Im hohen Norden Russlands tun sich immer neue kreisrunde Krater in der Erde auf. Warum sie plötzlich auftauchen, ist nicht genau klar. Wissenschaftler warnen vor einem ernst zu nehmenden Problem.
Es ist gerade mal ein halbes Jahr her, da ging die Meldung um die Welt, dass sich auf der Jamal-Halbinsel große Löcher im Boden auftun. Von einem Tag auf den anderen, jedes von ihnen zig Meter im Durchmesser, jedes von ihnen Dutzende Meter tief. Die Löcher waren jeweils von einem großen Wall umgeben.
Jetzt haben Forscher vier weitere große Löcher im hohen Norden Sibiriens entdeckt. Und nicht nur große, sondern auch viele kleine Löcher zeigen sich im Permafrostboden. Eines der großen Löcher sei von nicht weniger als 20 kleineren Löchern umgeben, berichten Wissenschaftler. Die kleinsten Löcher hätten einen Durchmesser von weniger als zwei Metern. Das große Loch mit den 20 kleinen Löchern sei etwa zehn Kilometer von einer Erdgasförderanlage entfernt.
Wassili Bogojawlenski, stellvertretender Direktor des Öl- und Gasforschungsinstituts in Moskau, sagte der „Siberian Times„: „Ich bin mir sicher, dass es noch mehr Krater auf der Jamal-Halbinsel gibt. Wir müssten nur nach ihnen suchen. Ich würde sie mit Pilzen vergleichen – wenn man einen Pilz findet, dann sind mit Sicherheit weitere Pilze in der Nähe. Ich schätze, dass es 20 oder 30 weitere Krater gibt.“
Bebte die Erde?
Zwei der neu gefundenen großen Kraterlöcher hätten sich wahrscheinlich bereits mit Wasser gefüllt, sagte er.
Allerdings können die Forscher noch nicht viel über die Kraterlöcher sagen. Menschen, die in der Nähe waren, berichteten, sie hätten ein Erdbeben wahrgenommen. Aber es waren keine Seismografen in der Region installiert, die ein Beben der Erde hätten aufzeichnen können, sagte Bogojawlenski. Um Gewissheit über die Beschaffenheit und die Ursache der runden Löcher zu bekommen, sei eine Expedition in die Region geplant.
(Vier arktische Krater: B1 – der bekannte Jamal-Krater 30 Kilometer von Bovanenkovo entfernt, B2 – neu entdeckter Krater 10 km südlich von Bovanenkovo, B3 – Krater 90 km von Antipayuta entfernt, B4 – Krater beim Dorf Nosok, in der Nähe der Halbinsel Taimyr)
Explodierendes Erdreich
Über das plötzliche Auftauchen der Löcher wurde im vergangenen Sommer vor allem in den sozialen Medien viel diskutiert. Aliens, Ufos, Laserwaffen oder auch marode Erdölpipelines wurden als Erklärung herangezogen.
Andrej Plekhanow, ein Geologe vom Scientific Centre of Arctic Studies in Salekhard, hatte sich einen der Krater von Nahem angesehen. Er vermutete zunächst, dass eine unterirdische schmelzenden Eislinse, ein sogenannter Pingo, das Loch ins Erdreich gerissen haben könnte.
Doch der Wall rund um das Loch sprach für eine andere Ursache. Denn solche Aufschüttungen kommen nur zustande, wenn etwas explodiert. Im Fachjournal „Nature“ wurde das Geheimnis der Löcher dann gelüftet. Die wahrscheinlichste Erklärung sei, so die Forscher, dass im Permafrost gefrorenes Methan plötzlich explodiert sei.
Das wurde auch von einer ungewöhnlich hohen Methankonzentration in der Luft am Grund des Kraters untermauert: Andrej Plekhanow konnte dort 9,6 Prozent Methan messen, in der normalen Luft seien nur 0,000179 Prozent enthalten.
(20 neu formierte Krater und ein neuer See)
Klima- oder Wetterphänomen?
Dass das im Boden gefrorene Methan plötzlich getaut ist, sei, so teilten die Forscher im vergangenen Sommer mit, wegen der ungewöhnlich hohen Temperaturen in den Jahren 2012 und 2013 möglich. Die Temperaturen waren in diesen Jahren auf fünf Grad Celsius gestiegen – das ist viel für die Permafrostregion des hohen Nordens.
Im Boden gefrorenes Methanhydrat könne dadurch aufgetaut und in einer Explosion aus dem Boden entwichen sein. Dafür spricht auch, dass die mittlerweile beobachteten Löcher von einem Kraterwall umgeben sind.
Ob diese Explosionen damit eine Folge der natürlichen Erderwärmung sind oder ob es sich um wetterbedingte Ereignisse handelt, ist allerdings unklar. Forscher des Alfred-Wegener-Instituts in Potsdam weisen aber darauf hin, dass sich der Permafrostboden in den vergangenen 20 Jahren in einer Tiefe von 20 Metern um etwa zwei Grad Celsius erwärmt hat. Larry Hinzman, ein Permafrost-Experte von der University von Alaska in Fairbanks und Direktor des International Arctic Research Center sagte, solche Krater könnten sich künftig in den kalten Regionen des Permafrostes häufiger auftun.
(Emissionen im See)
Bei Überflügen mit einem Hubschrauber hatten Forscher die nun zu Seen gewordenen großen Krater untersucht. Der russische Forscher Bogojawlenski erklärte, dass man auf der Wasseroberfläche Schlieren erkennen kann. „Sie zeigen, dass weiterhin Gas vom Grund des Sees zur Wasseroberfläche aufsteigt.“
Man könne nicht ausschließen, dass es zu weiteren Gas-Emissionen in der Arktis kommt – und dass sich das Gas dabei entzündet. Anwohner der Stadt Antipajuta hatten Blitze gesehen. „Möglicherweise hatte sich das Gas entzündet, als der dortige Krater entstanden ist.“
Wassili Bogojawlenski betonte, dass man die Menschen nun nicht verunsichern dürfe. „Aber die Löcher sind ein ernst zu nehmendes Problem. Wir müssen das Phänomen so schnell wie möglich aufklären, um mögliche Unglücke zu verhindern.“ Man könne nicht ausschließen, das es zu weiteren Gas-Emissionen in den arktischen Regionen kommen könnte – und dass sich das Gas auch entzünden kann.
Video:
Quellen: WeltOnline/siberiantimes.com vom 24.02.2015
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