Satellitenbilder für die Bundeswehr: Der mysteriöse 475-Millionen-Euro-Deal

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Das Verteidigungsministerium will fast eine halbe Milliarde Euro für 3D-Satellitendaten von der Erdoberfläche ausgeben – obwohl das Wirtschaftsministerium sie bereits besitzt. Was steckt hinter dem merkwürdigen Deal?

Was das doppelte Himmelsauge gesehen hat, beeindruckt nicht nur Wissenschaftler. Auch Militärs sind äußerst interessiert an den Daten der Radarsatelliten „Terrasar-X“ und „Tandem-X“. Das Duo fliegt seit 2010 in Formation durchs All und hat seitdem hochgenaue Höhendaten der Erdoberfläche gesammelt. Auf weniger als zwei Meter genau wurde jede Erhebung und Vertiefung des Globus erfasst.

Jetzt will das Verteidigungsministerium die Rohdaten für sagenhafte 475 Millionen Euro kaufen und an bis zu 35 Staaten verteilen – damit diese daraus ein hochpräzises 3D-Höhenmodell errechnen, dass dann auch Deutschland nutzen kann.
Der Deal sorgt seit Monaten für Befremden – denn das Wirtschaftsministerium besitzt die Daten bereits. Der Bund hat das „Terrasar-X / Tandem-X“-Projekt zu drei Vierteln finanziert: 313 Millionen kamen aus Steuermitteln, 90 Millionen vom Projektpartner Airbus Defence & Space. Der Rüstungskonzern investierte weitere rund 70 Millionen Euro für die Vermarktung, bekam dafür aber die Exklusivrechte für die kommerzielle Nutzung der Daten.

Ein blendendes Geschäft, wie sich nun herausstellt: Airbus verkauft die Daten wieder an den Bund – für beinahe das Dreifache der Summe, die das Unternehmen ursprünglich investiert hat. Dem Konzern dürfte das durchaus gelegen kommen. 2011 hatte die Bundesregierung 40 Eurofighter-Kampfjets abbestellt. Ende 2014 wurde bekannt, dass Airbus für den dafür entstandenen Verlust eine Ausgleichszahlung von rund 500 Millionen Euro fordert.

„Verschwendung von Steuergeldern“

Bei der Opposition sorgt der „Tandem-X“-Deal für Befremden, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Bundeswehr so viel Geld auch an anderer Stelle gebrauchen könnte – etwa um funktionierende Hubschrauber oder ordentlich schießende Sturmgewehre zu beschaffen. „Es ist Verschwendung von Steuergeldern, wenn das Verteidigungsministerium für ein System bezahlt, dass bereits zu 75 Prozent mit öffentlichen Mitteln finanziert wurde“, sagt Michael Leutert, Bundestagsabgeordneter der Linken.

Unklar ist, warum das Ressort von Ursula von der Leyen (CDU) die Daten überhaupt kaufen will und nicht gratis vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt bekommt. Das DLR, das dem Wirtschaftsministerium unterstellt ist, hält die Rechte an der wissenschaftlichen Nutzung der Höhendaten. Darunter fällt laut einer DLR-Ausschreibung jede Nutzung, „die nicht auf profitorientierte, kommerzielle Zwecke abzielt“.

Vom DLR heißt es, die Ausschreibung richte sich ausschließlich an Wissenschaftler, die Radardaten für ihre Forschung nutzen wollen. Doch für den Berliner Staatsrechtsprofessor Ulrich Battis ist klar: Laut dem DLR-Dokument könnte das Verteidigungsministerium die Daten gratis vom Wirtschaftsministerium bekommen. Branchenkenner sehen das ähnlich. „Dass die militärische Nutzung keinem kommerziellen Zweck dient, ist absolut eindeutig“, sagt ein Insider aus der Industrie.

Warum 475 Millionen Euro?

Gewinne macht der Bund mit den Satellitendaten jedenfalls nicht – im Gegenteil: Die Daten, die das Verteidigungsministerium für 475 Millionen Euro kaufen will, sollen laut einem internen Dokument an bis zu 35 Nationen verteilt werden. Deren Gegenleistung besteht nach Angaben eines Ministeriumssprechers darin, dass sie aus den Rohdaten das globale 3D-Höhenmodell erstellen – auf das Deutschland dann „vollen Zugriff“ habe.

Ein Branchenfachmann hält diese Argumentation für abwegig: Wertvoll seien in erster Linie die Rohdaten, und die besitze der Bund bereits. Das Errechnen des Höhenmodells sei dagegen vergleichsweise billig, ein Preis von 475 Millionen Euro „völlig illusorisch“: „Firmen oder Forschungsinstitute könnten das für weniger als ein Zehntel dieser Summe erledigen.“

Auch Linken-Politiker Leutert wundert sich: „Mir ist schleierhaft, warum Deutschland für andere Staaten Lizenzen kauft, mit denen Satellitendaten militärisch genutzt werden können.“ Als ein Grund gilt eine Anfrage aus den USA: Die Amerikaner fordern die „Tandem-X“-Daten als Gegenleistung für hochauflösende Satellitenfotos, die sie seit Jahren den Deutschen zur Verfügung stellen. Auf der Liste der potenziellen Lizenznehmer stehen aber nun auch fast alle anderen Nato-Mitgliedstaaten, ebenso wie lateinamerikanische und asiatische Länder sowie die Vereinigten Arabischen Emirate und Israel.

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Deren Interesse erscheint verständlich. Egal ob Aufklärungs-, Führungs-, Simulations-, Einsatz- und Waffensysteme: Für „alle Systeme dieser Kategorien“ seien die Höhendaten nützlich, heißt es in einem weiteren internen Schreiben aus dem Verteidigungsministerium. Konkret nennt das Dokument unter anderem Drohnen, den Transporthubschrauber NH90, den Kampfhelikopter „Tiger“, Geoinformationssysteme und Datenbasen für Simulatoren, etwa für Panzer.

Präzise Höhenmodelle werden aber auch in Marschflugkörpern eingesetzt. 600 solcher Geschosse des Typs „Taurus“ hat die Bundeswehr zwischen 2005 und 2010 bezogen. Sie können von „Tornado“-Jagdbombern, künftig aber auch vom „Eurofighter“ abgefeuert werden. Die Staaten, die nun die „Tandem-X“-Rohdaten bekommen sollen, haben auch den amerikanischen „Tomahawk“-Marschflugkörper im Arsenal. Sowohl „Taurus“ als auch „Tomahawk“ finden ihre Ziele unter anderem mit der sogenannten Geländereferenznavigation: Sie tasten den Erdboden mit ihrem eigenen Radar ab und vergleichen das Ergebnis mit zuvor gespeicherten Daten. Das funktioniert aber nur, wenn diese Daten präzise genug sind.

Ob und wie die „Terrasar-X“- und „Tandem-X“-Daten hierfür genutzt werden, ist öffentlich nicht bekannt. Allerdings sind ihrem Einsatz nur ungefähre Grenzen gesetzt. Das Lizenzrecht, verlautet aus dem Verteidigungsministerium, gestatte es den Partnernationen, das Höhenmodell „behördlich“ oder „im Rahmen einer internationalen Koalition“ zu nutzen. Doch das, erklärt der Ministeriumssprecher, sei noch „Gegenstand der laufenden Vertragsverhandlungen“ mit Airbus.

Der Airbus-Konzern will wegen der Spionageaffäre um den US-Geheimdienst NSA und den Bundesnachrichtendienst Anzeige erstatten. Man habe die Bundesregierung um Auskunft gebeten und werde Strafanzeige gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Industriespionage stellen, erklärte ein Airbus-Sprecher.

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Die NSA hat mit Wissen des Bundesnachrichtendienstes jahrelang Konzerne wie den Airbus-Vorgänger EADS ausspioniert.

Die NSA soll angeblich nach Informationen für Hinweise auf illegale Exportgeschäfte gesucht haben. Der deutsch-französische Luftfahrtkonzern ist auch im Rüstungsgeschäft aktiv.

Neben Wirtschaftsunternehmen sollen jedoch vor allem hochrangige Beamte des französischen Außenministeriums, des Élysée-Palastes und der EU-Kommission abgehört worden sein, so die Zeitung.

Quellen: euronews.de/DLR/SPON vom 27.04.2015

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