Ehrenamt & Rotes Kreuz: „Helfer am Ende ihrer Kräfte“ – Bundesregierung besorgt wegen Gewalt in Flüchtlings-Unterkünften

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Nach vier Wochen Flüchtlings-Dauereinsatz kommen viele ehrenamtliche Helfer jetzt ans Ende ihrer Kräfte. BRK-Landesgeschäftsführer Leonhard Stärk fordert dringend Hilfe vom Staat: „Sonst kippt die Stimmung“.

Leonhard Stärk, Geschäftsführer vom Bayerischen Roten Kreuz, hat gerade einen Brief bekommen. Es ist ein Hilferuf vom Kreisverband Rottal-Inn, der die Zustände vor Ort als „absolut dramatisch“ beschreibt: Es brauche „dringend und drängenst“ mehr hauptamtliche Mitarbeiter, um im Landkreis Rottal-Inn die Flüchtlingsströme zu bewältigen. Es ist nicht der einzige Landkreis, in dem die Helfer an ihre Grenzen kommen, warnt Stärk: „Allein auf dem Rücken der Ehrenamtliche können wir die Situation nicht mehr lange stemmen.“

„Längster Dauereinsatz, den wir je hatten“

„Wir sind seit vier Wochen im Dauereinsatz. Das war mit Abstand der längste Dauereinsatz, den wir je hatten“, sagt Leonhard Stärk dem Bayerischen Rundfunk. Den G7-Gipfel und diverse Hochwasser – all diese Extremsituationen hätten die ehrenamtlichen Helfer in Bayern immer gut gemeistert. Anders als der Einsatz jetzt seien das aber Einsätze gewesen, die zeitlich begrenzt waren: „Beim Hochwasser schien nach zwei Wochen wieder die Sonne – bei den Flüchtlingen ist eine Ende des Zustroms nicht absehbar.“ Die Politik dürfe sich laut Stärk deswegen nicht nur auf ehrenamtliche Helfer verlassen.

Maximal zwei Wochen geht’s noch gut

„Unsere Leute glauben, sie schaffen es maximal noch zwei Wochen durchzuhalten“, prognostiziert der BRK-Geschäftsführer, spätestens dann aber seien sie am Ende ihrer Kräfte. Auch wenn die vielen Ehrenamtlichen nach wie vor hochmotiviert sind, nach vier Wochen Dauereinsatz müssen viele Helfer nun wieder zurück in ihren normalen Beruf: So erfährt Stärk von immer mehr Helfern, die sagen: „Mein Chef lässt mich nicht mehr, ich bekomme nicht mehr frei, um zu helfen. Ich muss wieder in die Arbeit kommen!“

Helfer mit Tränen: „Wir können nicht mehr“

Dazu gebe es langsam Zeichen von psychischer Erschöpfung“. Die ersten Helfer würden mit Tränen in den Augen dastehen und sagen: „Wir können nicht mehr. Wir haben die dritte Nacht in Folge Einsatz gezeigt, die Flüchtlinge in Busse begleitet und in Züge gesetzt.“, so Leonhard Stark. Es habe zwar bisher seines Wissens noch keinen Zusammenbruch gegeben. Aber auf lange Sicht, gebe es bestimmt Ehrenamtliche, denen sie helfen müssen, das Erlebte zu bewältigen: „Das Leid, mit dem die ehrenamtlichen Helfer ständig in Berührung kommen, darauf sind wir in dieser Dimension nicht vorbereitet.“, sagt Leonard Stärk.

Mehr Hauptamtliche sollen die Situation entspannen

Um weiterhin Hilfe leisten zu können, will das Rote Kreuz laut Leonhard Stärk nun zusätzliche hauptamtliche Mitarbeiter einstellen: „Die müssen wir dann aber auch bezahlen können.“ Erste Gespräche mit der Regierung gebe es bereits, und auch mit der Suche nach neuen Mitarbeiter wollen sie bald beginnen. Das werde zwar nicht leicht, aber: „Es gibt keine Alternative.“

Bergedorf: Flüchtlinge treten in Hungerstreik

Nach dem chaotischen Umzug aus den Hamburger Messehallen nach Bergedorf am Wochenende sind rund 70 Flüchtlinge in Hungerstreik getreten. Damit wollen sie gegen die ihrer Meinung nach unhaltbaren Zustände in der Unterkunft protestieren, wie NDR 90,3 am Montag berichtete. Erneut verbrachten Dutzende Flüchtlinge die Nacht vor dem ehemaligen Max-Bahr-Baumarkt in der Kurt A. Körber Chaussee im Freien. Ein Polizeisprecher erklärte, der Wachdienst habe die Beamten darauf aufmerksam gemacht, dass zahlreiche Männer nicht mehr essen würden. Diese erklärten zur Begründung, ihnen sei in Bergedorf eine bessere Unterbringung als in den Messehallen – in Containern oder Wohnungen – versprochen worden.

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Betreiber: „Das Beste, was zur Verfügung steht“

Susanne Schwendtke vom städtischen Betreiber „fördern & wohnen“ wies die Behauptung zurück. Die Situation bei der Unterbringung von Flüchtlingen sei derzeit sehr angespannt. Der Baumarkt sei das Beste, was zur Verfügung stehe. Gleichzeitig entschuldigte sie sich für den missglückten Umzug der rund 800 Flüchtlinge aus den Messehallen nach Bergedorf am Wochenende. Bei der Ankunft der Menschen funktionierten sanitäre Anlagen nicht, es gab zu wenig Betten und keine Trennwände. Zudem war die Halle dreckig.

Ehrenamtliche Helfer: „Gipfel an Unfähigkeit der Behörden“

Scharfe Kritik an den Vorfällen in Bergedorf und den staatlichen Stellen wurde auch am Sonntag im Ballsaal des FC St. Pauli laut. Dort hatten sich mehrere Hundert ehrenamtliche Flüchtlingshelfer versammelt, um darüber zu beraten, wie Hilfe besser organisiert und umgesetzt werden kann. Die Zustände in Bergedorf seien der Gipfel an Unfähigkeit der Behörden, hieß es bei dem Treffen. Viele freiwillige Helfer beklagten auch, dass sie von Behörden und Ämtern nicht einbezogen würden, obwohl sie viele Aufgaben übernähmen, die man auch von der Stadt verlangen könnte. Trotzdem wolle man die Flüchtlingshilfe verstärken und noch besser über die ganze Stadt vernetzen.

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Marcel Schweitzer, Sprecher der Sozialbehörde, war der einzige Vertreter der Stadt auf der Versammlung. Er sagte, es sei für die Behörden häufig schwierig, verantwortliche Ansprechpartner unter den freiwilligen Helfern zu finden. Die Zustände im Bergedorfer Baumarkt bedauerte auch er. Aber dafür seien die Innenbehörde und „fördern & wohnen“ zuständig.

Platz für Boote statt für Flüchtlinge

Seit Anfang August waren in den Messehallen zeitweise 1.200 Flüchtlinge untergebracht. Sie mussten nun Platz machen für den Aufbau der Messe „hanseboot“, die Ende Oktober beginnt. Die Kleiderkammer für Flüchtlinge kann hingegen noch bis Ende des Jahres in den Messehallen bleiben, sie zieht allerdings innerhalb der Messehallen um.

Bundesregierung besorgt wegen zunehmender Gewalt in Flüchtlings-Unterkünften

Die Bundesregierung zeigt sich über die zunehmenden Auseinandersetzungen innerhalb von Flüchtlingsunterkünften alarmiert. „Wir beobachten das mit erheblicher Sorge, dass es Gewalttätigkeiten gibt“, sagte der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Tobias Plate, am Montag in Berlin. Allerdings gebe es Vorfälle nicht nur zwischen Bewohnern, sondern auch gewalttätige Übergriffe gegen Helfer beim Bau von Unterkünften. Die Behörden vor Ort täten das Notwendige, um der Gewalt entgegenzuwirken. Zugleich betonte Plate, das Bundesinnenministerium wolle sich nicht dazu äußern, wer in den Einrichtungen mit wem untergebracht werden könne. Derlei Detailfragen lägen in der Zuständigkeit der Länder, der Bund mische sich hier nicht ein.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hatte sich dafür ausgesprochen, Flüchtlinge nach ihrer Religion getrennt unterzubringen, so wie dies in Thüringen bereits gehandhabt wird. Der Sprecher des Innenressorts sagte, es müsse eine Lösung für die jeweilige Unterkunft gefunden werden. „Es gibt sicherlich nicht den Königsweg, der so oder so aussieht.“ Er verwies auf positive Erfahrungen in Lübeck und anderen Gemeinden, die gerade auf eine gute Mischung der Bewohner setzten.

Bei mehreren gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen größeren Gruppen von Migranten in einem Zeltlager für Flüchtlinge im hessischen Calden waren nach Polizeiangaben am Sonntag 14 Menschen verletzt worden, darunter drei Polizisten. In Leipzig und Chemnitz war es in der vergangenen Woche zu Massenschlägereien in Flüchtlingsunterkünften gekommen. In beiden Fällen hatten Asylbewerber andere Flüchtlinge mit einem Messer bedroht, in einem Fall war ein 11-jähriges Mädchen Opfer der Gewalt.

Video:

In diesem Jahr hat es zudem bereits mehr als doppelt so viele Übergriffe auf Asyl- und Flüchtlingsunterkünfte gegeben wie im gesamten vergangenen Jahr. Die Polizei habe seit Jahresbeginn landesweit 437 Straftaten gegen Asylunterkünfte registriert (Stand 21. September), sagte BKA-Sprecherin Sandra Clemens am Montag. Darunter seien 26 Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte sowie 33 andere Gewaltdelikte wie Körperverletzung. Bei dem Großteil der Straftaten handele es sich um Sachbeschädigung, Propagandadelikte und Fälle von Volksverhetzung.

Literatur:

Inside IS – 10 Tage im ‚Islamischen Staat‘ von Jürgen Todenhöfer

Exodus: Warum wir Einwanderung neu regeln müssen von Paul Collier

Mekka Deutschland: Die stille Islamisierung von Udo Ulfkotte

Böse Gutmenschen: Wer uns heute mit schönen Worten in den Abgrund führt von Bernd Höcker

Quellen: wsws.org/Deutsche-Wirtschafts-Nachrichten/br.de/ndr.de vom 28.09.2015

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