Afghanistan: Bundeswehr doch an gezielten Tötungen beteiligt

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Die Bundeswehr hat offenbar eine größere Rolle bei gezielten Tötungen in Afghanistan gespielt als bislang bekannt. Laut einem Medienbericht wählte ein deutscher Generalmajor 2011 als Kommandeur mögliche Ziele aus. Ein Ex-NATO-General bestätigte dies.

Egon Ramms, NATO-General a.D., bestätigte im Deutschlandradio Kultur einen Bericht der „Bild“-Zeitung, wonach die Bundeswehr Daten zur gezielten Tötung von Taliban-Kämpfern in Afghanistan gesammelt und genutzt hat.

Ramms war rund vier Jahre lang Kommandeur des Allied Joint Force Command in Brunssum und damit auch zuständig für die Afghanistaneinsätze. Auf die Frage, ob Daten über Taliban-Kämpfer gesammelt worden seien, um diese gezielt zu töten, antwortete Ramms: „Selbstverständlich.“

Deutsche Militärs haben in Afghanistan Personen für sogenannte gezielte Tötungen vorgeschlagen. Das geht aus einem Protokoll der internationalen ISAF-Interventionstruppen vom Mai 2011 hervor, aus dem Bild zitiert. Demnach verlangte Generalmajor Markus Kneip damals als ISAF-Regionalkommandeur Nord ausdrücklich die »Festnahme oder Neutralisierung« eines Aufständischen. Die Bundesregierung hat bislang stets behauptet, die Bundeswehr beteilige sich zwar an der Erstellung von NATO-Listen, auf denen Personen mit dem Hinweis notiert werden, sie seien zu ergreifen oder zu töten. Man plädiere dabei aber immer nur für eine Festnahme. Dies ist nun durch das ISAF-Protokoll widerlegt.

Interne Organigramme bestätigen dem Bild-Bericht zufolge auch die im Kern seit 2010 bekannte Tatsache, dass im deutschen Hauptquartier in Masar-i-Sharif eigens eine »Target Support Cell« eingerichtet wurde, um Informationen über »feindliche Kämpfer« zu sammeln und diese gegebenenfalls für einen Eintrag auf der entsprechenden NATO-Liste vorzuschlagen. Dass die Informationen auch für »gezielte Tötungen« genutzt wurden, stellt aus Sicht der Bundesregierung kein Problem dar. Bereits 2010 hat sie ausdrücklich erklärt, man dürfe »feindliche Kämpfer auch außerhalb der Teilnahme an konkreten Feindseligkeiten gezielt bekämpfen«. Dies schließe explizit »den Einsatz tödlich wirkender Gewalt ein«. Das Verteidigungsministerium hat damals außerdem mitgeteilt, es richte sich »nach den Umständen des Einzelfalls«, »welche Personen … als feindliche Kämpfer jederzeit bekämpft werden können und welche Personen ihren Schutz als Zivilpersonen ausnahmsweise verlieren« – die übliche Gummiklausel also, faktisch ein Freibrief für »gezielte Tötungen«.

Widerlegt ist durch Bild vorliegende Dokumente auch die oft belächelte Schutzbehauptung des BND, er gebe zwar Mobilfunk-nummern mutmaßlicher »feindlicher Kämpfer« an NATO- und US-Stellen weiter, doch seien diese nicht zur Zielbestimmung etwa für einen Drohnenangriff geeignet. In einem von Bild zitierten Bericht vom 26. August 2011 übermittelte der BND Handynummern – und fügte hinzu, »eine Verwendung zum Zwecke des Einsatzes tödlicher Gewalt« sei »zulässig, solange und soweit ein gegenwärtiger Angriff vorliegt oder unmittelbar droht«. Konsequenzen hat seine Beihilfe allerdings nicht. In einem Präzedenzfall stellte der Generalbundesanwalt am 20. Juni 2013 ein Ermittlungsverfahren ein, das sich mit der »gezielten Tötung« des deutschen Staatsbürgers Bünyamin Erdoğan durch eine Killerdrohne am 4. Oktober 2010 in Pakistan beschäftigte.

Deutsche Stellen hatten seine Handynummer weitergeleitet und damit seine Ortung ermöglicht. Die Tötung war dem Generalbundesanwalt zufolge, weil Erdoğan ein »feindlicher Kämpfer« gewesen sei, »kein Kriegsverbrechen« und nicht strafbar.

Offensive Operationen der Bundeswehr

„Der Spiegel“ hatte am Wochenende über Todeslisten berichtet, auf denen zeitweise 750 Namen gestanden haben sollen. Die „Bild“-Zeitung meldete, dass es im Bundeswehr-Hauptquartier in Masar-i-Scharif eine Einheit zur Zieldaten-Ermittlung gegeben habe. Laut Geheimdokumenten sei es ihr Auftrag gewesen, „Informationen für die Nominierung möglicher Personenziele zu sammeln“.Die Bundeswehr hat in Nordafghanistan auch selbst offensive Operationen gegen die Taliban durchgeführt. Ramms wies darauf hin, dass seit 2002 auch Spezialkräfte der Bundeswehr im Süden des Landes eingesetzt wurden. Unter anderem seien sie in der Taliban-Hochburg Kandahar gewesen, wo die schwersten Kämpfe des Afghanistan-Krieges stattfanden. „Sie haben dort im Raum Kandahar, das kann ich glaubhaft versichern, bestimmt keine Blümchen gepflückt“, betonte Ramms.

Es habe „Tötungslisten“ gegeben, die nicht nur von den USA und Großbritannien alleine erarbeitet worden seien. Ramms: „Sie können sie auch als NATO-Listen bezeichnen, weil sie also auf den verschiedenen Ebenen der Regionalkommandos in Afghanistan und auch im Isaf-Hauptquartier entsprechend erarbeitet worden sind.“ Die Bundeswehr führt das Regional-kommando Nord der internationalen Schutztruppe Isaf seit 2006.Die Opposition im Bundestag reagierte empört. Die Linke warf der Bundeswehr Beihilfe zum Mord vor. Die Grünen forderten schnelle Aufklärung.

Bereits im Sommer 2010 hat der deutsche ISAF-Sprecher Josef Dieter Blotz gefordert, »gezielte Tötungen« endlich »nüchterner« zu betrachten. Die Bundeswehr dürfe sie zwar offiziell nicht selbst durchführen: »Das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr ist jedoch auch dafür eingesetzt worden, Netzwerke von Extremisten auszuschalten«, sagte Blotz damals, ohne näher zu spezifizieren, was unter »ausschalten« zu verstehen war.

Die Bundesregierung hält die Einsätze des KSK und ihren Gegenstand konsequent geheim.

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Quellen: PRAVDA TV/heute.de/deutschlandfunk.de/jungewelt.de vom 01.01.2015

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