden, wie auch um seinen gewaltigen Schatz. Fakt ist, es hat ihn gegeben, und er verschwand mit der Zerschlagung des Templerordens im Jahr 1312. Sind die Freimaurer die Hüter des Schatzes der Templer? Hat nicht Karl Gotthelf von Hund die dem untergegangenen Templerorden nachempfundene Organisation mit den Worten erneuert, dass das Wissen des Ordens in Schottland bewahrt worden sei und man nun die letzen Geheimnisse kenne? Wurde der Schatz gefunden, und existiert er wohlmöglich noch heute?
Nach der Hinrichtung des letzten Großmeisters des Templerordens Jaques de Molay im März 1314 ranken sich Legenden um den verschollenen Schatz der Tempelritter. Es ist eine Tatsache, dass der Orden durch seine vielfältigen Aktivitäten sehr reich war und nichts von diesem Reichtum nach seiner Vernichtung übrig blieb. Andererseits stieg der Goldgehalt der französischen Münzen unmittelbar nach dem Ende der Templer deutlich an, sodass zumindest der Verbleib eines Teils offenkundig ist. Es bleibt die Frage, wie viel der gut gefüllten Schatzkammern von erfolgreich entkommenen Tempelrittern in Sicherheit gebracht werden konnte und wo sich dieser Schatz befindet.
Eine der Theorien deutet auf Oak Island vor der nordamerikanischen Küste. Dort befindet sich das berühmte Money Pit, das bis heute seine Geheimnisse nicht preisgegeben hat und als letzte Lagerstätte des Templerschatzes zu den Favoriten bei den modernen Schatzsuchern gehört.
Ein Ort der immer wieder mit dem Templerorden in Verbindung gebracht wird, ist das französische Städtchen Renne Le Chateau.
Der Schatz der Tempelritter ist von wahrlich geheimnisvollen Gesichten umrankt. Aufgrund der spirituellen Werte der Tempelritter, sehen viele Schatzsucher, eine Veryenung diverser Texte, die in dem Zusammenhang mit den Templern stehen, als sehr wahrscheinlich an. Nur ein edler Ritter mit reifem guten Geiste solle den Schatz bergen – dies könnten sehr im Interesse der Tempelritter gewesen sein.
Trifft diese Vermutung zu, können erfolgreiche Schatzsucher mit vielen Tonnen Gold, Silber, Edelsteinen und Kunstwerken rechnen, die einen Wert von mindestens 200 Millionen Euro bedeuten.
Auf einem Schiffswrack vor Madagaskar wird ein Relikt von unschätzbarem Wert entdeckt. Für den Tauchexperten Barry Clifford und den Historiker Scott Wolter ist es ausschlaggebend, sich auf eine weltweite Suche nach einer eventuellen Verbindung zwischen zwei der legendärsten Sekten der Geschichte zu machen: den Piraten des 17. Jahrhunderts und dem Templerorden des Mittelalters.
Video:
https://www.youtube.com/watch?v=OxW5fommY_0
Barry und Scott lernen die Bedeutung hinter einem der Symbole auf dem Metallbarren kennen, von dem sie glauben, dass er einst Captain Kidd gehört haben könnte. Das bringt sie der Verbindung zwischen Piraten und Tempelrittern einen Schritt näher und damit auch der Suche nach dem verlorenen Schatz.
(In Höhlen suchen Schatzgräber nach Codes und Spuren. Experten vermuten die Beute auf See. Vor der Küste liegen 400 Wracks)
Die Suche nach Gold
Er muss irgendwo auf der Insel sein. Irgendwo an der Rivière Noire im Westen oder doch bei Souillac im Süden. Vielleicht auch gleich hinter dem Flughafen mitten in den Tomaten- und Zuckerrohrfeldern? Philippe Chevreau de Montlehu ist ihm auf der Spur, dem Schatz des Piraten Bernardin Nageon de l’Estang.
Drei Eisenfässer hat der Pirat vergraben, gefüllt mit Dublonen und Goldbarren, eine Kupferschatulle überquellend von lupenreinen Diamanten aus den indischen Minen von Vizapoure und Golconda, wo so legendäre Steine wie der Koh-i-noor und der Hope-Diamant gefunden wurden. Ein halbes Dutzend Sklaven hat ihm dabei geholfen, ihre Skelette bewachen jetzt den Schatz. 300 Millionen Rupien, mehr als neun Millionen Euro wird der Fund wert sein, wenn nicht noch mehr, und Chevreau ist so nahe dran. Ein Sechstel soll an die fünf bis sieben Finanziers gehen, die ihm geholfen haben, ein Teil an den Besitzer der Ländereien. „Für mich bleibt dann noch mehr als genug. Ich behalte ein bis zwei Millionen, den Rest spende ich“, das hat er sich vorgenommen.
Philippe Chevreau de Montlehu, der ältere Herr aus wohlhabender frankomauritischer Familie, verteilt die Beute, bevor der Schatz gefunden ist. Seit mehr als 20 Jahren sucht der stets elegant gekleidete und um Contenance bemühte Chevreau nach den Reichtümern der Piraten. Sein Vermögen soll dabei draufgegangen sein sagt der Inselklatsch, er selbst spricht von gut 6000 Euro, die er bislang investiert hat. Aber hélas, gefunden hat er noch nichts. Doch das ist nur eine Frage der Zeit. Schließlich sind die Anweisungen präzise: „Folge dem Lauf des Flusses, durchquere die Schlucht und nimm den Weg nach Osten, bis du die Zeichen der Korsaren siehst.“
Aufgeschrieben hat sie der Pirat Nageon selbst, als Vermächtnis für seinen Neffen Justin. Genutzt haben sie dem nichts – leider. Als er in finsterer Nacht endlich das Testament seines Onkels in den Händen hielt, traf ihn das Schicksal mit der Wucht eines Axthiebes am Strand von Mauritius. Die Leiche wurde nie gefunden. Aber die Geschichte von den sagenhaften Schätzen geistert seit mehr als 200 Jahren über die Insel.
Wie viele Schatzsucher es auf Mauritius heute gibt, weiß niemand. Von gut einer Hand voll wird gemunkelt, die Leben und Karriere der Jagd nach dem Schatz gewidmet haben, zahlreicher sind solche, die bewaffnet mit Metalldetektoren auf gut Glück durch die Basalthöhlen und über die Strände ziehen. Versiegt das Kapital für die Suche, gehen sie an die Strände der Touristenorte und spüren dort verlorene Uhren, Armbänder, Ringe und Rupien auf. Reich wird man damit nicht, aber es reicht zum Weitersuchen.
Die anderen Schätze, die wahren, stammen aus geschäftigen Zeiten: Erbittert kämpften Engländer und Franzosen im 19. Jahrhundert um die Vorherrschaft auf der Île de France, dem heutigen Mauritius. Freibeuter, mit Kaperbriefen ausgestattet, plünderten und versenkten alles, was die falsche Flagge trug. Robert Surcouf, der König der Korsaren, machte den Engländern das Leben schwer – und sich und seine Mannschaft reich.
Und irgendwo muss die Beute schließlich geblieben sein. Denn was nicht auf Kartentischen, in Rumfässern oder den Dekolletés der Hafenhuren verschwand, wurde versteckt. Vergraben in Höhlen, verbuddelt im Sand und mit geheimen Zeichen markiert. Zum Beispiel mit in den Fels geritzten Stiefeln oder Ankern, unter Piraten ein Symbol für Geld. Oder mit sonderbar geformten Steinen.
Chevreau hat so einen Stein gefunden, er sieht wie ein Stiefel aus und steht jetzt in seinem Garten, für unbedarfte Besucher eine Laune der Natur, für ihn eine Spur, ein Wink des Schicksals. Die Zuckerbarone, sagt er, hätten mit Bulldozern alles platt walzen lassen, auch die Zeichen der Korsaren. Den Fluss, dessen Lauf er folgen soll, gibt es heute nicht mehr, aber da ist noch der helle Streifen Kalkstein, der sich durch den dunklen Felsen zieht. Ein Wegweiser für Schatzsucher oder nur sedimentierter Dünger, mit dem die Plantagenbesitzer ihre Felder behandelten?
Seinen kostbarsten Fund hütet Chevreau in einer roten Blechdose mit verrostetem Deckel: Steine und ein paar Münzen, leider zu jung, um aus der Korsarenzeit am Ende des 18. Jahrhunderts zu stammen.
„Piraten sind sicherlich auf der Insel gewesen“
Mit den Schätzen ist das so eine Sache auf Mauritius. Gesehen hat sie noch niemand, aber es gibt Beispiele und Geschichten en masse, von solchen, die gefunden wurden. Da war diese senkrecht im Meer versenkte Kanone direkt vor den Korallenriffen von Flacq. 1860, in einer finsteren Nacht, so berichten die Insel-Annalen, machte ein Schiff dort fest, dunkle Gestalten buddelten sich durch einen kleinen Hügel und ließen im Morgengrauen nichts zurück, außer leeren Truhen und einem Tunnel, der zu einer Höhle führte, gerade groß genug, einen Schatz zu verbergen.
Jahrzehnte später stieß ein Plantagenarbeiter auf eine in der Erde verborgene dicke Ankerkette, er folgte ihr, ruderte aufs Meer hinaus zu den Riffen, fand einen Eisenring, zog daran und kehrte im Morgengrauen mit Schätzen beladen zurück. Heimlich, so erzählt es die Legende, schreinerte er drei Schrankkoffer mit doppeltem Boden und schiffte sich auf einem Dampfer Richtung Frankreich ein. Dort heiratete er eine Tochter aus gutem Hause, investierte in Renault-Aktien und starb 1956 irgendwo in der Bretagne.
„Piraten sind sicherlich auf der Insel gewesen“, sagt der deutsche Höhlenforscher Jörg Hauchler, der seit rund 20 Jahren auf Mauritius lebt. Mehr als 200 Höhlen hat er in dieser Zeit erforscht und vermessen, drei Viertel aller existierenden. Zum Beispiel, die bei La Caverne im Westen. Geformt wurde sie durch einen Vulkanausbruch vor mindestens 30.000 Jahren, der Totenkopf auf dem Felsen nicht weit vom Höhleneingang ist mit 150 bis 350 Jahren dagegen noch jung. Echt ist er trotzdem, das hat der Höhlenforscher untersucht. Piratenschätze interessieren den Deutschen nicht. Auch wenn er auf seinen Exkursionen immer wieder blockierte Passagen streift, Felsbrocken, die von Menschenhand vor Tunnelabzweigungen gerollt wurden. Er fürchtet um die Vulkanhöhlen, die von den Schatzsuchern mit ihren großflächigen Dynamitsprengungen zum Einsturz gebracht werden.
Auch Vikash Rupear ist sicher, dass die Korsaren und ihre Schätze nicht nur ins Reich der Legende gehören. Die Beweise dafür liegen in den Vitrinen des Marinemuseums in Mahébourg, in dem Rupear als Kurator arbeitet: kleine Goldbarren, so lang wie ein Finger, eine Silberrupie aus der Zeit des Mogulherrschers Aurangzeb, dessen Vater das berühmte Taj Mahal erbauen ließ, ein Silberarmreif und eine handgeschriebene Liste aller Korsare zwischen 1793 und 1801, immerhin 23 Kapitäne, und ihrer Prisen im Gesamtwert von mehr als einer Milliarde Francs.
Schätze haben existiert, aber heute danach zu graben, hält Rupear für aussichtslos. Und dennoch ist genau das die Lebensaufgabe für Louis Hedley Guinness, seit über 40 Jahren auf der Suche nach dem Schatz des Korsaren Hodoul. Wert der Beute: mehr als hundert Millionen Euro. Niemand weiß, was aus Hodoul und seinem Schiff, der „Apollon“ wurde, aber wo sein Schatz verborgen ist, das weiß Louis Hedley Guinness. Bald wird er ihn finden, im Osten der Insel, nicht weit von der Stelle,wo auch Philippe Chevreau schon mal gesucht hat – ohne Erfolg. Louis Hedley Guinness, über 70 Jahre alt und früher mal „Mister Mauritius“, besitzt keine Schatzkarte.Aber ein Freund von ihm in England, der hat mal eine gehabt und die Angaben hat er sich gemerkt.Wieder geht es um einen Fluss, eine Schlucht und ein Loch im Felsen, gerade groß genug, dass sich ein Mann hineinkauern kann. Und um Reichtum, immensen Reichtum: acht Fässer mit Dublonen, eine Tonne Gold und 600 Kilogramm Diamanten.
(Die Hälfte seiner Rente gibt Louis Hedley Guinness für Grabungen aus. Die Entdeckung, sagt er, steht kurz bevor)
Es ist dafür gesorgt, dass ihm niemand zuvorkommt, denn Guinness gräbt auf gut bewachtem Gebiet. Einer seiner Söhne ist Vorarbeiter beim Steinbruch La Mecque der United Basalt Products, durch ihn bekommt nur der Vater Zugang, kein Fremder darf sich über die Schotterpiste an den Rand der Steilküste quälen, die an dieser Stelle aussieht wie ein Schweizer Käse – so viele Höhlen gibt es hier: künstliche, gesprengt von Schatzsuchern, und echte, entstanden aus Vulkanausbrüchen in Urzeiten.
An vielen Orten hat Guinness bereits gegraben, mehrere Meter tief, vor allem an der windgeschützten Westseite. Im vorigen Frühjahr war er ganz nahe dran, so nahe, dass sein Herz aussetzte und er einen Schlaganfall bekam. Das hat ihn zurückgeworfen, doch er gibt nicht auf. Die Hälfte seiner monatlichen Rente von 150 Euro investiert er in die Suche, irgendwo muss der Schatz doch sein. „Die Chancen, an Land fündig zu werden, sind minimal“, sagt der Kurator Rupear, „wenn überhaupt ein Schatz existiert, dann unter Wasser, immerhin haben wir mehr als 400 Wracks vor der Küste liegen.“
Die Winde sind stürmisch vor der Insel. Heute, genau wie in jener Januarnacht 1702, als die „Speaker“ von hohen Wellen erbarmungslos über die See geworfen wurden. Der Mast brach, der Wind schleuderte den Segler gegen die Riffe vor der Ilot des Roches. Die Speaker sank und mit ihr die Beute aus den Raubzügen. Piratenkapitän John Bowen und seine Mannschaft retteten sich mit Flößen an Land und richteten sich ein. „Sie sind bis an die Zähne bewaffnet, scheinen aber in friedlicher Absicht hier gestrandet zu sein“, meldeten Einheimische am Tag nach dem Sturm an den Gouverneur. Die Holländer hielten es mit einer bewaffneten Truppe von gerade mal 50 Mann für klüger, mit der dreimal so starken Piratenmannschaft zu verhandeln statt zu kämpfen (Mysteriöse Reichtümer: Diese Schätze warten noch auf ihre Entdeckung (Videos)).
Drei Monate später verließ Bowen mit seinen Männern die Insel. Die „Speaker“ blieb zurück am Meeresgrund und tauchte erst 1979 wieder auf: als bislang berühmtester archäologischer Piratenschatz der Insel. Erforscht hat ihn Yann von Arnim, der als Ozeanograf für das Kultusministerium des Inselstaats taucht. „Es gab vielleicht ein halbes Dutzend Schätze hier“, sagt er, „aber drei wurden bestimmt schon damals gestohlen, zwei sind vielleicht durch Zufall gefunden worden. Wenn überhaupt, ist noch ein einziger übrig.“ Reich werde man als Schatzsucher nur damit, die Obsession der Leute auszunutzen, die an Piratenschätze glauben, spottet von Arnim. „Ich kenne ein paar“, sagt er, „die es sich ganz gut gehen ließen mit dem Geld der Investoren.“
Solche Verdächtigungen weist Espérance Bécherel weit von sich, auch wenn er schon in den sechziger Jahren Anteilsscheine an Geldgeber verkauft hat. Wer ihm Kapital zuschoss, sollte an der Beute beteiligt werden. Wie viel Geld sein Schatzsuch-AG eingenommen hat, will der drahtige Ingenieur nicht sagen. Aber der Schatz, den er in der Baie du Tombeau, der Grabesbucht, finden wird, soll unermesslich wertvoll sein. Bécherel, heute 78 Jahre alt, glaubt fest daran, schließlich bedeutet sein Vorname „Hoffnung“.
Schon Bécherels Vater hat den Schatz des karibischen Kaperers Sir Henry Morgan gesucht, der Bécherel zufolge ums Kap Hoorn und ums Kap der Guten Hoffnung gesegelt sein soll, um seinen Schatz aus der Karibik in einer unterirdischen Festung in der Baie du Tombeau zu verbergen. Bécherel glaubt an ein geheimes System kommunizierender Röhren, sucht Symbole in den unregelmäßig gemauerten Ziegeln alter Mauern. Eine Hexe, sagt er, habe den Reichtum mit einem mächtigen Schutzzauber belegt. Bécherel hat das gespürt. „Als ich vor einem zugemauerten Tunnel stand, wurde mir schlecht, und dann war ich drei Monate krank“. Aber was ist schon ein bisschen Übelkeit gegen ein bis zwei Milliarden Euro. So viel soll die Beute wert sein, die er finden wird. Er ist nahe dran. Denn irgendwo auf der Insel muss er doch sein, der Schatz der Piraten.
Literatur:
Kolumbus kam als Letzter: Als Grönland grün war: Wie Kelten und Wikinger Amerika besiedelten. Fakten, Funde, neue Theorien von Hans-Joachim Zillmer
Niemand hat Kolumbus ausgelacht. Fälschungen und Legenden der Geschichte richtiggestellt. von Gerhard Prause
Die Evolutionslüge. Die Neandertaler und andere Fälschungen der Menschheitsgeschichte von Hans-Joachim Zillmer
Quellen: PublicDomain/priori.ch/merian.de am 23.05.2016
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