Britische Astrophysiker knacken Rätsel des 2000 Jahre alten Antikythera-Mechanismus (Video)

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1901 wurde in einem Schiffswrack in der Nähe der ägäischen Insel Antikythera der Antikythera-Mechanismus gefunden. Bis vor kurzem noch galt er als eines der ältesten Rätsel der Antike und als einer der ersten analogen Computer. Nun haben britische Forscher der University of Glasgow nach mehr als hundert Jahren das Rätsel um den antiken Computer geknackt. Von Frank Schwede

Schon vor mehr als sechzig Jahren glaubten Forscher, dass es sich bei dem geheimnisvollen Apparat um eine Art Sternencomputer handelt. Ein kleiner Bronzegegenstand, zusammengesetzt aus Tafeln, Rädern und Nummernscheiben, die vom Meerwasser verklebt wurden.

Das geheimnisvolle Artefakt wurde vor über hundert Jahren zusammen mit anderen Fundgegenständen, hauptsächlich Statuen, aus einem auf Grund des Ägäischen Meeres liegenden römischen Handelsschiffes geborgen, das um 70 vor Christus völlig überladen vor der Insel Antikythera in einem Sturm versank. Da konnte noch niemand ahnen, dass der eigentliche Schatz dieser unscheinbare verrostete Kasten ist.

Neunzig Jahre später wurde der merkwürdige Apparat und seine von Salzwasser zerfressenen Zahnrädern, Zeigern und Platten zur Reinigung in ein Säurebad gelegt, um ihn anschließend eingehend untersuchen zu können.

Eine erste Analyse von Derek de Solla Price, George Stamires und anderen Archäologen in den 1960er Jahren ergab, dass das Gerät eine Art analoger Rechner ist zum Auffinden der Sterne, zur Berechnung planetarischer Umlaufbahnen und zur Standortbestimmung in der Nacht. Derek de Solla Price sagte dazu wörtlich:

„Kein Instrument, das diesem gleicht, ist irgendwo erhalten. Der Fund eines solchen Objekts gleicht dem Fund eines Düsenflugzeugs im Grab von König Tut.“

Es brauchte schließlich noch einmal knapp sechzig Jahre, um dem Geheimnis des Apparats auf die Spur zu kommen. Über viele Jahre studierten Wissenschaftler das rätselhafte Instrument, entzifferten und übersetzten die Inschrift, durchleuchteten das Gerät mit Röntgenstrahlen und versuchten, die fehlenden Teile des Jahrtausende Jahre alten Computers zu ergänzen, um das Gerät vollständig rekonstruieren und verstehen zu können.

Recht bald war den an der Untersuchung beteiligten Forschern klar, dass es sich bei dem Apparat tatsächlich um eine komplexe astronomische Uhr handeln könnte, die einmal dazu diente, Kalenderdaten sowie besondere Konstellationen wie Sonnen- und Mondfinsternisse vorauszusagen.

Außerdem konnten an den Skalen der Uhr die babylonischen Tierkreiszeichen und der Olympia-Zyklus sowie die Zyklen der fünf in der Antike bekannten Planeten abgelesen werden.

Übrig blieben 82 Fragmente, die nicht zugeordnet werden konnten

Bislang aber war den Wissenschaftlern nicht klar, wie präzise die Angaben des antiken Rechners tatsächlich waren und ob sie überhaupt stimmten. Beispielsweise war nicht klar, welche Merkmale der Planetenbewegung damit gemessen wurden und ob möglicherweise noch weitere bislang unentdeckte Mechanismen vorhanden waren.

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Am Ende saßen die Forscher vor 82 Fragmente, die sie nicht zuordnen konnten. 2006 ist es Forschern des University College London gelungen, das komplizierte Räderwerk an der Vorderseite des Apparats, das ja nur in Bruchstücken vorhanden war, zu rekonstruieren.

Sie kombinierten die tomografische Analyse der Fragmente, die Inschriften, mathematische Berechnungen sowie die astronomischen Daten der Uhr miteinander. Das Ergebnis, das 2006 im Fachjournal Nature erschien, zeigt, dass der Mechanismus des antiken Rechners bereits in der Antike weit komplexer war als bisher angenommen.

 

Laut der Berechnungen werden die Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn als ein System von Ringen dargestellt. Dazu liefern die altgriechischen Inschriften auf der Frontseite des Apparats Informationen zu den Planeten und Intervallen.

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Aus dieser Erkenntnis zogen die Forscher die nötigen Schlüsse, um die Mechanismen und die korrekte Zahl der verlorenen Zahnräder zu reproduzieren. Das Ergebnis war ein Konstrukt aus sieben Zahnrädern.

Die Frontseite des Rechners zeigt die Phasen von Sonne und Mond an, außerdem werden die Umlaufbahnen der in der Antike bekannten Planeten dargestellt. Dennoch sind viele Fragen offen geblieben.

Auch die Londoner Forscher waren sich einig, bezüglich der Tatsache, dass es sich bei diesem Gerät zweifelsfrei um das vermutlich spannendste Artefakt der antiken Geschichte handelt.

Das glaubt auch Chris Budiselic, der ebenfalls vom Antikythera-Mechanismus-Fieber gepackt wurde und auf YouTube sehenswerte Videos zu diesem Apparat postet. In seinen Videobeiträgen stellt Budiselic infrage, dass der Kalenderring die 365 Tage des ägyptischen Sonnenkalenders zeigte, wie in Nature behauptet wurde.

Die Forscher vermuteten das damals, weil die äußere Ringskala die Monatsnamen des ägyptischen Kalenders zeigt, der das Jahr in zwölf Monaten zu je 30 Tagen und fünf Zusatztagen einteilt.

Budiselics kommt aber zu dem Schluss, dass die Skala nicht 365 Abschnitte aufweist, sondern nur 354. Das entspricht zwölf synodischen Monaten mit jeweils 29 ½ Tagen. Das heißt, dass es sich aller Wahrscheinlichkeit nicht um einen ägyptischen Sonnenkalender, sondern um einen griechischen Mondkalender handelt.

Das Geheimnis ist entschlüsselt

Der britische Astrophysiker Graham Woan von der Fakultät für Physik und Astronomie der Universität Glasgow wurde auf Budiselics Analyse aufmerksam und versuchte daraufhin selbst herauszufinden, wie viele Löcher das Original ursprünglich hatte.

Dazu nutzten der Brite eine Technik namens Bayes-Analyse, eine Wahrscheinlichkeitsrechnung, um Unsicherheiten basierend auf unvollständigen Daten zu bewerten.

Durch die Analyse der Positionen der vorhandenen Löcher und der Platzierung der sechs erhaltenen Fragmente des Rings bestimmte der Forscher die wahrscheinliche Anzahl der Löcher im Mechanismus. Das Ergebnis ist, dass der originale Kalenderring mit großer Wahrscheinlichkeit entweder 354 oder 355 Löcher hatte.

Unterstützung erhielt Woan von seinem Kollegen Jospeh Bayley, ebenfalls von der Universität Glasgow. Bayley nutzte für seine Forschung Signale, die von den Ligo-Gravitationswellendetektoren aufgefangen wurden.

Diese messen winzige Kräuselungen der Raumzeit, die durch massive astronomische Ereignisse wie Kollisionen schwarzer Löcher verursacht werden, wenn sie die Erde durchdringen.

Bayley kam zu demselben Ergebnis. Der Originalring hatte sehr wahrscheinlich 354 respektive 355 Löcher und einen Radius von 77,1 Millimeter. Außerdem stellten die britischen Forscher fest, dass die Löcher sehr präzise positioniert waren. Die radiale Abweichung zwischen den Löchern beträgt lediglich 0,028 Millimeter. In einer Pressemitteilung schrieb Bayley:

 

„Dadurch habe ich den Mechanismus von Antikythera und die Arbeit und Sorgfalt, die die griechischen Handwerker in seine Herstellung gesteckt haben, mit ganz neuem Wert zu schätzen gelernt. Um die Löcher präzise anzuordnen, waren höchst genaue Messtechniken und eine unglaublich ruhige Hand zum Stanzen nötig.

Es liegt eine schöne Symmetrie darin, dass wir die Techniken, die wir heute zur Erforschung des Universums verwenden, dafür adaptieren konnten, um mehr über einen Mechanismus zu erfahren, der den Menschen vor zwei Jahrtausenden half, den Himmel zu beobachten.“

Die Arbeit wurde in der aktuellen Juli-Ausgabe des Journal The Horological Journal veröffentlicht.

Videos:

Quellen: PublicDomain/Frank Schwede für PRAVDA TV am 01.08.2024

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