Gesundheit: Die Insel der Hundertjährigen – warum werden Menschen auf Okinawa so alt?

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Mitten im tropischen Paradies liegt die japanische Insel Okinawa. Sie zählt zu den sogenannten Blue Zones – Orten, an denen Menschen besonders lange leben.
2015 hat Toshio Kamehama einen Weltrekord aufgestellt: Er lief 1500 Meter in sieben Minuten und 37 Sekunden. Der Schnellste in seiner Altersklasse. Damals war Kamehama 90 Jahre und 13 Tage alt.

Auch heute, mit 98 Jahren, läuft er noch. Und auch heute gewinnt er noch oft. Allerdings nur die kürzeren Strecken, 100 und 200 Meter. Die Konkurrenz ist nicht mehr groß: In seiner Altersklasse sind sie meistens nur noch zu dritt. Kürzlich, erzählt Kamehama, hätte keiner von ihnen den Startschuss gehört.

Die Ohren funktionieren nicht mehr ganz so gut, aber Kamehamas Körper ist fit. Mühelos kreuzt er die Beine zum Schneidersitz, als er sich auf den mit Bambusmatten ausgelegten Boden seines spärlich möblierten Wohnzimmers setzt.

Die Einrichtung besteht nur aus einem langen japanischen Tisch und einer Art Schrein, mit all den Medaillen und Urkunden, die Kamehama in seinem Leben durch sportliche Leistung gewonnen hat.

Wie viele es sind, weiß er nicht. Aber sie reichten aus, um ihn in seiner Heimat Miyakojima zu einem Lokalpromi zu machen.

Die Insel hütet außerdem ein Geheimnis

Miyakojima gehört zur japanischen Präfektur Okinawa und befindet sich etwa drei Flugstunden von Tokio entfernt zwischen dem Ostchinesischem Meer und dem Pazifik, näher an Taiwan als an der Hauptinsel Japans.

Subtropisches Klima, intakte Korallenriffe, kristallklares Wasser und lange weiße Sandstrände machen Miyakojima, wie auch den Rest Okinawas, zu einem beliebten Reiseziel, insbesondere für japanische Touristen. Gäste aus anderen Ländern trifft man kaum. (Gesundheit: Warum 80 Prozent der Menschen an Magnesiummangel leiden)

Wer hierherkommt, ins „Hawaii Japans“, kann die Schönheit der Natur genießen, mit Hunderten bunter Fische oder mächtigen Meeresschildkröten schwimmen und das Meer mit dem Boot erkunden.

Das Wasser schimmert in einem ganz besonderen Blau, das sich eine eigene Farbbezeichnung verdient hat: „Miyako blue“.

Die Insel hütet außerdem ein Geheimnis: das eines langen, gesunden Lebens. Okinawa gehört zu den fünf sogenannten „Blue Zones“ der Welt – Orte, an denen Menschen überdurchschnittlich lange und gesund leben.

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Okinawaner haben eine dreimal höhere Wahrscheinlichkeit, 100 Jahre alt zu werden, als US-Amerikaner. Frauen leben hier 87,4 Jahre lang – in Deutschland liegt ihre Lebenserwartung bei 83,2 Jahren.

Kamehama ist mit 98 Jahren der jüngste von drei noch lebenden Brüdern. Vor einigen Jahren starb seine Frau, seitdem lebt er allein. Seine ebenfalls bereits betagte Tochter kommt einmal in der Woche vorbei und kocht für ihn, auch Sohn und Enkel besuchen ihn regelmäßig.

Viel frisches Gemüse, wenig Fleisch und Fisch

Wenn man Kamehama nach seinem Geheimnis fragt, sagt er: Er habe doch gar nichts Besonderes gemacht, außer jeden Tag zu laufen. Nur mit dem Trinken aufgehört, als er etwa 90 war.

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Der Japaner ernährt sich hauptsächlich von frischem Gemüse, isst nur wenig Fleisch oder Fisch. So, wie es die Menschen auf den Inseln von Okiwana seit Jahrhunderten machen.

Forschende glauben, dass eine überwiegend pflanzliche Diät, eine geringe Kalorienzufuhr – einer alten Weisheit zufolge essen die Menschen in Okinawa traditionell nur, bis der Magen zu etwa 80 Prozent gefüllt ist – und die gemeinschaftlichen Essgewohnheiten der Okinawaner wesentlich zu ihrer Langlebigkeit beitragen.

Zwischen türkisblauem Wasser und Dschungel

Auf der Suche nach dem Geheimnis des hohen Alters führt der Weg auch auf die Hauptinsel Okinawa Honto, eine Flugstunde nordöstlich von Miyakojima. Hier, im dicht bewachsenen Norden, liegt Ogimi – das „Dorf der Hundertjährigen“.

17 der 3000 Dorfbewohner sind 100 Jahre alt oder älter. Sie leben verstreut in kleinen Tälern, türkisblaues Wasser auf der einen, Dschungel auf der anderen Seite. Egal, ob in den Gärten der kleinen Wohnhäuser oder am Straßenrand: Überall blüht und wächst es. Bananenstauden, Bittergurken oder Shikwasa, eine lokale Zitrusfrucht.

„Mit 70 bist du ein Kind, mit 80 ein Jugendlicher – und mit 90, wenn dich deine Ahnen in den Himmel rufen, bitte sie zu warten, bis du 100 bist“, steht auf einem Gedenkstein am Ortseingang – eine Lebensphilosophie, die Ogimi berühmt gemacht hat.

Wer die klassische okinawanische Küche probieren möchte, kann sie hier im Restaurant Emi no Mise probieren. Die Köchin Emi bietet ein „Langlebigkeitsmenü“ an: eine Mischung aus traditionellen Gerichten der Region, mit nährstoffreichen Grundnahrungsmitteln wie Goya (ein bitteres Kürbisgewächs, das aussieht wie eine warzige Gurke), Süßkartoffeln, Tofu und Seetang.

Wichtige Rolle spielt die violette Süßkartoffel

Eine wichtige Rolle spielt auch die violette Süßkartoffel. Sie gilt als eines der gesündesten Lebensmittel der Welt, steckt voller Antioxidantien und Ballaststoffe und gehört zu den Hauptnahrungsmitteln in der traditionellen Küche Okinawas.

Das Gemüse, das die Köchin für ihr Menü verwendet, könnte dabei frischer und regionaler nicht sein: Es wird in einem dicht bewachsenen Garten direkt gegenüber vom Restaurant angebaut. Gartenarbeit ist in Ogimi eine beliebte Tätigkeit.

Doch mit dem Ruf als Insel der Hundertjährigen könnte es in Okinawa bald vorbei sein. In den letzten Jahren sank die Lebenserwartung der Bevölkerung drastisch.

Die Frauen Okinawas, einst Weltspitze, liegen in Japan jetzt nur noch auf dem siebten Platz, die Männer auf dem 36. Okinawas Männer unter 55 Jahren gelten sogar als die dicksten in ganz Japan.

Grund dafür ist ein Wandel der Lebensgewohnheiten, besonders in der jüngeren Generation: mehr Stress, weniger Bewegung, schlechtere Ernährung. Die 55.000 nach dem Zweiten Weltkrieg und bis heute auf der Insel stationierten US-amerikanischen Soldaten importierten die Fast-Food-Kultur und kalorienreiche Fertiggerichte.

In Naha findet man heute kaum noch Restaurants mit traditionellem okinawanischen Essen. Stattdessen dominieren Schnellimbisse mit viel Fleisch.

Der soziale Zusammenhalt gibt Lebenssinn

Neben ihrer noch gesunden Ernährungsweise fällt auf: Die ältere Generation in Ogimi führt ein reges Sozialleben. Sie treffen sich zum Karaoke, zum Tanzen und Chorsingen in der Stadthalle. Und auf dem Sandfeld hinter einem kleinen Fischerhafen spielen sie jeden Mittag Gateball, eine dem Croquet verwandte Mannschaftssportart.

Trotz des starken Windes, dessen orkanartige Böen immer wieder den Sand aufwirbeln und ihn in nicht schnell genug geschlossene Augenpaare treibt, trudeln nach und nach die betagten Mitspieler ein.

Medizinskandal Alterung

Der Älteste unter ihnen ist Kunio Yamashiro, 97 Jahre alt. Das Küken der Gruppe, Teruko Miyagi, ist 82. „Sie ist noch jung!“, sagt einer der anderen.

Nachdem sie sich ein bisschen warm gespielt haben, bringen sie zielsicher die Bälle durch die kleinen Tore, die auf dem Spielfeld aufgestellt sind. Wer gerade nicht dran ist, setzt sich auf eine der aus Getränkekisten und einem Brett gebauten Bänke am Spielfeldrand und gibt, auf den Schläger gestützt, Tipps. Auch den Punktezähler haben die Spieler selbst gebaut, aus einem Stück Pappe, in das Getränkedeckel gesteckt werden.

Die Alten sind ein einfaches Leben gewöhnt. Früher, erzählen sie, sei Ogimi sehr arm gewesen. Es habe keine Waschmaschinen oder andere technischen Geräte gegeben.

Der Alltag und die Arbeit waren hart. Jetzt, mit über 90, sei das Leben leichter als früher, sagt Takeshi Yonashiro.

Basische Mineralstoffe aus Korallen bilden die Grundlage

Der hohe Gehalt an basischen Mineralien macht das Trinkwasser auf Okinawa total einzigartig. Wenn es regnet, sickert das Wasser durch den Korallensand, der sich überall auf den Inseln befindet. Dabei nimmt es wertvolle Mineralien und Spurenelemente auf und erreicht einen außergewöhnlich basischen pH-Wert von 8 bis 8,5.

Ohne sich dessen bewusst zu sein, haben die Einwohner Okinawa´s seit Jahrhunderten basische Mineralien über das Wasser aufgenommen und so die Gesundheit auf natürliche Weise gefördert.

Starker soziale Zusammenhalt zählt zu Hauptgründen für Langlebigkeit

Ihm bleibe zum Beispiel viel Zeit fürs Gateballspielen. Das Strategie-Spiel hält ihn nicht nur körperlich, sondern auch geistig fit. „Ohne Gateball wäre ich schon im Altersheim“, sagt Yonashiro, der mit 92 aussieht wie ein jung gebliebener 80-Jähriger.

Der kleine Mann trägt ein langärmliges Polohemd und eine Baseballkappe, unter der wache Augen hervorschauen. Er spricht, im Gegensatz zu den meisten älteren Japanern, etwas Englisch. Früher arbeitete er als Techniker beim Fernsehen und bei der US-amerikanischen Küstenwache auf Okinawa.

Der starke soziale Zusammenhalt zählt zu den Hauptgründen, die Forschende für die Langlebigkeit der Okinawaner festmachen. Der Autor und Filmemacher Dan Buettner, der seit 20 Jahren die Blue Zones erforscht und Okinawa regelmäßig besucht, sieht ein Geheimnis zum Altwerden in den „Moai“: engagierte soziale Kreise, die ursprünglich dazu dienen sollten, sich gegenseitig finanziell zu unterstützen.

Darüber hinaus bieten sie aber auch einen Rahmen für soziale Kontakte, die Zugehörigkeit zu einer Gruppe.

Die Gemeinschaft, schreibt Buettner, gebe vielen der Älteren ihren „ikigai“, den Lebenssinn. Das sieht auch Miyagi so, die Jüngste der Gateball-Gruppe. „Man sollte viel Zeit mit Freunden und Familie verbringen. Ich telefoniere jeden Tag eine Stunde mit meiner Tochter“, sagt sie.

Ihr Rat an jüngere Menschen ist: „Wenn du ein langes, glückliches Leben haben möchtest, sei immer freundlich und hilfsbereit.“

Quellen: PublicDomain/Focus am 12.02.2024

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