Forscher vermuten, dass in Deutschland weitaus mehr Fledermäuse durch Windkraftanlagen sterben als bisher gedacht. Strengere Auflagen für Anlagenbetreiber könnten die Tiere schützen.
Die Zahl der Fledermäuse, die jedes Jahr in Deutschland an Windrädern umkommen, könnte größer sein als bislang angenommen. Bei Hochrechnungen zur Zahl der getöteten Tiere gebe es systematische Fehler, berichtet ein Team um Christian Voigt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin.
Der neuen Studie zufolge könnten in Deutschland pro Jahr mehr als 250.000 Fledermäuse an Windrädern getötet werden, wenn diese ohne Auflagen betrieben würden, schätzen die Forscher. Ihre Studie ist im „European Journal of Wildlife Research“ veröffentlicht. Bisherige Schätzungen, wie viele Fledermäuse im Jahr umkommen, gehen stark auseinander – Zahlen von unter 100.000 bis zu über 400.000 werden genannt.
Wegen großer Luftdruckänderungen an den Rotorblättern erleiden Fledermäuse in der Nähe eines Windrads ein sogenanntes Barotrauma, bei dem innere Organe zerreißen. Bisher hätten Forscher in ihren Analysen nur die Tiere berücksichtigt, die unmittelbar an Windrädern tot gefunden wurden, erklärt Voigt. Bei einem leichten Barotrauma können Fledermäuse aber noch Minuten oder sogar Stunden weiterfliegen, bevor sie verenden.
Vermutlich erfülle nur ein Bruchteil der aktuell rund 24.000 Windkraftanlagen in Deutschland die Auflagen zum Schutz der fliegenden Säugetiere, teilte der IZW-Forscher mit. Dazu gehört unter anderem, dass die Betriebszeiten der Windräder an den Fledermausflug angepasst werden.
Mehr als 70 Prozent der getöteten Fledermäuse in Deutschland seien nur auf der Durchreise – große Flugrouten der Tiere kreuzen Deutschland. Viele Fledermäuse wandern von Nordosteuropa über Deutschland nach Süd- und Westeuropa, berichtet Voigt. „Deutschland fällt eine zentrale Aufgabe zu, einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der wandernden Fledermäuse in Europa zu leisten“, sagt Voigt. Der weitere Ausbau der Windenergie führe zu immer mehr und immer größeren Anlagen. Bleibe alles wie bisher, hätte dies verheerenden Folgen für die Fledermäuse.
Wie viele der Windkraftanlagen bereits Auflagen zum Schutz der Fledermäuse befolgen, konnten die Leibniz-Forscher nicht ermitteln. Diese Zahl sei leider nicht bekannt. Es besteht keine Pflicht der Betreiber, dies zu melden. Bekannt sei aber, dass vor allem ältere Anlagen keine Rücksicht auf die Flugzeiten der Fledermäuse nehmen, sagt Voigt.
Betreiber, die die Tiere schützen, lassen das Flugverhalten der Tiere rund um die Anlage ermitteln. Fledermäuse fliegen stets nur bei bestimmten Windgeschwindigkeiten und Temperaturen. In diesen Zeiten, vor allem im Herbst, werden die Windräder ausgeschaltet.
Bei schwachem Wind vom Netz
Zu den betroffenen Tieren zählt etwa der Große Abendsegler (Nyctalus noctula) und die Rauhautfledermaus (Pipistrellus nathusii). Beide seien auch bei etwas höheren Windstärken noch aktiv, heißt es in der Studie. Bisher hatten Naturschützer und Forscher empfohlen, Windräder bei schwachem Wind vom Netz zu nehmen – nur dann flögen die Tiere auf Höhe der Rotorblätter.
Abschließend geklärt sind die Ursachen für die „Todesfalle Windrad“ noch nicht. Diskutiert werde auch, ob die Tiere von den Windrädern angezogen werden, schreiben die Forscher in ihrer Überblicksstudie.
Quellen: dpa/SPON vom 14.02.2015
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