Inmitten der Deindustrialisierung Deutschlands, wachsender US-Staatsverschuldung, simultaner Erweiterung der Geldmengen und einer schrillen Energiekrise herrscht eine Aura von abschätziger Unbekümmertheit beim Goldkurs. Es ist ja nur die historisch am höchsten bewertete Kapitalanlage der Welt.
Allein für das laufende Jahr 2024 bricht Gold mit einem Wachstum von über 38 Prozent alle Rekorde. Lokal auf der Chicago Mercantile Exchange (CME) durchbrach dieses historische Antidot gegen Inflation (beziehungsweise die politisch vorsätzlich begleitete Geldentwertung und der Kaufkraftschwund der jeweiligen Währung, die auf die gemeinen Bevölkerungen abgewälzt werden) sogar die Schwelle von 2.800 US-Dollar pro Goldunze.
Seit dem 25. Oktober 2024 bewegte sich der Goldkurs weltweit durchschnittlich zwischen 2.750 und 2.790 US-Dollar. Geht man etwas weiter zurück, entdeckt man jeweils am 31. Oktober 2022 und am 2. Oktober 2023 zwei markante, regionale Tiefs mit 1.615 und 1.826 US-Dollar pro Goldunze. Demnach handelt es sich um ein heute verzeichnetes Wachstum von 73 beziehungsweise 53 Prozent.
Diese Art Renditen (in solchen Zeitfenstern) sind in der Domäne der normativen Finanzdienstleistungen im Westen, die heutzutage gefüllt sind mit den seltsamsten und zwielichtigsten Finanzprodukten und ihren mickrigen Prozentsätzen, geradezu unvorstellbar.
Zumal ein Bankversprechen, dass es nach 12 oder 24 Monaten ein Anlagenwachstum von ein oder zwei Prozent gibt, im Kontext der allgemeinen Trends der objektiven Geldentwertung, alles andere als rentabel ist.
Auch mittel- bis langfristige Kredite, die sich über einen Zeitraum von fünf, zehn, 15 oder 20 Jahren erstrecken, sind nicht lohnenswert. Nimmt man zusätzlich die neoliberalen Neusteuerbelastungen, die sich jede Bundesregierung erlaubt, auf private deutsche Immobilienbesitzer (sowie angehende, als auch derzeitige) auszuschütten, wird die Kosten-Nutzen-Rechnung noch absurder. (Bricht der Dollar zusammen? 7 Schlüsselindikatoren, die Sie nicht ignorieren können)
Obendrauf legt sich noch die Kaufkraft des Euros, die in den Jahren von 2000 bis 2020 konsequent gefallen ist – minus 28 Prozent. Deshalb müsste die systemische Propaganda, dass der Euro stets eine der stärksten Währungen der Erde ist – nahe einem monetären „Felsens in der Brandung“ – mit unbedingter Vorsicht genossen werden.
Der präzedenzlos hohe Goldkurs dieses Jahr – Tendenz steigend – ist ein eindeutiger Indikator dafür, dass das globale Vertrauen in den US-Dollar als bisherige Weltreservewährung und somit in den Status der USA als einzigen Hegemonen mit der Deutungshoheit über Realität und ihre Sicherheitsgewährleistung, dramatisch sinkt.
Nicht nur der Mangel an Vertrauen in den US-Dollar spielt dabei eine Rolle – auch ein allgemein wachsendes Misstrauen gegenüber dem System, das seit der Konferenz von Bretton Woods im Sommer 1944 dominierte.
Nicht einmal, als Washington, D.C. unter Präsident Richard Nixon 1971 den Goldstandard verwarf, war die weltweite Ungewissheit der Märkte so stark, wie sie es heute ist. Nixon erwähnte klugerweise in seiner Rede vom August 1971 nicht, dass sich die unmissverständliche Aufhebung der direkten internationalen Konvertierbarkeit des US-Dollars explizit auf Gold und den darauf basierenden „Goldstandard“ bezog:
„Die Zeit ist reif für eine neue Wirtschaftspolitik in den Vereinigten Staaten. Ihre Zielvorgaben sind Arbeitslosigkeit, Inflation und internationale Spekulation.
Wir müssen die Position des amerikanischen Dollars als Pfeiler der Währungsstabilität in der Welt schützen. [..] In den letzten Wochen haben die Spekulanten einen regelrechten Krieg gegen den amerikanischen Dollar geführt.
Die Stärke der Währung einer Nation basiert auf der Stärke der Wirtschaft dieser Nation – und die amerikanische Wirtschaft ist bei Weitem die stärkste der Welt. Daher habe ich den Finanzminister angewiesen, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Dollar gegen die Spekulanten zu verteidigen. […]
Mit anderen Worten: Der Dollar wird durch diese Maßnahme stabilisiert. Mit dieser Maßnahme werden wir uns bei den internationalen Geldhändlern keine Freunde machen.“
Was war nochmal der fixe Konvertierbarkeitswert einer Goldunze unter dem Standard des Bretton-Woods-Systems ab 1944 und bis 1971? Es waren ganze 35 US-Dollar. Heute, mit einem „frei gleitenden“ und „von Spekulanten befreiten“ US-Dollar, kostet eine Goldunze knapp unter 2.800 US-Dollar.
Die Fakten sprechen dafür, dass die monetären Zauberer dem leichtgläubigen Nixon das invertierte Credo des biblischen Propheten Jesaja unterjubelten, in dem dieser klar diejenigen ermahnte, „die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen, die aus sauer süß und aus süß sauer machen“.
Denn nach der „Befreiung“ und „Liberalisierung“ des US-Dollars war der Pfad widerstandslos offen für wahrhaft expansive Geldpolitik, die – entgegen der Versprechungen Nixons – den Spekulanten erlaubten, den Krieg als solchen als lukrative US-Methode zur Erweiterung der eigenen hegemonialen Stellung unverschämt auf eine nie dagewesene Weise zu steigern.
Während der US-Dollar sich in der Entwertung befindet, jagen die USA neuen Rekorden der eigenen Staatsverschuldung nach – derzeit beträgt sie knapp unter 36 Billionen US-Dollar. Anders gesagt: 36.000 Milliarden US-Dollar.
Allein zwischen den Jahren 2008 (10 Billionen) und 2023 (33 Billionen) hat sich die US-amerikanische Staatsverschuldung mehr als verdreifacht.
Ein Beobachter muss an dieser Stelle ideologisch eingefärbt sein, um hier keine Muster erkennen zu können. Wie hatte die US-Führung es demnach geschafft (dabei war die Parteizugehörigkeit des US-Präsidenten stets vollkommen irrelevant, auch unter Donald Trump) einer solch gigantischen Ungereimtheit und einem solch antiintuitiven Ansatz auszuweichen und einfach weiterzumachen?
Mit dem neoliberalen Mantra des „ewigen Wirtschaftswachstums“ generell und dem „besten Finanzprodukt“ des 20. Jahrhunderts im Spezifischen: die US-amerikanische Staatsanleihe. Hierbei handelt es sich um nichts anderes als Schuldverschreibungen des US-Staates, verkauft an Dritte.
Nationen haben durch den Erwerb einer US-Staatsanleihe Washington D.C. für einen festgelegten Zeitraum langfristig Geld geliehen. In der Nachkriegszeit bis zum „unipolaren Zeitraum“ (1991–2014) galt dies im Rest der Welt als profitable Investitionsmöglichkeit.
Anders gesagt: Staaten haben einen Teil der US-Staatsverschuldung für vertraglich festgelegte Zeiträume auf sich genommen und wurden so mit regelmäßigen Zinsen (aus neu erschaffenem US-Geld) aus Washington D.C. vergütet. Japan und China gehören zu den historisch größten Inhabern von US-Staatsanleihen.
Was ist dahingehend das Update? Mitte Juni 2024 hatte der Forschungsdienst des US-Kongresses (zu Englisch: Congressional research service) in seinem Papier „Ausländische Anteile an Staatsschulden“ (zu Englisch: Foreign Holdings of Federal Debt) Folgendes zu sagen:
„Im Dezember 2023 waren 26,2 Billionen US-Dollar an US-Staatsanleihen im Umlauf, gegenüber 16,6 Billionen US-Dollar im Dezember 2019, ein Anstieg um 9,6 Billionen Dollar (Zahlen sind gerundet).
Im gleichen Zeitraum stiegen die ausländischen Bestände an Schuldpapieren um 1,1 Billionen US-Dollar auf insgesamt rund 8,1 Billionen US-Dollar. Nachdem die ausländischen Bestände in US-Dollar ausgedrückt mehrere Jahre lang relativ unverändert geblieben waren, stiegen sie in den Jahren 2019 bis 2021 an, sanken 2022 und stiegen 2023 sprunghaft an.
Da die Gesamtverschuldung schneller gestiegen ist als die von Ausländern gehaltenen Schulden, ist der Anteil der von Ausländern gehaltenen Bundesschuld in den letzten Jahren zurückgegangen. Im Dezember 2023 hielten Ausländer 31 Prozent der US-Staatsschulden. Die an Ausländer gezahlten Schuldzinsen beliefen sich im Jahr 2023 auf 197,5 Milliarden US-Dollar.“
Was passiert, wenn die USA mit den Schuldzinsen beginnen, weltweit in Zahlungsverzug zu geraten? Und die ausländischen Inhaber der US-Schulden deshalb anfangen, sich ihrer rasant und final zu entledigen?
Wird Washington D.C. es schaffen, einen empfänglichen, globalen Absatzmarkt für diese (wertlosen) Wertpapiere zu gewährleisten? Falls nicht, und all die 31 Prozent der gesamten US-Staatsanleihen (ähnlich einem Spermium auf dem Weg zur verheißungsvollen Eizelle) zurück ins US-amerikanische Kernland suchen werden – was würde das für die Kaufkraft und den Wert des US-Dollars heißen?
Jedenfalls war die Ära der US-Dominanz, mit der Strategie der US-Staatsanleihen im Zusammenspiel mit dem Zwang, den die USA den energiereichen, aber „undemokratischen“ Nationen auferlegten – ihren Erdöl- und Erdgas-Handel exklusiv in US-Dollar zu verrichten – lange Zeit etabliert.
Akademisch wurde dieser Ansatz der wirtschaftlichen US-Wirklichkeitskonstruktion (in der all die obigen Kritiken vollkommen ignoriert wurden und den amerikanischen Frieden bzw. die Pax Americana als Kartenhaus lange stehen ließen), durch die Modern monetary theory (MMT) gedeckt. Die MMT besagt grob, dass ein souveräner Staat vollkommene Narrenfreiheit habe bei seiner expansiven Geldpolitik, da es ihm „aufgrund seines Geldmonopols nie an Geld mangelt“.
Theoretisch „brauche es weder Kreditgeber noch Steuerzahler, um mehr Geld zu bekommen“, was natürlich äußerst unaufrichtig ist von den Befürwortern dieser Theorie: Es werden sehr wohl Kreditgeber ersucht und Steuerzahler werden zu immer mehr Steuern verpflichtet, während die Gagen und Löhne der arbeitenden Bevölkerung stagnieren.
Die Apostel der MMT versichern also, dass die Regierung nicht forciert sei, zur Finanzierung ihrer Ausgaben Steuern von den Bürgern zu erheben.
Ist das kein Beispiel einer vorsätzlich irreführenden Wirklichkeitskonstruktion, die aber als normativ in den Massenmedien propagiert, suggeriert und vorweggenommen wird?
Die MMT gilt als heterodoxe Erbin des Keynesianismus – benannt nach Herrn John Maynard Keynes, der der Bretton Woods-Konferenz die etatistisch-sozialistische Notwendigkeit verlieh, dass der (US-)Staat in letzter Instanz, exklusiv und stets „für das Allgemeinwohl“ monopolistisch in die internationale Geldpolitik eingreifen könne.
Hervorragende Beispiele dieses von Keynes vorab gesegneten „Eingreifens“ waren all die Fälle, als der Staat gegen das Gold als Anlage vorging, um seinen Status quo zu verteidigen und einfachen (demokratischen und aufgeklärten) Bürgern die Fähigkeit, ihr Vermögen vor der penibel gesteuerten Inflation und somit der Entwertung ihrer Ersparnisse zu schützen, zu entreißen.
Zum Beispiel hatte die australische Regierung sich im Jahr 1959 per Gesetz ermächtigt, Gold von ihren Bürgern zu beschlagnahmen. Die politische Rechtfertigung war der Schutz „der Währung und des öffentlichen Kredits des Commonwealths“. In den folgenden zehn Jahren – also die 1960er entlang – schränkte die britische Regierung den Goldbesitz stark ein und verbot die Einfuhr von privatem Gold in das Land vollständig.
Noch eine Dekade vor Bretton Woods hatten die USA selbst unter Franklin D. Roosevelt – durch den Executive Order 6102 – die eigenen Bürger verpflichtet, ihre gesamten Goldvorräte zu einem weit unter dem Marktpreis liegenden Kurs zu verkaufen. Bald nach dieser Enteignung der einfachen Leute wurde mit dem strategisch günstig platzierten US-Gesetz Gold Reserve Act 1934 ein neuer, viel höherer offizieller Goldkurs eingeführt. Zudem war der Besitz von Gold in den USA bis in die 1970er Jahre hinein illegal.
Gold stellt also ein historisch zertifiziertes, irritierendes Element für die modernen geldpolitischen Entscheidungsträger im Westen dar, da es dem Normalsterblichen einen Ausstiegsplan aus dem ständigen Strom der gelenkten und kalkulierten Geldentwertung bietet.
Das Gedankenspiel heute lautet: Nicht Gold wird unbedingt wertvoller. Es ist der US-Dollar (samt seiner Juniorpartner), der rasant an Wert verliert – in einem globalen Kontext.
Die größten Goldreserven-Besitzer sind heute immer noch die USA (8.133 Tonnen) und die Deutsche Bundesrepublik (3.351 Tonnen). Die Hälfte des deutschen Goldes liegt in Frankfurt, 13 Prozent sind bei der „ersten Zentralbank der Welt“ – der Bank of England – wobei weitere 37 Prozent in der US-Federal Reserve gelagert werden.
Sofern Berlins staats- und volksschädigende Politik der Deindustrialisierung noch weiter gefahren wird, muss bald mit dem Prozess der hastigen Auflösung dieser während des deutschen Wirtschaftswunders (in 1950er- und 1960er-Jahren) angehäuften Goldschätze gerechnet werden. Die eine Hälfte, die beim anglo-amerikanischen Establishment gehortet wird, kann sowieso als verloren angesehen werden, wenn man Berlins politische Zufriedenheit mit der Sprengung der Nord-Stream-Pipeline mit berücksichtigt.
Ein Szenario, in dem Berlin seine inländischen Frankfurter Goldreserven eintauscht gegen die von allen anderen Nationen abgeworfenen US-Staatsanleihen, scheint gar nicht mehr so abwegig.
In Hinblick auf das oben Angeführte ist der von der BRICS-Gruppe entfachte, weltwirtschaftliche Paradigmenwechsel umso bedeutender. Noch im vergangenen September, vor dem BRICS-Gipfel im russischen Kasan, erläuterte der geopolitische Analyst Pepe Escobar die Parameter des vorerst größtenteils eurasischen Zahlungssystems BRICS Bridge.
Es wird Blockchain-basiert sein und eine Zahl von 159 Nationen sei mittlerweile bereit, den SWIFT-ähnlichen Mechanismus zu implementieren, was das westliche „Dogma der Sanktion“ als ideologisch-politischen Vorschlaghammer weitestgehend entschärft. Was die neue BRICS-Währungseinheit anbelangt, ist der Wert „zu 40 Prozent an Gold und zu 60 Prozent an einen Korb der nationalen Währungen der BRICS-Mitglieder gekoppelt“.
40 Prozent durch Gold gedeckt? Klingt sehr „rückständig“ und „unnötig großzügig“.
Es ist also besser, wenn wir den BRICS-Gipfel gar nicht erst so groß in unseren freiheitlichen westlichen Massenmedien erwähnen – geschweige vertiefen.
…
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