Sonnen-Protuberanzen sind Wolken aus Plasma, die mehr als 100.000 Kilometer über die Sonnenoberfläche empor schnellen können. Die Wolken bestehen im Inneren aus bis zu 150 Kilometer dicken „Fasern“. Diese sind mit einer Temperatur von rund 7.000 Grad Celsius geradezu kalt im Vergleich zu ihrer Umgebung, der bis zu 1,5 Millionen Grad Celsius heißen Sonnenkorona. Die Erforschung von Protuberanzen erfolgt durch Analyse der Spektral-Linien, die sie aussenden. Aus deren Breiten wird mit der sogenannten „Doppler-Formel“ die Temperatur ermittelt. Wissenschafter der Universitäten Göttingen und Paris haben jetzt aber gezeigt, dass diese Doppler-Formel in Protuberanzen nicht angewandt werden kann. Die Protuberanzen führen also gleichsam ein unberechenbares Eigenleben.
Protuberanzen bestehen aus einem elektrisch leitfähigen Plasma, das sich nur sehr eingeschränkt im Magnetfeld bewegen kann. Daher reicht ein schwaches Magnetfeld von wenigen Tausendsteln der Flecken-Magnetfelder aus, um Protuberanzen in der Schwebe zu halten. Aus den Breiten der Spektral-Linien kann die Temperatur in den Protuberanzen ermittelt werden – zumindest der Theorie nach: die Spektral-Linien vom Wasserstoff sollten 56-mal breiter sein als die vom Eisen; Helium-Linien sollten viermal, Natrium-Linien zwölfmal schmaler sein als die vom Wasserstoff – entsprechend den Atom-Gewichten.
„Wir haben mit dem französischen 0,9-Meter-Sonnenteleskop auf Teneriffa gleichzeitig Spektral-Linien von Wasserstoff, Helium, Natrium, Magnesium, Titan und Eisen beobachtet und herausgefunden, dass deren Breiten sich nicht durch eine einheitliche Temperatur erklären lassen“, sagt Eberhard Wiehr vom Institut für Astrophysik der Universität Göttingen. „Vergleicht man etwa die Breite der gelben Natrium-Linie mit einer des ionisierten Heliums würde man mittels Doppler-Formel 50.000 Grad erhalten.“ Ähnliche Widersprüche ergeben sich mit den anderen Spektral-Linien. Im Fachjournal „Astronomy and Astrophysics“ schließen die Forscher daraus, dass deren Breiten im Wesentlichen durch Temperatur-unabhängige Bewegungen verursacht werden.
Eine Kette von mehreren 100 Kilometer großen Klumpen
„Eine Erklärung hierfür könnte die Struktur der Protuberanzen liefern, die sich als perlschnurartige Reihen von Klumpen einiger 100 Kilometer Durchmesser zeigt“, so Wiehr. Das Helligkeits-Maximum jedes einzelnen Klumpens bewegt sich langsam abwärts, was auf ein Herunterfallen des Klumpens oder auf abwärtslaufende Wellen hinweisen könnte. Einen sehr viel stärkeren Hinweis auf eine Abwärts-Strömung geben die nicht-thermischen Bewegungen, die die gemessenen Linien-Breiten nahelegen.
„Es ist bekannt, dass die Plasma-Klumpen durch Abstrahlung so weit kühlen, dass die Ionen viele ihrer Elektronen wieder einfangen, und sich dadurch die elektrische Leitfähigkeit eines Gas-Klumpens derart verringert, dass die magnetischen Kräfte ihn nicht mehr in der Schwebe halten können“, so Wiehr. Solch kühle Klumpen sinken dann durch das Magnetfeld nach unten, wobei sie sich wieder soweit aufheizen, dass das Gas nach und nach wieder ionisiert. Wie die Protuberanzen sich dann wieder mit Gas füllen, ist derzeit noch umstritten. Da es nicht aus der umgebenden Korona kondensieren kann, bleibt nur Nachschub von unten.
„Stop-and-Go“ im Magnetfeld
Bei hinreichend zurückgewonnener Leitfähigkeit wird der Klumpen dann vom Magnetfeld wieder in der Schwebe gehalten. Solches „Stop-and-Go“ unterschiedlich ionisierter Gas-Klumpen kann die beobachteten nicht-thermischen Linien-Verbreiterungen erklären. Die Forscher planen nun, diese Dynamik am deutschen 1,5-Meter-Sonnenteleskop auf Teneriffa zu prüfen. Hierzu sollen moderne Bildgebungsverfahren mit adaptiver Optik und Bild-Rekonstruktion erstmals auf Protuberanzen angewendet werden, die trotz ihres beschriebenen dynamischen Eigenlebens oft wochenlang existieren und daher nicht mit Sonnen-Eruptionen zu verwechseln sind (Forscher: Nur 12 Stunden – Sonnensturm-Schutzmaßnahmen mangelhaft (Video)).
Aktuelle Sonnenaktivität:
Während die Region 2423 weiter in den Westen rotiert und am Sonntag eine M 3.6 Sonneneruption produzierte, ist Region 2422 in geoeffektiver Position und hat am Samstag eine M 1.9 und M 1.0, sowie am Sonntag eine M 1.0 Eruption freigelassen, allesamt führten zu keinem koronalen Massenauswurf (CME). Am Montagabend folgte ein M 7.6 Solar-Flare.
Video:
Hier die letzten Solar-Flares:
Die Aktivität auf der Sonnenscheibe:
Die Wahrscheinlichkeit für einen M-Flare liegt bei 70% und für einen X-Flare bei 25%.
Nachtrag Dienstag 17:03 Uhr.
Weitere moderate M-Klasse Flares wurden am Dienstag verzeichnet.
Schwacher Einschlag von Elektronen am Dienstagmorgen. Ein Absorptionsspektrum eines Flaregebiets zeigt typischerweise neben Wasserstoff auch Helium und Calcium. Die Gebiete senden verstärkt kurzwellige Strahlungen im ultravioletten und im Röntgenbereich sowie Protonen, Elektronen und Ionen aus. Auf der Erde bewirkt dies Störungen der Ionosphäre mit entsprechenden Beeinträchtigungen des Radioverkehrs.
Literatur:
Die launische Sonne: Widerlegt Klimatheorien von Nigel Calder
Die vergessene Zivilisation: Die Bedeutung der Sonneneruptionen in Vergangenheit und Zukunft von Robert M Schoch
Die kalte Sonne: Warum die Klimakatastrophe nicht stattfindet von Fritz Vahrenholt
Quellen: NASA/derstandard.at/solarham.net vom 27.09.2015
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