Alternatives Leben: Ratgeber Saatgut – von Pflanzensamen und Pflanzenvielfalt

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Selbst gezogenes Gemüse aus dem Garten oder vom Balkon liegt voll im Trend. Doch wer sich für den Eigenanbau entscheidet, benötigt auch das passende Saatgut. F1-Hybride, Bio-Saatgut, alte Sorten, Samenfestigkeit und Resistenzen – dieser Ratgeber bringt Licht in den Dschungel der Begriffe, die für den erfolgreichen Anbau wichtig sind.

Immer mehr Menschen interessieren sich dafür, zumindest einige Gemüse und Salate selbst anzubauen. Es macht Freude und bringt die Natur wieder ein Stück näher, die Stadtbewohner oft vermissen. Auch vertrauen viele den konventionellen Supermarktgewächsen nicht, fürchten die Wirkung zu vieler Pestizide oder finden die immer gleichen Sorten einfach langweilig.

Es gibt viele gute Gründe, es mit ein wenig Selbstversorgung zu versuchen. Dafür braucht es nicht einmal einen Garten, auch auf Balkon und Terrasse kann man Gemüse und Salate erfolgreich in Pflanzkübeln und Balkonkästen anbauen. Zu alledem benötigen wir jedoch Saatgut, das der Markt uns immerhin in großer Vielfalt anbietet.

Saatgut für den Eigenanbau aus dem Supermarkt?

Die einfachste Art, Samen für die Selbstversorgung zu beschaffen, ist der beiläufige Einkauf beim Supermarkt oder Discounter. Zur üblichen Aussaatzeit erscheinen dort große Ständer mit Samentütchen, die – von Aubergine bis Zucchini – eigentlich alles zu bieten scheinen, was das Gärtner- und Balkongärtnerherz begehrt. Wer sich hier bedient, bekommt die Sämereien meist sehr preiswert und wird durchaus ernten können:

Schließlich sind die angebotenen Sorten für den Massenmarkt gedacht und wenn die Samen nicht auch keimen würden, wäre das für die Anbieter ein Flop und würde künftige Kunden verschrecken.

Allerdings: Wer bereit ist, einigen Aufwand zu treiben, um selbst Gemüse groß zu ziehen, das sich vom Supermarkt-Einerlei unterscheidet, wird sich auch über die Wahl geeigneter Samen Gedanken machen.

Die Auswahl im Supermarkt ist meist recht beschränkt und Infos über Herkunft und Züchtung bekommt man fast nie. Es werden vor allem Hybrid-Samen angeboten, die man nicht wieder selbst vermehren kann. Und manchmal sind die Tütchen auch schon ein wenig älter und deshalb besonders billig.

Tipp: Achten Sie auf jeden Fall auf das Verfallsdatum, wenn Sie sich für Samen aus dem Supermarkt entscheiden! Frisches Saatgut keimt am besten. Je älter es ist, desto mehr lässt die Keimfähigkeit nach (10 alte Gemüsesorten, die wieder in Ihren Garten zurückkehren sollten).

Samenqualitäten, Kriterien der Wahl für den Eigenanbau

Preis und Frische des verwendeten Saatguts sind zwar leicht feststellbare Kritierien, jedoch für engagierte Selbstversorger lange nicht ausreichend. Um gesunde Pflanzen heran zu ziehen, die zum Standort passen, sich gut entwickeln und möglichst nicht kränkeln, sind weitere Aspekte und Kriterien zu bedenken, die wir im Folgenden darstellen.

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Hybride Samen oder samenfeste Sorten?

Die meisten Samentütchen, die wir z.B. in Supermärkten oder Gartencentern vorfinden, sind sogenannte F1-Hybride. „Hybrid“ bedeutet auf gut deutsch „Mischling“ und bezeichnet Saatgut, das durch Kreuzung verschiedener Gattungen, Arten, Unterarten bzw. Zuchtlinien gewonnen wurde.

So werden Pflanzen erzeugt, die ganz bestimmte Eigenschaften ihrer beiden Elternlinien in sich vereinigen, z.B. ein bestimmtes Aussehen oder eine Resistenz gegen eine bestimmte Krankheit. Konventionelles Gemüse, wie wir es in den Supermärkten finden, wäre ohne Hybride kaum mehr denkbar, denn die Gleichförmigkeit all dieser Sorten wäre anders nicht zu gewährleisten.

Hybrides Saatgut hat allerdings auch Nachteile:

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Instabiles Saatgut: Aus den Früchten der ersten Generation (F1-Hybride) lassen sich nicht wieder Samen mit genau denselben Eigenschaften ziehen. Was bei der F2-Generation heraus kommt, ist unsicher: Mal werden einige der ursprünglichen Eigenschaften wieder verschwinden, andrerseits wird man Eigenschaften der „Großeltern“ wieder finden, die die F1-Generation nicht zeigte. Hybride sind also nicht „samenfest“, was auch dem Geschäftsmodell konventioneller Züchter entspricht, denn das Saatgut muss von den Gemüsebauern jedes Jahr erneut gekauft werden.

Fragwürdige Folgefrüchte: Wer dennoch Hybridsamen weiter verwendet und „auf gut Glück“ weitere Generation erzeugt, kann auch recht gefährliche Ergebnisse bekommen. Wenn nämlich die Ursprungslinien noch Giftstoffe enthielten, die die F1-Generation nicht ausgebildet hat, kann es gut sein, dass eine Folgegeneration das Pflanzengift wieder enthält. So kam 2015 sogar ein Rentner zu Tode, der giftige Zucchini aus dem Garten verspeist hatte.

Weniger Geschmack: Hybride Pflanzen sind auf optimale Optik, Größe, Farbe und Form gezüchtet, auch die Haltbarkeit spielt für den Handel eine große Rolle. Darüber geraten dann Kriterien wie Geschmack und Nährstoffvielfalt ins Hintertreffen, denn leider kann man nie alles haben. Die „eierlegende Wollmilchsau“ gibt es auch bei Pflanzen nicht. Ein Beispiel sind Brombeeren ohne Stacheln oder ganzjährig fruchtende Erdbeeren: ihre Besonderheiten bezahlt man mit deutlich weniger intensivem Geschmack. Dasselbe passiert bei ganz „normalen“ Gemüsesorten, die als F1-Hybrid-Saat angeboten werden: hoher Ertrag und große Früchte mit guter Haltbarkeit, aber geschmacklich eher suboptimal.

Manchmal gentechnisch erzeugt: Das Saatgut für den konventionellen Anbau wird oft nicht mehr im Wege traditioneller Züchtung gewonnen. Moderne Züchtungsprozesse greifen zur Beschleunigung der Zucht auch auf biotechnologische Verfahren zurück. Viele Selbstversorger und Privatgärtner lehnen jegliche „grüne Gentechnik“ ab und meiden deshalb sicherheitshalber auch Hybrid-Saatgut, das nicht explizit als „bio“ gekennzeichnet ist.

Ökologisch erzeugtes Bio-Saatgut oder konventionelle Samen?

Gemüse, Salate und Beeren aus eigenem Anbau sollen nach dem Wunsch vieler Gartenfreunde „100% bio“ sein: ohne chemisch-synthetische Spritzmittel, ohne Kunstdünger und Gentechnik-frei erzeugt. Nach den Regeln des Biolandbaus muss dafür grundsätzlich auch das Saatgut bereits ökologisch produziert worden sein.

Aber warum überhaupt Bio-Samen? Genügt es nicht, die Pflanzen biologisch anzubauen und zu pflegen? Der Grund ist die Herkunft und Behandlung der Mutterpflanzen, die im konventionellen Anbau mit chemisch-synthetischen Pflanzenschutz- und Düngemitteln behandelt wurden. Das heißt, dass sie unter ganz anderen Bedingungen herangewachsen sind als im biologischen Anbau und sich ihr Wachstumsverhalten verändern kann.

Meist werden die Samen auch in warmen Regionen unter besten Wachstumsbedingungen gewonnen, quasi „verwöhnt“ bis zum Abwinken. Für den Eigenanbau in unseren Breiten ist es daher am allerbesten, Biosamen aus der Region zu verwenden, die an die örtlichen Verhältnisse bestens angepaßt sind.

Welches Bio-Siegel ist das Richtige?

Nun ist „bio“ allerdings nicht gleich „bio“. Es gibt verschieden strenge Vorgaben an die Herstellungsbedingungen des jeweiligen Saatguts, das sich mit einem bestimmten Siegel schmücken darf. Am wenigsten streng ist – wen wundert’s! – das EU-Bio-Siegel, das die Einhaltung der EG-Öko-Verordnung bestätigt. Alle in der EG als „bio“ gehandelten Saaten und Gemüse müssen zumindest diesen Anforderungen genügen. Die Betriebe müssen sich entsprechend kontrollieren lassen.

Mit dem grünen Sechseck (alte Version) und dem hübschen grünen Sterneblatt (neue Version) darf sich allerdings schon Saatgut schmücken, deren Mutterpflanzen nach biologischen Richtlinien angebaut wurden. Ein nur einmaliger Bio-Anbau macht es zur Bio-Saat. Eine Sorte braucht jedoch viele Jahre, um sich an biologische Methoden zu gewöhnen. Deshalb versuchen engagierten Züchter möglichst viele biologische Vermehrungsstufen voranzustellen, bevor der Samen in den Verkauf kommt.

Des weiteren erlaubt das EU-Siegel das sogenannte „CMS-Saatgut“ (cytoplasmatische männliche Sterilität). Zu dessen Erzeugung kommen Zellfusionstechniken zum Einsatz, die zwei artfremde Zellen miteinander verschmelzen. Anbauverbände wie Bioland, Demeter oder Naturland sehen darin mindestens eine Vorstufe zur Gentechnik und lehnen das Verfahren daher ab.

Es würde zu weit führen, sämtliche Details aller Bio-Siegel hier zu diskutieren. Strenger als die EU-Öko-Verordnung (die sich derzeit in Revision befindet) sind jedenfalls die großen, klassischen Siegel des ökologischen Landbaus wie z.B. Demeter, Bioland und Naturland. Weitere Bio-Siegel kommen von kleineren Verbänden oder sind regional relevant. Einen Katalog mit allen gängigen Bio-Siegeln finden Sie auf Biodukte.de.

Wo kauft man Bio-Saatgut?

Der NABU pflegt eine Liste mit Bezugsquellen für Bio-Saatgut, darunter so bekannte Adressen wie „Bingenheimer Saatgut“, „Dreschflegel“ und „Bio-Saatgut“.

Tipp: Beachten Sie bei Online-Bestellungen, dass bei Kleinstbestellungen von nur wenigen Samen die Portokosten überproportional zu Buche schlagen. Also immer auch die Versandbedingungen genau studieren!

Saatgut und Krankheiten: Tolerant, widerstandsfähig oder resistent?

Grundsätzlich gibt es zwei Ziele, auf die Saatgutzüchter hinarbeiten: Entweder es soll die Widerstandsfähigkeit bzw. Immunität gegen ganz bestimmte Krankheiten eingezüchtet werden oder die Pflanzen sollen insgesamt kräftig und wenig anfällig sein. Insbesondere bei konventionellen, aber auch bei biologisch produzierten Samen finden sich auf den Tütchen gelegentlich Angaben zur Anfälligkeit der jeweiligen Gemüsesorte.

Zumeist sind es drei Bezeichnungen, die man häufig vorhindet:

  • Tolerante Sorten können zwar von bestimmten Schädlingen befallen werden, doch bleibt die Schädigung eher gering.
  • Widerstandsfähige Sorten sind im Vergleich zu anderen Sorten weniger anfällig. Zum Beispiel könnte das Fruchtfleisch der Sorte härter oder fester sein, sodass ein Befall erschwert ist. Um eine genetische Resistenz handelt es sich jedoch nicht.
  • Resistente Sorten sind gegen bestimmte Krankheiten weitestgehend immun, Wachstum und Ertrag werden nicht beeinträchtigt.

Tipp: Dass eine Pflanze gegen Krankheit X wenig anfällig oder gar resistent ist, heißt nicht, dass sie nicht von einer anderen Krankheit bzw. einem anderen Schädling dahin gerafft werden kann. Es empfiehlt sich also, eher ganzheitlich zu denken: zum Standort passendes Saatgut, Bodenverbesserung, sinnvolle Düngung und gute Pflege bringen das beste Ergebnis.

Alte Sorten: die spannende Alternative für den Eigenanbau

Als Alternative zu neueren Züchtungen erleben derzeit die „alten Sorten“ eine kleine Renaissance bei vielen, die ihr Gemüse wieder selber anbauen. Das ist eine schöne Entwicklung, die dem Erhalt der Pflanzenvielfalt dient, die mehr und mehr unter die Räder zu kommen drohte.

Warum? Die industrialisierte Landwirtschaft hat über Jahrzehnte nur noch gezüchtet, was verlässlich hohe Erträge bringt und sehr gleichförmig wächst. Der große Rest, die ursprüngliche Vielfalt der Sorten, geriet – fast – in Vergessenheit. An bestimmte Standorte besonders gut angepasste, robuste und schädlingsresistente Gemüse und Obstsorten gehen verloren, besonders schmackhafte Sorten verschwinden -. es sei denn, jemand „rettet“ sie.

Beispiele für alte Sorten sind etwa Bamberger Hörnchen, Mairübe oder die lila Rübe Purple Dragon, bei den Tomaten das Ochsenherz, Gardeners Delight, Gelbe Dattelweintomate und Rosii Marunte – man zählt bis zu 3000 Tomatensorten, die einst in Europa angebaut wurden. Vereine zur Erhaltung der alten Sorten wie z.B. VERN, Arche Noah, VEN und andere unterhalten Saatgut- bzw. Sortenarchive für alte und seltene Sorten. Wer einen eigenen Garten (oder Platz auf Balkon und Terrasse) hat, kann dort Saatgut oder Jungpflanzen bestellen und selbst alte und seltene Gemüse- und Obstsorten anbauen.

Wer alte Sorten anbaut, tut aber nicht nur etwas für die Artenvielfalt, sondern erschließt sich auch ganz neue bzw. in Vergessenheit geratene Genusswelten. Gelbe Tomaten, wilde Rauke, lila Rüben und andersfarbige kleine Kartoffeln schmecken auch anders und machen beim Essen mit Freunden durchaus einiges her! Einst fast vergessene Gemüse wie die Topinambur-Knolle bieten ein einzigartiges Geschmackserlebnis, das keinem anderen Gemüsegeschmack ähnelt. Es lohnt sich also, sich mit den „alten Sorten“ zu beschäftigen und Experimente zu wagen.

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Aktiv werden für die Pflanzenvielfalt: Alte Sorten erhalten

Wer sich für das Thema „alte Sorten“ begeistert, kann auch noch mehr tun als die Sorten selbst anzubauen und zu konsumieren. Um die alten Sorten zu erhalten, müssen sich engagierte Gartenfreunde darum kümmern, sie zu kultivieren und jedes Jahr aufs Neue samenfestes Saatgut der alten Sorten zu gewinnen. Organisiert wird die Erhaltungsarbeit über die Erhalterverbände (VERN, VEN, Arche Noah, Tomatenretter u.a.), die Paten für einzelne Sorten suchen bzw. den Aufbau von „Erhalterkreisen“ unterstützen.

Samen schenken und tauschen

Zu guter Letzt soll noch von einer Tradition die Rede sein, die unter Gartenfreunden immer schon gepflegt wurde: Das Verschenken und Tauschen von Pflanzensamen. Wer die Gelegenheit hat, samenfestes Saatgut aus der unmittelbaren Umgebung zu bekommen, das in den Gärten der Nachbarschaft schon mehrfach erfolgreich angebaut wurde, verfügt über eine der besten Quellen überhaupt!

Dank der Möglichkeiten im Internet sind auch viele Samentausch-Initiativen entstanden, die untereinander vielerlei Samen tauschen, sowohl von Obst und Gemüse als auch von Stauden, Sommerblumen und Wildplanzen. Das ist meist eine sehr preiswerte oder sogar kostenlose Variante, um an Saatgut zu kommen.

Tipp: Beachten Sie die jeweilige Klimaregion, aus der die Samen stammen! Was auf der warmen Insel Mainau oder im Rhein-Main-Gebiet hervorragend gedeiht, wird das rauere Klima im Norden nicht zwingend ebenso gut vertragen. Je mehr Beschreibung der „Mutterpflanze“ beim Samentausch übermittelt wird, desto eher lässt sich beurteilen, ob die Pflanze zum eigenen Garten bzw. in die eigene Region gut passt.

Literatur:

Frisches Gartengemüse auch im Winter: Anbau und Ernte 40 ausgewählter Kulturen

Der Selbstversorger: Mein Gartenjahr: Säen, pflanzen, ernten. Inkl. DVD und App zur Gartenpraxis: Storl zeigt, wie’s geht! (GU Garten Extra)

Meine kleine Farm: Anleitung für Selbstversorger

Quellen: PublicDomain/vivanno.de am 02.04.2021

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