Die Zeiten niedriger Zinsen sind endgültig vorbei. Während sich Sparer wieder über Zinsen auf ihre Sparguthaben freuen können, kommen nun auf viele Immobilienbesitzer und den Staat höhere Kosten zu. Von Marc Friedrich
Die Zinsausgaben steigen
Im Rückspiegel betrachtet hat es Deutschland ganz klar verschlafen, die Jahre der Niedrigzinsen und Negativzinsen zu nutzen, um sich günstig und teils sogar kostenlos zu verschulden.
Im Frühjahr hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner bereits darauf hingewiesen, dass sich die Zinsausgaben im Bundeshaushalt deutlich erhöhen werden. Das sei Geld, das an anderer Stelle fehle.
Er forderte, die Schuldenbremse weiter einzuhalten. Im kommenden Jahr rechnet der Finanzminister nun mit 37 Milliarden Euro Kosten allein für Zinsausgaben. Das entspricht knapp 8,3 Prozent des gesamten Bundeshaushaltes.
Zur Veranschaulichung: Gegenüber 2021 ist das eine Verzehnfachung. Dabei sind noch nicht die sogenannten “Sondertöpfe” wie der Klima- und Transdormationsfonds oder die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr mit eingerechnet.
In den USA sind die Zinszahlungen auf die Staatsschulden mit 1 Billion Dollar schon der größte Haushaltsposten und hat erstmals die gigantischen Militärausgaben überflügelt mit. (Die größte Revolution aller Zeiten – Warum unser Geld stirbt und wie Sie davon profitieren)
In diesem Jahr muss der Bund mehr als 500 Milliarden Euro gemäß der eigenen Finanzplanung am Kapitalmarkt aufnehmen. Der Großteil davon ist notwendig, um auslaufende Anleihen neu zu ersetzen.
Dazu muss man wissen, dass Anleihen eine Fälligkeit haben, die bei der Emission festgelegt ist. Doch anders als noch vor 3 oder 4 Jahren, verlangt der Kapitalmarkt mittlerweile höhere Zinsen.
So steht die zehnjährige Bundesanleihe mittlerweile bei mehr als 2,8 Prozent. Anleihen mit einer Laufzeit von 2 Jahren sind sogar schon bei über 3 Prozent. Eine erhebliche Mehrbelastung also, die im Endeffekt der Bund zahlen muss.
Österreich hat es richtig gemacht
Daher stellt sich berechtigterweise die Frage, wieso Deutschland nicht ähnlich gehandelt hat wie Österreich. 16 Prozent der österreichischen Schulden haben eine Fälligkeit von 25 Jahren oder mehr.
8 Prozent sogar eine Fälligkeit von mehr als 30 Jahren. Ein genialer Schachzug war allerdings, als unsere Nachbarn im Jahr 2017 eine 100-jährige Anleihe emittierten (siehe Abbildung). Der Zinskupon lag damals bei 2,1 Prozent.
Zwei Jahre später hat man sogar noch einmal aufgestockt. Die Emissionsrendite belief sich zu diesem Zeitpunkt auf 1,17 Prozent. Ein genialer Schachzug der Österreicher. Der österreichische Finanzminister sollte dafür eigentlich das Bundesverdienstkreuz erhalten.
Zinsen auf Rekordhoch
Blickt man über den großen Teich, so scheint sich der Markt mittlerweile langsam auf das Szenario einzustellen, dass die Zinsen länger auf hohem Niveau bleiben werden. 5 Prozent gibt es mittlerweile auf eine US-Staatsanleihe mit einer Laufzeit von 10 Jahren. Wer das noch vor wenigen Jahren prognostiziert hätte, den hätte man für verrückt erklärt.
Die Zeit der hohen Zinsen sei endgültig vorbei, hieß es noch 2021. Doch zwei Jahre später sieht die Welt ganz anders aus. Sparer und Anleger haben sich zunehmend an “Higher for longer” gewöhnt.
Einer der Hauptgründe für die stark steigenden Zinsen war vor allem die hohe Inflation. Die amerikanische Notenbank musste handeln und hat die Zinsen im Rekordtempo auf 5 Prozent angehoben.
Gleichzeitig hat die FED die strengste geldpolitische Straffungskampagne seit Jahrzehnten durchgeführt (Quantitative Tightening). Doch erstaunlicherweise zeigt sich die amerikanische Wirtschaft nach wie vor robust.
Trotz der hohen Zinsen ist das BIP der USA im Sommerquartal um 4,9 Prozent gewachsen – die größte Steigerungsrate seit knapp 2 Jahren. An den Kapitalmärkten hat der rasante Zinsanstieg jedoch tiefe Narben hinterlassen.
Historischer Einbruch am Anleihemarkt
Was wir gerade am Anleihemarkt erleben, ist zweifelsohne ein historischer Einbruch. Über Jahre hinweg haben die Notenbanken die Zinsen immer weiter abgesenkt und durch Quantitative Easing (lockere Geldpolitik), gigantische Summen Geld in den Markt gepumpt.
Dadurch hat sich am Anleihemarkt eine gigantische Blase gebildet, die nun die Luft ablässt. Besonders deutlich erkennt man das am Chartverlauf des TLT-ETFs (siehe Abbildung). Dieser beinhaltet langlaufende US-Staatsanleihen mit einer Laufzeit von mehr als 20 Jahren.
Mitte 2020 hatte der ETF ein Hoch bei rund 170 Dollar erreicht. Danach ging es steil bergab bis auf rund 85 Dollar. Ein Kursverlust von sage und schreibe 50 Prozent. Und das auf vermeintlich sicheren US-Staatsanleihen, die eigentlich so gut wie Geld sind und zudem als risikolos gelten.
Die günstigen Jahre sind vorbei
Man sieht, dass Deutschland durch das krampfhafte Festhalten an der Schwarzen Null, es schlicht und ergreifend verschlafen hat, sich langfristig günstig zu verschulden. Spätestens mit den Negativzinsen, hätte sich Deutschland mit Schulden vollsaugen müssen, bis zum Maximum wie eine Zecke mit Blut.
Wir wären fürs Schuldenmachen sogar bezahlt worden. Damit hätte das Land von Grund auf erneuert werden können mit einer modernen und digitalen Infrastruktur. Endlich hätte man den über Jahrzehnte entstandenen Renovierungsstau angehen können und wäre sogar noch dafür bezahlt worden.
Wir hätten dann neue und renovierte Schulen und Universitäten, eine sinnvolle Familienförderung, um die negative Demographie zu stoppen, Investments in eine digitale Zukunft mit einem europäischen Silicon Valley, einen Staatsfonds, um die Bürger in Zukunft an Wohlstandseffekten partizipieren zu lassen uvm.
Jetzt ist der Zug leider abgefahren. Die Zinskosten werden in den kommenden Jahren eine deutliche Belastung für den Bund darstellen. Gleichzeitig ist aber auch klar, dass mit Blick auf die enormen Schuldenstände, die man dank Lockdown-Politik, Ukraine-Krieg und historischer Fehlentscheidungen angehäuft hat, die Zinsen gar nicht lange auf diesem Niveau bleiben können.
Um es etwas überspitzt auszudrücken: Hätte Deutschland die Niedrigzins-Phase genutzt, um viel Geld zu günstigen Konditionen aufzunehmen, so hätten wir nun vermutlich Autobahnen aus weißem Marmor und öffentliche Design Toiletten.
Der Autor – Marc Friedrich
Marc Friedrich ist Deutschlands erfolgreichster Sachbuchautor (6 SPIEGEL Bestseller in Folge), ausgewiesener Finanzexperte, gefragter Redner, YouTube-Star, bekannt aus Funk und TV, Vordenker, Freigeist und Honorarberater.
Sein nächstes Buch trägt den Titel “Die größte Revolution aller Zeiten – Warum unser Geld stirbt und wie Sie davon profitieren“ und wird sich ausschließlich mit dem Thema Bitcoin und Geldgeschichte beschäftigen.
Mehr Informationen: www.friedrich-partner.de und www.marc-friedrich.de
Twitter und Instagram: @marcfriedrich7
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Quellen: PublicDomain/Marc Friedrich am 13.11.2023
„sinnvolle Familienförderung“ ..Alles andere,nur das nicht.
„Jetzt ist der Zug leider abgefahren“..Den Zug hat es nie gegeben.
Genau, Deutschland hats verpennt. Wie lange vorher war schon der Meilenstein vom Ende der „lockeren“ Geldpolitik eingeläutet worden?
Es ist ein Meilenstein: Nach mehr als einem Jahrzehnt der lockeren Geldpolitik hat die Europäische Zentralbank (EZB) den angekündigten Einstieg in die geldpolitische Straffung beschlossen und damit die Zinswende eingeleitet. „Wir haben entschieden, die Zinsen um jeweils 0,5 Prozentpunkte anzuheben“, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde in Frankfurt. Zugleich kündigte sie weitere Erhöhungen der Leitzinsen an. Die historische Abkehr von der lockeren Geldpolitik ist zugleich ein Abschied von Strafzahlungen für Geschäftsbanken und von Nullzinsen für Sparer. (Juli 2022)
Allein schon die Rhetorik ist eine Verhöhnung.
Daher stellt sich berechtigterweise die Frage, wieso Deutschland nicht ähnlich gehandelt hat wie Österreich.
>>> Wer haftet denn zum grössten Teil für den Euro ? Nur D und einen ganz kleinen Fliegenschiss noch Frankreich !
25 % der EZB gehört zur dt. Bundesbank !
Ich will den Käufer sehen, der 30 jährige Anleihen aus D aufkauft !!!
Zudem hat die EZB ohnehin hunderte Milliarden in die Staatsanleihen und andere Anleihen vieler EU – Länder geschoben, wo das deutsche Dummvolk am Ende haftet !
Da es aber nie einen Aufschrei gab, wird das Gejammere halt sehr gross sein, wenn die Rechnung bald kommt. Wofür hat man denn wohl für das Jahr 2024 das Lastenausgleichsgesetz wieder eingeführt ?
Ende 2024 wird es den Euro vermutlich nicht mehr geben oder aber er wird kaum noch was wert sein und dann wird es sich zeigen wie gut es ist Nahrungsreserven usw. zu haben.