NGO: ‚Reporter ohne Grenzen‘ im Dienste des US-Außenministeriums?

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2005: Der Leiter der Journalistenorganisation, Robert Ménard, sieht in den Geldern vom National Endowment for Democracy kein Problem.

„Ganz genau, wir erhalten Geld von der NED und das bereitet uns kein Problem“, hat der Chef von Reporter ohne Grenzen Robert Ménard in einem Diskussionsforum des Nouvel Observateur Mitte April zugegeben. Doch ist das National Endowment for Democracy (NED) nicht irgendeine Organisation. Sie – und die ihr untergeordneten Stiftungen – unterstehen dem US-Außenministerium. Gegründet wurde die Stiftung 1983 im Kalten Krieg unter der Reagen-Administration, um weltweit den Kommunismus zu bekämpfen und die Demokratie zu stärken. Das hieß zunächst, zielgerichtet eine Politik zur Destabilisierung Kubas und des sandinistischen Nicaraguas zu betreiben.

Zwanzig Jahre gibt es die französische Organisation „Reporter ohne Grenzen“ (RSF), zwanzig Jahre steht ihr unangefochten Robert Ménard vor und zwanzig Jahre sind die Gerüchte nicht verstummt, dass es enge Beziehungen zum US-Geheimdienst CIA und staatlichen Stellen der USA gibt. In der letzten Zeit verdichteten sich die Hinweise und Recherchen wiesen direkt auf die Finanzierung von RSF durch staatliche US-Stellen hin.

So hatte zuletzt die Journalistin Diana Barahona vom US-Journalistenverband The Newspaper Guild über die RSF-Finanzierung durch NED berichtet, aber auch die Möglichkeit einer Beeinflussung durch die französische Regierung besonders im Hinblick auf Haiti nahe gelegt. RSF erhält auch Gelder von der französischen Regierung.

In einem Forum des französischen Wochenmagazins Le Nouvel Observateur wurde Ménard von einem Netizen direkt auf die Recherchen von Barahona angesprochen. Er räumte die Finanzierung durch NED ein, sagte aber gleich, dass ihm das keine Probleme bereite. Das sollte es aber doch. Die von NED erhaltenen Gelder tauchen nämlich im Rechenschaftsbericht der Organisation nicht auf. Das aber lässt Misstrauen entstehen und könnte auch dann, wenn RSF von den genannten und ungenannten Geldgebern unbeeinflusst bleibt, der gleichwohl wichtigen Arbeit der Organisation Schaden zufügen. Das Ansehen der Organisation und ihrer Kritik beruht schließlich auf deren Unabhängigkeit.

Nach den eigenen Angaben zum Finanzjahr 2003 hatte RSF einen Haushalt von 3.472.122 Euros. 11 % seien vom französischen Staat gekommen, 12% von Mäzenen, 4% von Spenden, 15% von der EU, 10% durch punktuelle Aktionen. Und dann ist da der größte Posten: 48% sollen durch Publikationen erwirtschaftet worden sein, wofür die Organisation den Verkauf von eigenen Publikationen anführt. Das wären fast 250.000 verkaufte Bücher, die jeweils 8 Euro kosten. Das ist nicht wirklich glaubwürdig – oder hat das NED sich so sehr mit den Fotobüchern eingedeckt?

Das NED, das auch die Oppositionsbewegungen in Serbien oder der Ukraine unterstützt hat, ist zumindest nicht unbedingt Garant für saubere Politik. „Der erste Geldempfänger von der NED“, so der Ex-CIA-Agent Philip Agee, „war die Cuban American National Foundation (CANF), die damals das Sammelbecken der extremsten Castro-Gegner in den USA war, sowohl in hinsichtlich von Einzelpersonen als auch von Organisationen. Aber der erste echte Test für dieses neue System kam in Nicaragua.“ Dort hatte 1979 die sandinistische Befreiungsfront (FSLN) die blutige Somoza-Diktatur verjagt. Die Logistik, die Organisierung und die Unterstützung der Contras erfolgte von Honduras aus, wo John Negroponte damals Botschafter war. Unter Bush wurde Negroponte zunächst US-Botschafter an der UN, danach US-Botschafter in Bagdad und seit kurzem oberster Geheimdienstchef. Finanziert wurde diese CIA-Intervention während der Amtszeit von Präsident Reagan und Vizepräsident Bush auch durch Waffenverkäufe an die iranischen Mullahs (Iran-Contra-Affäre).

Seit längerem wird RSF eine selektive Wahrnehmung von Verstößen gegen die Presse-freiheit vorgehalten. In Europa kann das am Baskenland beobachtet werden. Als be-sondere Bedrohung der Pressefreiheit wird 2004 die baskische Untergrundorganisation ETA aufgeführt, obgleich sie keine tödlichen Anschläge ausgeführt hatte und auch gegen Pressevertreter oder -organe seit Jahren nicht mehr vorgegangen war. Die „präventive“ Schließung der baskischen Tageszeitung dagegen wird in dem Jahresbericht mit „Verdacht auf eine Kollaboration“ mit der ETA begründet.

Kein Wort darüber, dass das faktische Verbot bei der Veröffentlichung des Berichts seit mehr als einem Jahr bestand. Es besteht bis heute und bisher sind keine Beweise für eine Zusammenarbeit vorgelegt worden. Dafür haben die Journalisten glaubhaft angezeigt, gefoltert worden zu sein. Damals wie heute fehlt die Kritik an der fehlenden Ermittlung der Vorwürfe. Moniert wird auch nicht, dass in Spanien für die 1998 „präventiv“ geschlossene Zeitung und Radio Egin oder im Fall der Zeitschrift Ardi Beltza (2000) bis heute kein Prozess durchgeführt wurde. Besonders fällt allerdings die Militanz gegen Kuba unter Fidel Castro und Venezuela unter Hugo Chavez auf.

Auch der neueste RSF-Jahresbericht, der zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai vorgestellt wurde, könnte den Verdacht bestätigen. Darin werden 53 getötete Journalisten angeführt und der Irak gilt als der „gefährlichste Ort“ für Journalisten. Doch bei Journalisten, die von den US-Truppen erschossen wurden, ist die Organisation eher zurückhaltend, sieht man von der Bombardierung des al-Dschasira-Büros und dem Beschuss des Palestine Hotels in Bagdad ab. Die von Aufständischen getöteten oder entführten Journalisten erhalten einen weit höheren Aufmerksamkeitswert.

Allerdings wurde Ende April die Berichterstattung von RSF über Vorfälle im Irak – auffällig? – wieder kritischer. So schrieb die Organisation Anfang Mai einen Brief an General Abizaid und forderte die Freilassung des für CBS News arbeitenden

Kameramanns Abdel Amir Hussein, der Anfang in April in Mosul festgenommen wurde und seitdem ohne Vorlage von Beweisen in Abu Ghraib inhaftiert ist. Schon am 26. April, einige Tage nach dem Eingeständnis, von NED Gelder zu erhalten, zeigte man sich über mehrere Festnahmen von Journalisten besorgt, die sich teilweise seit Monaten ohne formelle Anklage in irakischer oder amerikanischer Haft befinden. Soll nun damit der Verdacht ausgeräumt werden, durch die US-Regierung beeinflusst zu werden, oder hat sich das zufällig so ergeben?

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Was auch immer an den entstandenen Gerüchten wahr oder falsch sein mag, ein Fehler ist es jedenfalls für eine NGO, ein Geheimnis um die Geldgeber zu machen oder in den Verdacht der Abhängigkeit zu geraten. Seltsam ist beispielsweise, dass RSF nur einmal nebenbei den Fall von Sami Al-Haj, ein Kameramann von al-Dschasira, erwähnt. Er wurde im Dezember 2001 an der afghanisch-pakistanischen Grenze festgenommen und ist vermutlich seitdem in Guantanamo verschwunden. Im Inland wird der USA die Note gut im Hinblick auf die Pressefreiheit zugesprochen, in den von den USA kontrollierten Gebieten wie dem Irak ist sie hingegen auf den 108. Platz von insgesamt 167 gefallen. Das scheint wiederum nichts zu beschönigen.

Im Bericht für Amerika fällt auf, dass RSF zu Beginn davon spricht, „Pressefreiheit wird generell in der Region respektiert“. Doch das gelte nicht für Kuba, die Pressefreiheit werde zudem in Kolumbien verletzt und sei in Venezuela bedroht. Dann spricht die Organisation von „12 getöteten Journalisten“, drei mehr als im Jahr zuvor: Mexiko (3), Nicaragua (2), Peru (2) und in anderen Ländern wird jeweils ein toter Journalist beklagt. Es fällt auf, dass Kuba nicht darunter ist, wo seit 1959 kein Journalist ermordet wurde. Ganz abgesehen davon, spricht die lateinamerikanische Journalistenvereinigung CIAP-FELAP von 20 ermordeten Journalisten für den Kontinent und sogar 117 weltweit. Statt von einer generellen Pressefreiheit, spricht die lokale Organisation von einer „fatalen Singularität“ und einem neuen „Rekord“ für Amerika bei der Zahl der getöteten Journalisten.
Ganz so einfach wie es sich manche machen, ist es allerdings nicht. RSF bemüht sich jedenfalls, die Balance zu halten. Manche Einseitigkeiten sind daher keineswegs von vorneherein auf einen möglichen Einfluss von Geldgebern zurück zuführen. So heißt es etwa im kürzlich veröffentlichten Bericht:

Yet worrying attacks on freedom of expression occurred there in 2004. Several journalists in the United States were being prosecuted for refusing to reveal their sources to courts. Some even risk going to prison or being held under house arrest, all new in a country where the national constitution says people do not have to testify against themselves.

Darauf hatte Diana Barahona in ihrem Artikel auch hingewiesen und gefolgert, dass es mit der „völligen Pressefreiheit“, welche die Pariser Organisation den USA bescheinigt, nicht so weit her ist. Sie erwähnte die Fälle von Judith Miller und Matthew Cooper. Die Journalistin der New York Times und der Journalist des Time Magazins wurden zu einer Strafe von 18 Monaten verurteilt, weil sie sich weigerten, Informationsquellen zu nennen.

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Sie hatten eine CIA-Agentin aufgedeckt. Den Verdacht, hier zu schweigen, hat RSF aber ausgeräumt. Zum Fall des schwarzen Journalisten Mumia Abu Jamal hingegen findet man bei RSF nichts. Nur eine massive Kampagne hatte verhindert, dass dessen Todesurteil nie vollstreckt und in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt wurde. Obwohl er Ehren-bürger von Paris ist, hat sich der Pariser RSF nicht um den Fall gekümmert. Dabei gab es viele Ungereimtheiten im Verfahren gegen den unbequemen Journalisten, der schon fast 25 Jahre im Gefängnis sitzt.

Neben Kuba, angeblich das einzige Land in Amerika, das Journalisten inhaftiere und damit China gleich gestellt, schießt die Organisationen auch scharf gegen Venezuela. Auch hier ist eine Übereinstimmung mit der US-Außenpolitik festzustellen. So weist Barahona darauf hin, dass das NED auch die Gruppen und Medien mit angeblich 20 Millionen US-Dollar unterstützt hat, die 2002 in den Putsch gegen die Regierung Chavez verwickelt waren. Obwohl diesen Medien die Lizenz nach der Rückkehr von Chavez nicht entzogen wurde, spricht die RSF von einem „autoritären System“ und stellt sich offen auf die Seite der Putschisten. Nun zieht man gemeinsam gegen ein bedenkliches Mediengesetz zu Felde, das bisher aber nie angewendet wurde.

Diese Übereinstimmungen mit der US-Politik und die Besonderheiten bei der Bewertung von Pressefreiheit können angesichts des Eingeständnisses, dass die Reporter ohne Grenzen auch durch das NED finanziert werden, den Verdacht entstehen lassen, dass die Unabhängigkeit von Interessen der Geldgeber begrenzt sein könnte. Wichtig wäre, dass RSF die Karten offen auf den Tisch legt, um das Ansehen, das die Organisation zu Recht genießt, nicht zu unterminieren und die wichtige Arbeit nicht zu gefährden. Ganz unwichtig ist es eben nicht, von wem man Geld erhält, denn damit sind Interessen verbunden. Beim National Endowment for Democracy zumal.

Weitere Informationen:

‚Reporter ohne Grenzen‘ – eine ‚Lovemark‘ der US-Regierung

Reporters Without Borders seems to have a geopolitical agenda

Quelle: heise.de vom 08.05.2005

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