Immer mehr russische Journalisten und Experten äußern sich deutschlandkritisch. Inzwischen fallen auch recht harsche Töne, die an die Ressentiments in und nach den Zeiten des Zweiten Weltkrieges erinnern. Ob die Beziehungen zu Deutschland nun irreparabel geworden sind, darüber sprach RT mit dem russischen Deutschland-Experten Alexander Kamkin.
Der bekannte russische Experte und Radiomoderator Jewgeni Satanowski erklärte kürzlich, dass Putin „von allen, die wir haben“, der am meisten prowestlich gesinnte Politiker sei. Wer auch immer sein Nachfolger werde, der werde seinen Zorn gegenüber Deutschland nicht zurückhalten. Damit bezog sich Satanowski auf die öffentliche Verärgerung über die proukrainische Politik Deutschlands, die jüngst in dem Beschluss der Bundesregierung mündete, an die Ukraine tödliche und schwere Waffen zu liefern.
Er sagte:
„Abgesehen von Putin gibt es im Moment nichts, was den Instinkt des größten Teils der Bevölkerung des Landes, in dem ich lebe, bremsen könnte, dass es kein Deutschland mehr geben wird. Und dass, wenn nötig, alle Länder in Europa, die jetzt Waffen an die Ukraine liefern, in einen flachen, leicht geschmolzenen Ort verwandelt werden sollten. Den Menschen wird jede Möglichkeit gegeben, in Frieden zu leben. Und dann liefern sie Waffen in die Ukraine, die unsere Leute töten sollen? Die Ukraine ist unsere Familienangelegenheit, keine europäische Angelegenheit.“
Über eine mögliche Verschiebung im öffentlichen Bewusstsein in Russland gegenüber Deutschland und anderen westlichen Staaten sprachen wir mit Alexander Kamkin, einem der führenden russischen Deutschland-Experten und wissenschaftlichen Mitarbeiter der Russischen Akademie der Wissenschaften.
RT: Können Sie einen solchen Bewusstseinswandel in der russischen Öffentlichkeit bestätigen oder handelt es sich um die private Meinung eines voreingenommenen Experten?
Alexander Kamkin: „Satanowski hat gewissermaßen Recht. Viele in Russland verstehen nicht, warum der Westen und insbesondere Deutschland, wo Rechtsradikale von der Politik, den Medien und der Zivilgesellschaft verfolgt werden, in Bezug auf die Neonazis in der Ukraine auf dem ‚rechten Auge‘ blind sind. Die Fackelzüge der Bandera-Anhänger finden in der Ukraine seit vielen Jahren statt, und die deutschen Medien haben das nie irgendwie erörtert oder kritisiert. Das Gleiche gilt für das Erwachen des Neonazismus in den baltischen Staaten.
Es geht um eine ganz markante doppelte Moral. Die Position Deutschlands – insbesondere nach dem Beginn der Sonderoperation Russlands – wird von vielen Leuten in Russland kritisiert. Gerade die Worte des Bundeskanzlers Olaf Scholz, die er bei seinem vorläufig letzten Treffen mit Wladimir Putin machte – nämlich: er glaube nicht, dass im Donbass ein Völkermord passiere – hat Stimmungen erzeugt, die kritisch gegenüber Deutschland und gegenüber Scholz sind. Damit kann man sagen, dass die Position von Herrn Satanowski nicht die Position eines politischen Einzelgängers ist. Die antideutschen Stimmungen haben schon etwas zugenommen. Eine in Moskau lebende deutsche Bekannte von mir sagt, dass die Leute nicht besonders freundlich gucken, wenn sie hören, dass jemand auf Deutsch redet.
Auch die Trennung von Deutschland und Russland spielt eine Rolle. Viele deutsche Firmen verlassen den russischen Markt, und das macht die russischen Arbeiter dort arbeitslos. Das macht die antideutschen Stimmungen noch intensiver.
Satanowski hat auch insofern Recht, dass Putin tatsächlich ein ‚Westler‘ ist. Er ist ein prodeutscher Politiker, und ein Traum von Wladimir Putin war und ist eine stabile und strategische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland. Aber da das heutige Deutschland ein Vasallenstaat der USA ist, kann man von einer strategischen Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Russen leider derzeit nicht reden.
Deutschland bleibt im Fahrwasser des ‚großen Bruders‘ in Washington. Sogar in den besten Jahren der deutsch-russischen Beziehungen, beispielsweise im Jahre 2011, haben die Vertreter der CDU gesagt, die Beziehungen zu Russland dürfen das Verhältnis zu den USA nicht verschlechtern, also die politische Elite Deutschlands hatte ihre Wahl schon vor vielen Jahren getroffen.“(Achtung! Womit könnte Deutschland konfrontiert sein, wenn die Ukraine-Operation beendet ist)
RT: Gilt diese kritische Haltung gegenüber dem Westen allgemein oder unterscheiden die Russen irgendwie etwas im Vergleich zwischen Deutschland und den anderen Staaten?
Alexander Kamkin: „Natürlich liegt es auf der Hand, dass antiwestliche Stimmungen in Russland zugenommen haben. Es gibt im kollektiven Bewusstsein die Vorstellung über den sogenannten kollektiven Westen. Was gerade Deutschland angeht, ist dieses Land in einer heiklen Lage – wegen des Großen Vaterländischen Krieges. Die Unterstützung der Nazis in der Ukraine – reden wir mal Klartext – hat in der russischen Gesellschaft diesen Phantomschmerz des Großen Vaterländischen Krieges wiedererweckt und historische Vorurteile gegenüber Deutschland wiederbelebt. Aber im Allgemeinen sind es eher antiwestliche Stimmungen und nicht speziell antideutsche Stimmungen.“
RT: Können Sie in den deutsch-russischen Beziehungen so etwas wie einen Punkt erkennen, ab dem es kein Zurück mehr gibt?
Alexander Kamkin: „Diesen ‚Point of no Return‘ gibt es, und das ist natürlich die Entscheidung der Bundesregierung, schwere Waffen an die Ukraine zu liefern. Es geht um Kampf- oder Transportpanzer Marder, Flak-Panzer Gepard und andere Militärfahrzeuge. Man sollte zwar bedenken: sie sind nicht von der höchsten technischen Qualität. Das sind veraltete Panzer, sie wurden in den 1960er und 1970er Jahren entwickelt und hergestellt. Man muss aber sagen, dass Deutschland erpresst wurde, und die Zögerlichkeit von Olaf Scholz wurde vielfach kritisiert, auch von vielen anderen NATO-Staaten.
Das waren Zwang und Erpressung von der Seite der Angelsachsen. Die deutsche Bevölkerung will keinen Krieg gegen Russland, aber die in Deutschland tätigen Konzernmedien verbreiten diese antirussische Hysterie, und das alles führt zu der brisanten Verschlechterung der deutsch-russischen Beziehungen.“
RT: Deutsche Analysten schreiben, „Russlands Angriff auf die Ukraine war objektiv betrachtet ein schwerer Fehler“. Kann man in solch verfahrener Situation, in der sich die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen schon seit vielen Jahren befinden, überhaupt über Fehler reden, auch angesichts der rhetorischen Zuspitzung und gegenseitigen Drohungen?
Alexander Kamkin: „In dieser Situation war Russland im Zugzwang, wie man das im Schach nennt. Die Militäroperation Russlands war unausweichlich. Natürlich war es nicht die beste Lösung. Aber in diesem Zusammenhang und unter diesen Bedingungen, die im Februar existierten, war es die einzige Lösung. Die USA und die anderen NATO-Staaten haben Russland lange provoziert: durch Biolaboratorien, durch die Unterstützung der ukrainischen Militäroperation gegen den Donbass, die in Russland im Endeffekt als Völkermord angesehen wird, durch das Tolerieren oder gar die Förderung der Neonazis in der Ukraine und schließlich durch Spekulationen über die Atomwaffenherstellung in der Ukraine.
Wenn das nachgewiesen wird, dass die Ukraine den Angriff auf den Donbass in Februar/März geplant hatte, dann wird jedem klar, dass dies die einzige Lösung war. Natürlich war es eine geopolitische Provokation, die von den USA geplant wurde. Und das Endziel dieser Provokation in der Ukraine ist die Schwächung der Europäischen Union und Russlands, die strategische Einkesselung Russlands und eine neue Aufteilung der Welt in den Zeiten der Postglobalisierung.
Das wird dazu führen, dass aus der jetzigen Weltordnung zwei, drei Megablöcke entstehen: Ein transatlantischer Megablock zusammen mit Australien und Neuseeland, dann sicherlich ein Indopazifischer Block: Russland, China, Iran, Zentralasien inklusive, vielleicht auch die Türkei, wobei die Rolle Indiens auch noch unklar ist. Wie aber Professor Klaus Schwab in Davos sagte: ‚Die Welt wird nie wieder, wie sie war.‘ Die Ukraine-Krise ist ein Katalysator, der zur Umformatierung der globalen Weltordnung führen wird.“
RT: Sie haben jetzt ein großes Gemälde an die Wand gemalt und dabei Deutschland als Vasallenstaat bezeichnet. So stellt man Deutschland aber ein bisschen als Opfer und gar nicht als Akteur dar. Deutschland verfolgt doch auch seine eigenen Interessen in der Ukraine, oder?
Alexander Kamkin: „Wenn wir von der Bundesregierung sprechen, werde ich vielleicht sogar im Satanowski-Stil reden. Aber die deutschen Politiker sind in Wirklichkeit die ’nützlichen Idioten‘, die von den US-Amerikanern in diese Situation gelenkt wurden. Und jetzt sitzen sie da – mit hohen Inflationsraten, mit steigenden Preisen für Lebensmittel und für Rohstoffe – und wollen sich jetzt auch noch vom russischen Erdgas lossagen. Ich sehe Deutschland als Opfer dieser dummen Politik in Berlin, ganz im US-Interesse. Deswegen rede ich vom Vasallenstaat der USA.“ (Feindstaat Deutschland – Kein Friedensvertrag, aber Einbindung in die US- und NATO-Aggression)
RT: Immer wieder tauchten im Netz Bilder vom ukrainischen Wappenzeichen Dreizack auf einem Wohnhaus im Berliner Stadtteil Wilmersdorf auf. Und immer wieder fragen sich die Nutzer, was es damit auf sich hat. Recherchen zeigen, dass in diesem Haus seit dem Jahre 1929 das Pressebüro der Organisation der ukrainischen Nationalisten (OUN) untergebracht war. Das ist nur ein Beleg unter vielen für ein historisch enges Verhältnis zwischen Deutschland und dem ukrainischen Nationalismus. Warum wird diese Verbindung jetzt wiederbelebt? Wobei Deutschland die nazistischen Triebe in der Ukraine verschweigt – statt darüber aufzuklären – und ausgerechnet Russland auf anmaßende Art und Weise auch noch angeblichen Faschismus vorwirft. Es wird alles ins Gegenteil umgedeutet.
Unterwegs in #Berlin #Wilmersdorf: Ein Haus mit dem ukrainischen Wappenzeichen #Tryzub an der Fassade 🇺🇦
Was ist die Geschichte dahinter?@stadtleben pic.twitter.com/vKA5OqJR2h— BerlinKa (@berlinka_lg) October 27, 2018
Alexander Kamkin: „Die Frage der Ukraine und die Rolle der Ukraine in den Beziehungen zwischen dem Westen und Russland ist wirklich eine sehr heikle und auch sehr wichtige Frage. Der größte Sieg des Westens beim Zerfall der Sowjetunion war die Unabhängigkeit der Ukraine. Die Ukraine als unabhängiger Staat oder unabhängiges Territorium ist die Achillesferse Russlands. Das moderne Phänomen der Ukraine wurde im Wesentlichen vom österreichischen Geheimdienst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfunden, und der Ukrainische Nationalismus wurde dann im ‚Dritten Reich‘ von den Deutschen benutzt. In den Plänen der Nazis spielte die Ukraine für die Teilung und Unterwerfung der Sowjetunion die zentrale Rolle.
Von Anfang an bildeten die Nazis für das Massakrieren der Zivilbevölkerung die sogenannten ‚Schutzmannschaften‘ aus den Ukrainern und setzten auf Kollaboration mit militärischen Verbänden der ukrainischen Nationalisten – bis hin zur Schaffung der SS-Division Galizien. Es gab auch Ideen eines ukrainischen Protektorats, die allerdings später verworfen wurden. Nach dem Krieg ließ sich der Führer der ukrainischen Nationalisten Stepan Bandera in München nieder, wo er später auch umgebracht wurde.
Heute ist Deutschland in die gemeinsame NATO-Politik und die Politik des Westens in der Ukraine eingebunden. Es gibt ein wichtiges historisches Dokument, das vom US-Kongress in den 1950er Jahren verabschiedet wurde. Es ist das Public Law 86-90, das Gesetz über unterjochte Völker, und der Grundgedanke in diesem Dokument ist identisch mit dem ‚Generalplan Ost‘ der deutschen Nazis. Es heißt dort, die Russen seien Besatzer von Territorien der Nationalrepubliken, und die Völker der Sowjetunion müssten das Joch der Großrussen abwerfen.
So haben der Westen und auch die Bundesrepublik Deutschland als US-Vasallenstaat antisowjetische und russophobe Organisationen unterstützt, in erster Linie die ukrainischen und baltischen Nationalisten mit Nazi-Vergangenheit. Seit Anfang der 1990er Jahre kehrten diese Neonazis aus dem Exil nach Kiew, nach Vilnius, nach Tallinn zurück. In den folgenden Jahrzehnten haben sie das Massenbewusstsein ihrer Länder im Sinne ihrer Ideologie transformiert.
Die russische Diplomatie machte in diesem Zusammenhang einen großen Fehler. Wir haben zu lange einfach nicht reagiert, und die Wurzeln des Neonazismus im Baltikum und in der Ukraine wurden einfach zu spät entdeckt. Oder ihre Bedeutung wurde zu spät wahrgenommen. Aber lieber später als nie, der Kampf geht weiter, und es geht bei diesem Kampf um die Existenz Russlands als Staat, als Zivilisation.
Es geht nicht nur um die Sonderoperation, es ist nur ein Schritt für den Schutz der russischen Zivilisation und der globalen Welt gegen diesen Schurkenstaat USA, der eigentlich die Rolle eines Banditen in der Weltpolitik spielt.“
RT: Es scheint so, dass bei vielen Experten in Russland die Dämme gebrochen sind und sie zunehmend Klartext reden: „Schurkenstaat“, „Vasallenstaat“. Noch vor einigen Monaten hat man sich viel diplomatischer ausgedrückt. Können Sie dem zustimmen?
Alexander Kamkin: „Ja.“ (nickt)
RT: Alles deutet auf eine weitere Verschlechterung der deutsch-russischen Beziehungen hin. Die Operation läuft noch, und wir wissen nicht, was noch kommt. Gibt es noch etwas, woran wir uns festhalten können – etwas, was uns vor einem völligen Bruch bewahrt? In der Vergangenheit waren es zumindest die Energieversorgung und wirtschaftliche Interessen. Das scheint alles der Vergangenheit anzugehören.
Alexander Kamkin: „Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und Deutschland werden nicht komplett auf Eis gelegt. Jetzt reden die deutschen Politiker der etablierten Parteien über den Verzicht auf russisches Gas. Aber der Winter kommt, und die Bundesbürger werden am eigenen Leibe spüren, wie teuer diese ‚Politik der Werte‘ ist. Das russische Erdgas kann man nicht einfach spontan durch andere Quellen ersetzten, Windenergie hat schon ihre Grenzen erreicht. Die Flächen für Windkraftwerke werden zu knapp.
Die Absage an Kohle führt dazu, dass das Gewicht von Erdgas zunehmen wird. Was Wasserstoff angeht, ist es unklar, ob Wasserstoff wirtschaftstauglich ist. Wenn man es wie das Erdgas durch Rohre transportieren will, dann bedeutet das, dass man die Rohleitungen, die Speicherräume neu bauen muss. Die Pipelines und Speicherräume für Erdgas taugen für Wasserstoff nicht, weil die Dichte von Wasserstoff komplett anders ist. Das kostet nicht einmal nur Milliarden, das kostet Trillionen Euro.
Im Endeffekt brauchen Deutschland und andere europäische Staaten russische Rohstoffe, ohne die ihre Wirtschaft nicht konkurrenzfähig bleibt. Das werden die europäischen Politiker bestimmt einsehen, vielleicht erst im nächsten Jahr oder vielleicht sogar schon früher. Man muss den Draht zwischen Moskau und Berlin behalten, und davon reden auch ehemalige Politiker, wie z. B. Gerhard Schröder oder Oskar Lafontaine – und deshalb sind sie jetzt Objekte für die Hetze von den Medienterroristen, wie man sie korrekt beim Namen nennen kann (der Begriff ‚Lügenpresse‘ unter deutschen Dissidenten kommt ja nicht von ungefähr).
Tatsächlich wird nicht nur in Deutschland, sondern wird auch in anderen westlichen Staaten eine globale Lügenkampagne gegen Russland und gegen prorussische Politiker geführt: gegen Gerhard Schröder, Marine Le Pen oder gegen andere europäische Vertreter von nationaler Souveränität, die gegen dieses globale Diktat des global agierenden Schurkenstaates handeln oder öffentlich polemisieren.
Und so wird es weitergehen. Und ich bin mir sicher, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland doch auf einer gewissen Ebene verbleiben. Ein totaler ‚Eiserner Vorhang‘ stört sowohl unseren Staat als auch den deutschen Staat.“
…
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Quellen: PublicDomain/de.rt.com am 04.06.2022
meine Rede!
Putin hatte in der DDR in Dresden auf der Offiziersschule gelernt,er war auch bei Meininingen in Thüringen dort auf dem russischen Stützpunkt stationiert und soll wohl auch gerne in den Dörfern dort bekannt gewesen sein und gerne mitgefeiert bei diversen Veranstaltungen usw. Er hat somit noch eine Bindung zu den Deutschen, dies wird sein Nachfolger nicht mehr haben!