Unser Wohlstand – Eure Not: Denkt man an Sklaverei, tauchen Bilder aus längst vergangenen Jahrhunderten von verschleppten Menschen des afrikanischen Kontinents auf, die unter widrigsten Umständen auf Baumwollplantagen schuften mussten.
Kaum jemandem käme in den Sinn, der Sklaverei heutzutage noch Gewicht einzuräumen – dabei ist dieses geächtete Monster noch allgegenwärtig. Gleich in mehreren Punkten ähneln sich Sklaverei früher und heute, gemein haben sie die völlige Rechtlosigkeit, (finanzielle) Abhängigkeit und Unterdrückung.
Die Situation heute Kevin Bales, weltweit führender Sklavereiforscher, spricht von weltweit 27 Millionen Sklaven, neuere Schätzungen gehen sogar von bis zu 35 Millionen aus. Allein in der Republik Côte d’Ivoire, woher rund 80 Prozent des europaweiten Kakaobedarfs stammen, arbeiten 200.000 Kindersklaven aus benachbarten, noch ärmeren Staaten.
Selbst für einen bewusst konsumierenden Menschen ist es schwierig, Produkte zu erwerben, die nicht mit Sklaverei in Berührung kamen. Kevin Bales erklärt die indirekten Zusammenhänge folgendermaßen: „Sie haben die Ziegel für die Fabrik gebrannt, in der Ihr Fernsehapparat angefertigt wurde.
In Brasilien haben Sklaven die Holzkohle hergestellt, mit der man den Stahl für die Federung Ihres Autos und die Schneide Ihres Rasenmähers härtete. Sklaven haben den Reis angebaut, von dem die Frau sich ernährt, die den wunderschönen Stoff für Ihre Vorhänge gewebt hat.“ (Der Konsumzombie)
Die Liste von Bales lässt sich beliebig fortsetzen. Ob Smartphones, Playstation, Baumwolle oder Kakao. Die Elfenbeinküste ist der größte Kakaoproduzent der Welt. Rund 80% des Kakaos der Schokolade, die in europäischen Supermärkten verkauft wird, stammt von dort. Geerntet von Kindersklaven. Laut einem UNICEF -Bericht sollen in Westafrika pro Jahr rund 200 000 Kinder verschleppt werden. Viele davon in Sklaverei (Wohlstand auf dem Rücken der Dritten Welt: Sklavenarbeit für unseren Fortschritt! (Video)).
Sklaverei auch in Deutschland
Doch Sklaverei ist nicht nur ein Problem ferner Armutsregionen, es gibt sie auch in Deutschland. Heike Raabe vom Projekt Zwangsarbeit des Berliner Instituts für Menschenrechte weiß: „Menschenhandel findet in Deutschland statt unter den Augen der Öffentlichkeit und hinter einer legalen Fassade. Also Betroffene haben zum Teil sogar ganz legale Papiere, Aufenthaltserlaubnis, Arbeitspapiere. Sie arbeiten auf öffentlich zugänglichen Arbeitsplätzen, wie Baustellen oder in Betrieben.“
War es früher vor allem Zwangsprostitution, so stoßen Ermittler heute immer öfter auf Sklaverei-Verhältnisse im Industrie – und Dienstleitungssektor. In der Fleisch verarbeitenden Industrie, in der Landwirtschaft, im Baugewerbe, in asiatischen Massagesalons und Nagelstudios. Die Strukturen ähneln der Zwangsprostitution. Falsche Versprechungen. Die Papiere werden ihnen genommen. Sie werden mit Gewalt bedroht. Fliegen sie auf, werden sie abgeschoben und durch neue Sklaven ersetzt. Der deutsche Rechtsstaat fühlt sich nicht zuständig. Allzu schnell wird die Schuld dem Verbraucher zugeschrieben, der in seiner „Geiz-ist-geil“ -Kultur scheinbar der Nutznießer moderner Sklaverei sei.
Ein politisches Problem
Sklaverei ist weltweit geächtet und verboten, aber die Zahlen der Sklaven steigen trotzdem weiter. Es ist vor allem ein politisches Problem. Die USA verabschiedeten bereits unter Bill Clinton ein Gesetz, das Ländern, die nicht aktiv gegen Sklaverei vorgehen, mit Sanktionen drohte. Angeprangert wurden aber nur politisch unliebsame Regierungen. Sanktionen gegen Japan, das nichts gegen die rund 120.000 Sexsklavinnen im Land unternimmt oder die Vereinigten Arabischen Emirate, die als strategischer Partner zählen, wurden abgelehnt.
Auch hierzulande mangelt es an politischem Willen. Das Bundeskabinett hat erst im Juni 2011 den Entwurf eines Zustimmungsgesetzes zum Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels beschlossen. Nach sechs Jahren Beratungen. Denn bereits 2005 waren alle EU Länder aufgefordert worden, das Gesetz zu ratifizieren. Zähes politisches Prozedere um die elementarsten Rechte. Das Gerangel um eine gemeinsame europäische Strategie zur Bekämpfung der Sklaverei hält bis heute an – mit offenem Ende.
Bewusstmachung
Sind in heimischen Geschäften T-Shirts um 4,99 Euro erhältlich, so ist mittlerweile vielen bewusst, dass die Arbeit der Näher kaum abgegolten wird – aber immerhin erhalten sie ein paar Cent. Doch wie sieht es mit tatsächlicher Sklaverei aus?
„Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört“ – dieser Slogan der Flüchtlingsorganisationen Karawane und The Voice in Deutschland und die Proteste der Geflüchteten zeigen deutlich, wovor die Menschen z. B. aus dem Senegal fliehen: fortbestehende Ausbeutung durch neokoloniale Strukturen wie Überfischung oder Ausrichtung der Landwirtschaft auf den Export statt auf Ernährungssouveränität im Land (Rücksichtsloses Freihandelsabkommen – Europa erpresst Afrika (Videos)).
Die Anthropologin Jayne O. Ifekwunigwe betont die Eigeninitiative der senegalesischen Migranten und sieht Migration als Protestform. Anstatt tatenlos im Senegal zu bleiben, wo sie keine Perspektive sehen, werden die Migranten aktiv und nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand (Geplante Migrationsflut: Was die Dunkelmächte mit uns wirklich vorhaben!).
Kann man den Umstand beiseite schieben, dass Menschen für Konsum- und Luxusgüter ausgebeutet werden? Hat man als einzelner überhaupt eine Chance, etwas zu ändern oder muss man lernen, damit umzugehen? Machen Sie sich Gedanken darüber, ob Sie durch den Kauf von Produkten möglicherweise auch Sklaverei mitfinanzieren?
Der Slavery Footprint errechnet, wie viele Sklaven für Ihr Konsumleben arbeiten müssen.
Literatur:
Der Grüne Blackout: Warum die Energiewende nicht funktionieren kann von Alexander Wendt
Aus kontrolliertem Raubbau: Wie Politik und Wirtschaft das Klima anheizen, Natur vernichten und Armut produzieren von Kathrin Hartmann
Der Klimaschwindel: Erderwärmung, Treibhauseffekt, Klimawandel – die Fakten von Kurt G. Blüchel
Wir müssen leider draußen bleiben: Die neue Armut in der Konsumgesellschaft von Kathrin Hartmann
Quellen: PublicDomain/3sat.de/boell.de/derstandard.at am 16.12.2015
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