Ukraine-Abenteuer: Mussten die USA ihre Pläne ändern?

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Derzeit deuten die Meldungen aus dem Westen nicht darauf hin, dass der US-geführte Westen einen Ausweg aus dem Ukraine-Abenteuer sucht. Was hat sich geändert? Von Thomas Röper

Ich haben monatelang darüber berichtet, wie das RAND-Papier vom Januar, über das ich seit Februar schreibe, umgesetzt wurde. In dem Papier hat die RAND-Corporation der US-Regierung empfohlen, einen Ausweg aus dem Ukraine-Abenteuer zu suchen, denn die Ziele, die die USA in der Ukraine verfolgt haben (Russland wirtschaftlich zerschlagen, international isolieren und die russische Armee entscheidend schwächen) wurden nicht erreicht.

Stattdessen mussten die USA die Ukraine mit inzwischen über 100 Milliarden Dollar unterstützen und ein Ende ist nicht abzusehen, während die USA in dem Konflikt nichts zu gewinnen haben, denn – so RAND – wo die Grenzen der Ukraine verlaufen, ist für die USA unwichtig und die ungeheuren Kosten nicht wert.

Nun scheint sich die Lage zu ändern, denn derzeit sehen die Erklärungen des US-geführten Westens, zumindest auf den ersten Blick, nicht so aus, als wäre die Umsetzung des RAND-Papieres noch aktuell.

Schauen wir uns noch einmal die Chronologie an und kommen dann zu der Frage, ob noch versucht wird, das RAND-Papier umzusetzen oder nicht.

Was RAND vorgeschlagen hat

Zur Erinnerung sei gesagt, dass im Januar, als das RAND-Papier veröffentlicht wurde, im Westen noch die Rede davon war, die Ukraine schnellstmöglich in die NATO aufzunehmen und sie so lange zu unterstützen, bis sie Russland militärisch besiegt hat. Alle Hoffnungen des Westens ruhten damals auf der angekündigten ukrainischen Gegenoffensive, die bekanntlich gescheitert ist.

Aber RAND hat bereits im Januar festgestellt, dass die USA einen Ausweg aus dem Ukraine-Abenteuer suchen müssten, weshalb das RAND-Papier die unmissverständliche Überschrift „Einen langen Krieg vermeiden“ trug. (Der Westen weiß, dass die Gegenoffensive der Ukraine scheitert – US-General: Ukrainern bleibt nur noch 30 bis 45 Tage Zeit)

RAND hat dazu einige Vorschläge gemacht. Zuallererst hat RAND geschrieben, dass ein NATO-Beitritt der Ukraine unrealistisch ist, weil Russland das nicht akzeptieren würde.(„Vorhersagen“ über Kiews Misserfolg in Westmedien – Putin: Ukraine-Konflikt von Neidern zur Eindämmung Russlands provoziert)

Diese Forderung war im Januar 2023 fast schon Ketzerei, aber sie wurde danach umgesetzt. Beim NATO-Gipfel Anfang Juli hat die NATO mitgeteilt, dass die Ukraine nicht in die NATO aufgenommen wird und dass auch ein NATO-Beitritt nach Ende der Kampfhandlungen nicht aktuell sei.

Stattdessen hieß es plötzlich, die Ukraine müsse zunächst Bedingungen erfüllen, wobei nicht gesagt wurde, um welche Bedingungen es sich handelt.

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Anstatt eines NATO-Beitritts sollte die Ukraine Sicherheitsgarantien erhalten. Und genau darüber wird seitdem ja auch verhandelt, wobei der Stand der Verhandlungen nicht bekannt ist.

Bisher gibt es lediglich Erklärungen einer ganzen Reihe von Ländern, der Ukraine nach dem Ende der Kampfhandlungen Sicherheitsgarantien geben zu wollen. Nur wie die aussehen sollen, das weiß bisher niemand.

Dieser Punkt des RAND-Papiers wurde eindeutig umgesetzt.

Welche Sicherheitsgarantien geben?

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RAND hat zwei mögliche Modelle für Sicherheitsgarantien vorgeschlagen, die als „israelisches“ und als „koreanisches Model“ bezeichnet wurden.

Das „koreanische Model“ sollte den Konflikt an der bestehenden Kontaktlinie einfrieren, so wie es auf der koreanischen Halbinsel nach dem Koreakrieg vor etwa 70 Jahren geschehen ist.

Die Idee war, die Kampfhandlungen durch einen Waffenstillstand zu beenden und dann – notfalls Jahrzehnte lang – mit dem eingefrorenen Konflikt zu leben.

 

Das „israelische Model“ sieht auch ein Einfrieren des Konfliktes an der Kontaktlinie vor. Zusätzlich sollten die USA der Ukraine ähnliche Sicherheitsgarantien geben, wie sie sie Israel in den 1970er Jahren gegeben haben.

Diese Garantien sehen fast unbegrenzte Waffenlieferungen und eine Beistandsgarantie im Falle eines Angriffs vor, wobei der Beistand nicht die Verpflichtung umfasst, dass die USA selbst in einem möglichen Krieg eintreten müssen.

Man sieht daran, dass die Ukraine dabei wenig zu gewinnen hat, denn unbegrenzte Waffenlieferungen bekommt sie ja ohnehin schon. Für Kiew war die Absage an einen NATO-Beitritt eine eiskalte Dusche, aber Kiew ist nicht in der Position, etwas zu fordern und musste schnell klein beigeben, nachdem Selensky sich auf dem NATO-Gipfel zunächst noch lauthals beschwert hatte.

Bis hierher lief es mit der Umsetzung des RAND-Papieres sehr gut, denn es war der US-Regierung in nur sechs Monaten gelungen, die den NATO-Beitritt der Ukraine so von der Tagesordnung zu nehmen, dass die radikalisierten europäischen Politiker das akzeptierten. Im Januar war das noch undenkbar erschienen.

Aber dann begannen die Probleme.

Russland überzeugen

In dem RAND-Papier stand geschrieben, dass Russland wohl auf die US-Vorschläge, den Konflikt einzufrieren, eingehen würde. Man müsste Russland nur die ukrainischen Gebiete überlassen, die es ohnehin schon kontrollierte, dem NATO-Beitritt der Ukraine eine Absage erteilen und vielleicht noch ein paar Sanktionen lockern, und schon könnte man Russland davon überzeugen, darauf einzugehen.

So einfach war es aber nicht, denn Russland hat schon im April 2022, nachdem Kiew auf Geheiß des Westens den schon fast ausgehandelten Waffenstillstand mit Russland zerrissen hatte, erklärt, dass die russischen Forderungen wachsen würden, je länger der Konflikt andauert. Und so ist es auch gekommen.

Die Frage, was Russland nun fordern würde, habe ich schon unmittelbar nach dem NATO-Gipfel in einem Artikel aufgeworfen, in dem ich im Juli 2023 geschrieben habe:

„Die wichtigere Frage ist jedoch, was Russland dann fordern wird, und ob Russland sich überhaupt mit Verhandlungen mit Kiew zufrieden gibt, oder ob Russland auch die USA am Tisch haben will, um beispielsweise auf die Frage der gegenseitigen Sicherheitsgarantien oder andere Themen zurückzukommen.“

Während Russland im März 2022 noch mit der Ukraine verhandelt hat, die damals selbst einen gangbaren Vorschlag für einen Waffestillstand unterbreitet hat, den sie aber auf Druck des Westens im April wieder zurückgezogen hat, hat sich im August 2023 gezeigt, dass meine Frage berechtigt war, denn im August haben mehrere russische Regierungsvertreter, allen voran der russische Außenminister Lawrow, erklärt, dass Russland kein Interesse mehr an Verhandlungen mit den Befehlsempfängern Kiew habe, sondern direkt mit den USA verhandeln wolle, weil die für den Westen die Entscheidungen treffen.

Mehr noch: Auch die EU akzeptiert Russland nicht mehr als Gesprächspartner, weil auch sie sich vollkommen den USA untergeordnet hat und Washington auch für Brüssel alle Entscheidungen trifft. Kremlsprecher Peskow formulierte das im September 2023 beispielsweise so:

„Es ist klar, dass sowohl Herr Macron als auch Herr Scholz zumindest optisch gerne Kandidaten in der Rolle einer Art von Vermittler bleiben würden, aber de facto haben sie diese Chance natürlich praktisch schon verloren, denn sie haben ihre Souveränität in dieser ganzen Geschichte verloren.“

Peskow erklärte weiter, dass diese Politiker „es bevorzugen, sich klar im Fahrwasser der Entscheidungen zu bewegen, die in Washington getroffen werden“, sogar zum eigenen Schaden und zum Schaden der Bevölkerung ihrer Länder.

Russland hat in den letzten Monaten nach dem NATO-Gipfel klar gemacht, dass es an einem Einfrieren des Konfliktes nicht interessiert ist, sondern eine dauerhafte und tragbare Friedenslösung sucht, die Vereinbarungen mit dem US-geführten Westen einschließt.

Dabei dürfte man in Moskau an die gegenseitigen Sicherheitsgarantien denken, die Russland den USA und der NATO im Dezember 2021 vorgeschlagen hat, über die der US-geführte Westen aber nicht einmal verhandeln wollte. Was Russland damals genau angeboten hat, können Sie hier nachlesen.

Für die USA inakzeptabel

Russland fordert eine dauerhafte Sicherheitsarchitektur für Europa. Dazu gehören, laut den russischen Vorschlägen vom Dezember 2021, als wichtigste Forderungen:

  • Der Abzug aller russischen und amerikanischen Atomwaffen aus Europa. Die USA sollen ihre Atomwaffen nach Hause holen, Russland würde seine Atomwaffen hinter dem Ural stationieren. Kein Land solle mehr Atomwaffen außerhalb seines Staatsgebietes stationieren dürfen
  • Die Rückkehr zur Umsetzung der NATO-Russland-Grundakte, was den Abzug der NATO-Truppen aus Osteuropa bedeuten würde
  • Keine weitere NATO-Erweiterung und keine Manöver mehr nahe der Grenze zwischen Russland und der NATO

Obwohl Russland dabei keine einseitigen Forderungen stellt, sondern alle Bedingungen für beide Seiten gelten, ist es für die USA wahrscheinlich unmöglich, darauf einzugehen.

Das würde einen massiven Machtverlust der USA bedeuten und außerdem wäre es eine internationale Blamage, die die USA schwach aussehen lassen würde, weil sie auf Russlands Forderungen eingehen müssten, anstatt – wie gewohnt – anderen ihre Forderungen zu diktieren.

 

Was tun?

Das ist der Punkt, an dem wir heute stehen. Die Umsetzung des RAND-Papiers lief nach Plan, aber nun stellt Russland offenbar Forderungen, die über das hinausgehen, was die RAND als vertretbar angesehen hat.

Dabei hat sich für die USA an der Situation nichts geändert, denn die USA haben im Ukraine-Konflikt immer noch nichts zu gewinnen, weil Russland nicht wirtschaftlich und militärisch gebrochen werden kann und weil Russland nicht international isoliert werden konnte.

Im Gegenteil, der G20-Gipfel hat beispielsweise gezeigt, dass der US-geführte Westen international – vielleicht nicht isoliert ist, aber – mit seinen Zielen alleine gegen den Rest der Welt dasteht.

Die USA scheinen nun, nachdem der ursprüngliche Plan nicht aufzugehen scheint, eine Kombination aus neuen Wegen zu testen. Einerseits forcieren sie immer mehr Waffenlieferungen, auch von Langstreckenwaffen, die Russland provozieren sollen, damit es vielleicht doch noch eine „Dummheit“ begeht, die sich auf dem internationalen Parkett gegen Russland instrumentalisieren lässt.

Andererseits gehen die USA dazu über, die EU die Kosten für den Ukraine-Konflikt tragen zu lassen, wie das Kieler Institut für Weltwirtschaft gerade gemeldet hat.

Demnach haben die europäischen Geldgeber der Ukraine insgesamt 156 Milliarden Euro Finanzhilfe zugesagt, während die USA weniger als 70 Milliarden versprochen haben. Die Kosten langsam auf die Europäer „auszulagern“, ist – zumal angesichts des anstehenden US-Wahlkampfes – auch eine Möglichkeit für die USA, sich aus der Affäre zu ziehen.

Allerdings scheinen die USA auch die Umsetzung des RAND-Papiers nicht aufgegeben zu haben, denn nach dem gerade zu Ende gegangenen Ramstein-Treffen hat US-Verteidigungsminister Austin sich sehr bemerkenswert ausgedrückt. Anstatt, wie bisher üblich, den Fokus auf neue Waffenlieferungen an Kiew zu richten, sagte er, Kiews Verbündete würden sich darauf konzentrieren, „langfristig“ für die Sicherheit der Ukraine „zu sorgen“.

Das klingt weniger nach Waffenlieferungen und mehr nach Verhandlungen und Sicherheitsgarantien, wie RAND sie vorgeschlagen hat.

Die nächsten Monate dürften also interessant werden, denn laut dem Szenario des RAND-Papiers müssten die USA zum Beginn des Wahlkampfes, also spätestens Anfang 2024, aus dem Ukraine-Konflikt heraus sein.

Die Frage ist also, ob die USA Russland in den nächsten Monaten entgegenkommen werden, oder ob sie den Konflikt mitsamt seinen Kosten so weit wie möglich auf die Europäer abladen.

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Quellen: PublicDomain/anti-spiegel.ru am 20.09.2023

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