Die Hippie-Szene im Laurel Canyon nahe Los Angeles gruppierte sich um einen Mann, der mit den Flower-Power-Ideen reichlich wenig am Hut hatte. Wie andere Bewohner des Tals entstammte er dem militärisch-industriellen Komplex der USA. Von Daniell Pföhringer
Mehr dazu lesen Sie in der Mai-Ausgabe von COMPACT mit dem Titelthema „Geheimakte Beatles – Die dunkle Seite der Pop-Titanen“. Hier mehr erfahren.
Mitte der 1960er Jahre – der Vietnamkrieg hatte gerade begonnen – versammelten sich im Laurel Canyon, einem waldreichen Tal nahe Los Angeles, zahlreiche Sänger, Musiker und Songwriter.
Innerhalb weniger Monate wurde dort – und nicht etwa in San Francisco – die Hippie-Bewegung geboren, mitsamt neuer Musikstile, die den Soundtrack der kommenden turbulenten Jahre bilden sollten. Eine Art Vaterfigur der Szene war der 1940 in Baltimore, Maryland, geborene Musiker und Komponist Frank Zappa.
Zappas in verschiedenen Besetzungen auftretenden Mothers of Invention sollten kommerziell zwar nie so erfolgreich werden wie etwa The Doors oder The Mamas and The Papas, ihre Musik gilt dafür als absolut richtungsweisend – auch für die aufkommende Hippie-Kultur.
Ein Kriegsfreund als Hippie-Ikone
Zappa bewohnt Mitte der 1960er Jahre mit seinen Anhängern ein Haus, das unter dem Namen „Log Cabin“ (Blockhaus) bekannt wird und sich im Herzen des Laurel Canyon, an der Kreuzung Laurel Canyon Boulevard und Lookout Mountain Avenue, befindet.
Dort hält der heimliche Pate des Tales Hof und empfängt so gut wie jeden Musiker, der bis Ende der Sechziger in den Canyon kommt. Viele nimmt er bei seinem Plattenlabel unter Vertrag, einige – wie Schockrocker Alice Cooper – werden später Superstars. (Neuer Musik-Code Trailer: Frequenzen, Agenden und Geheimdienste – zwischen Bewusstsein und Sex, Drugs und Mind Control)
Nikolas Pravda schreibt in seinem Buch „Der Musik-Code“:
Zappa und manche Mitglieder seiner großen Gefolgschaft wirken auch vorbildhaft für den typischen Look und die Einstellung der „Hippie“-Gegenkultur (obwohl der Zappa-Clan den Ausdruck „Freak“ vorzieht). In der „Log Cabin“ praktizierte man eine frühe Version des Kommunenlebens.
Eine ganze Menge Mitläufer bewohnen Zimmer im Haupt- und im Gästehaus, hausen aber auch in den merkwürdigen Höhlen und Tunnels, die unter dem Grundstück liegen. Und wer sich unter einem „Blockhaus“ vielleicht ein idyllisches Häuschen vorstellt, liegt völlig daneben:
Das riesige Gebäude hat fünf Stockwerke und ein 200 Quadratmeter großes Wohnzimmer mit drei gewaltigen Kronleuchtern und einem steinernen Kamin, der vom Boden bis zur Decke reicht. So sehr Zappa (der interessanterweise zur Wintersonnenwende 1940 zur Welt kam) die „Hippie“-Kultur auch mitprägt und sich mit ihr umgibt, so wenig macht er ein Geheimnis daraus, welch tiefe Verachtung er für sie empfindet.
Angesichts der Tatsache, dass Zappa zahlreichen Berichten zufolge ein streng autoritärer Kontrollfreak und Unterstützer von US-Militäraktionen in Südostasien war, ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass er keine Verwandtschaft mit der Jugendbewegung empfinden würde, die er pflegte.
Und man kann wahrscheinlich mit Sicherheit sagen, dass Zappas Vater auch wenig Rücksicht auf die Jugendkultur der 1960er Jahre hatte, da Francis Zappa, falls Sie es sich fragen, ein Spezialist für chemische Kriegsführung war – wo sonst? Beim „Edgewood Arsenal“.
„Edgewood“ ist natürlich die langjährige Heimat des amerikanischen Programms zur chemischen Kriegsführung sowie eine Einrichtung, die häufig als tief in die MKULTRA-Operationen verstrickt bezeichnet wird.
Seltsamerweise wuchs Frank Zappa buchstäblich im „Edgewood Arsenal“ auf, nachdem er die ersten sieben Jahre seines Lebens in Militärunterkünften auf dem Gelände der Einrichtung verbracht hatte.
Die Familie zog später nach Lancaster (Kalifornien) in die Nähe der „Edwards Air Force Base“, wo Francis Zappa sich weiterhin mit geheimen Arbeiten für den Militär- / Geheimdienstkomplex beschäftigte. Sein Sohn bereitete sich unterdessen darauf vor, eine Ikone der Love-and-Peace-Bewegung zu werden. Auch hieran ist vermutlich nichts Ungewöhnliches.
Doch so sehr Zappa die Hippie-Bewegung mitprägt, so tief verachtet er sie doch im Innersten seines Herzens. Den Vietnamkrieg heißt er explizit gut, was nicht verwundern darf, schaut man sich seinen familiären Hintergrund an: Vater Francis, ein Sohn neapolitanischer Einwanderer, arbeitet beim Edgewood Arsenal in Maryland.
Dort führt das US-Militär zwischen 1948 und 1975 Versuche an Soldaten durch, um chemische Kampfmittel zu testen. Eine Abteilung beschäftigt sich auch mit psychochemischer Kriegführung, auch „Drogenwaffen“ genannt.
Vieles spricht dafür, dass jener Teilbereich zu MK-Ultra gehörte. Unter diesem Decknamen führte die CIA von 1953 bis in die 1970er Jahre (womöglich auch länger) an 44 Universitäten, zwölf Krankenhäusern, drei Gefängnissen und 15 nicht näher benannten Einrichtungen Forschungen zur „Vorhersage, Steuerung und Kontrolle des menschlichen Verhaltens“ durch, wie es der Geheimdienst formulierte.
Experimentiert wurde unter anderem mit LSD. Damit kennt sich auch Sohn Frank gut aus – und das nicht nur, weil er quasi im Edgewood Arsenal aufgewachsen war.
Der Manager, der im Kongo wütete
Noch undurchsichtiger als Zappa selbst ist dessen Manager: Herb Cohen. Mit seinem Bruder Mutt war er vorher aus der New Yorker Bronx nach L. A. gezogen – kurz bevor die Musik- und Clubszene dort regelrecht aufblühte.
Auch Cohen hat eine interessante Militärvergangenheit: Er war US-Marine und hatte vor seiner Ankunft im Laurel Canyon ein paar Jahre die Welt bereist. Eine dieser Reisen führte Cohen 1961 in den Kongo – und zwar genau zu der Zeit, als dort der den USA unbequeme Ministerpräsident Patrice Lumumba mithilfe der CIA entmachtet, gefoltert und ermordet wurde.
Hatte Cohen dabei seine Finger im Spiel? Angeblich nicht. Vielmehr soll sich Cohen im Kongo aufgehalten haben, um Lumumba Waffen zu besorgen und „gegen die CIA zu arbeiten“, wie einer seiner Biografen schreibt.
Ob das jedoch der übliche Job für US-Marines bei Auslandseinsätzen ist, darf allerdings stark bezweifelt werden…
Die Navy-Connection
Zurück zu Frank Zappa: Nicht nur er, sondern auch seine Frau Gail, die vor der Ehe mit dem Musiker Adelaide Sloatman hieß, stammt aus einer Familie hochrangiger Navy-Offiziere.
Ihr Vater arbeitete beispielsweise sein ganzes Berufsleben an geheimen Atomwaffenprojekten. Gail selbst war eine Zeitlang als Sekretärin im Office of Naval Research and Development angestellt. In einem Interview behauptete sie, „ihr ganzes Leben lang Stimmen gehört“ zu haben.
Gail Zappa kam fast zeitlich mit Jim Morrison, dem charismatischen Frontmann von The Doors, im Laurel Canyon an. In ihrer Kindheit waren beide in denselben Navy-Kindergarten gegangen, hatten später dieselbe High School in Alexandria, Virginia, besucht.
Und hier schließt sich der Kreis, denn Morrisons Vater, Navy-Admiral George Stephen Morrison, hatte das Kommando über jene Schiffe, die im August 1964 in den fingierten Tonkin-Zwischenfall verwickelt waren, mit dem sich die USA in den Vietnamkrieg bugsierten.
Mehr zu den Verstrickungen von Militär, Geheimdiensten und MK-Ultra in die Hippie-Bewegung lesen Sie in der Mai-Ausgabe von COMPACT mit dem Titelthema „Geheimakte Beatles – Die dunkle Seite der Pop-Titanen“.
Wie der Tiefe Staat die Musikindustrie schon seit den 1960er Jahren unterwandert. Spannend wie ein Thriller, aber höchst real. Hier bestellen.
Frank Zappa, musikalisches Genie und Kontrollfreak in einer Person, war auch ein absoluter Perfektionist, was seine Musik anbelangt. Jimmy Carl Black, ehemaliger Schlagzeuger bei dem Mothers, bestätigte das mit Worten, dass Zappa wie ein komplettes A….loch oder ein Kleindiktator agierte, der keinen Widerspruch duldete, wenn es um seine musikalische Virtuosität ging. Trotzdem, ich liebe Frank Zappa, er hat mich auf musikalischer Ebene stark mitgeprägt.