Ich weiß nicht, was mit Navalny geschehen ist. Aber dass die von der Bundesregierung verbreitete Version einer Nowitschok-Vergiftung nicht stimmen kann, ist mittlerweile offensichtlich. Man wundert sich nur, dass die „Qualitätsmedien“ all die offen zu Tage liegenden Widersprüche nicht zur Kenntnis nehmen oder hinterfragen. Von Thomas Röper
Nowitschok ist ein Nervengift, das in sehr kleinen Dosen tödlich wirkt. Und es wirkt schnell. Schon die erste offizielle Version, Navalny sei auf den Flughafen vergiftet worden, konnte nicht stimmen, da mindestens Stunde vergangen ist, bis die Symptome eingesetzt haben. Eine gute zeitliche Zusammenstellung der Ereignisse an dem fraglichen Tag finden Sie hier. Und die zeitliche Abfolge ist wichtig.
Demnach hat er – so sagen die Bilder der Überwachungskameras – den fraglichen Tee am Flughafen um 7.17 Uhr Tomsker Zeit getrunken. Um 8.06 ist das Flugzeug gestartet und erst danach wurde ihm schlecht. Um 8.30 versuchte man, die Tür zur Toilette zu öffnen, auf die er gegangen ist. Um 9.01 Uhr Omsker Zeit (das ist wegen der Zeitverschiebung 10.01 Tomsker Zeit) landete das Flugzeug in Omsk und Navalny wurde ins Krankenhaus gebracht, wo er 36 Minuten später eingetroffen ist.
Dass es bei Nowitschok eine Stunde dauert, bis die Wirkung einsetzt, ist Blödsinn, es wirkt praktisch sofort, wie alle bestätigten Nowitschok-Vergiftungen zeigen. Davon gab es bisher zwei, eine 1987 in einem sowjetischen Labor und eine 1996 bei einem Mordanschlag auf einen russischen Banker. Auch beim Fall Skripal ist der Einsatz von Nowitschok fraglich, denn auch dort soll es Stunden gedauert haben, bis das Gift gewirkt hat.
Die geheimnisvolle Wasserflasche
Am Donnerstag hat das Team von Navalny gemeldet, Navalny sei noch früher, schon in seinem Hotel, vergiftet worden. Das Gift sei an einer Wasserflasche gewesen. Die Version ist noch unglaubwürdiger, denn das würde bedeuten, dass das Gift noch länger, also viele Stunden, gebraucht hat, um zu wirken.
Aber damit nicht genug. Dass mit Navalny etwas nicht stimmt, können seine Anhänger in Tomsk frühestens nach 10 Uhr Omrtszeit erfahren haben, nachdem das Flugzeug in Omsk gelandet war. Im Flugzeug sprachen seine Begleiter sofort von einer Vergiftung, wie sie darauf gekommen sind, bleibt ihr Geheimnis. Immerhin gibt es reichlich andere Gründe, warum einem Menschen schlecht werden kann.
Wenn also die Leute in Tomsk um 10 Uhr informiert worden sind, müssen sie sich – so die neue Version – sofort auf den Weg zum Hotel gemacht haben, um in seinem Zimmer die „Beweismittel“ zu sichern. Das zeigen sie in einem Video (Die Schöne und die Mächtigen im Hintergrund: Was über den Fall Navalny bisher nicht bekannt war)
https://www.youtube.com/watch?v=2wC3iAxIVo0&feature=emb_logo
Bemerkenswert an dem Video ist, dass sie sich mit ganz normalen Gummihandschuhen vor dem hochwirksamen Giftstoff schützen wollten, als sie die drei Flaschen in handelsübliche Plastiktüten gesteckt haben. Zur Information: Als 1996 der Bankier mit Nowitschok vergiftet wurde, indem man den Telefonhörer in seinem Büro damit präpariert hatte, starben er und seine Sekretärin daran und zehn weitere Menschen, die das Büro nur betreten haben, wurden verletzt.
Aber in dem Hotel haben sich Leute ohne Spezialkleidung, nur mit Gummihandschuhen geschützt, nicht verletzt, als sie die Flaschen in normale Plastiktüten gesteckt haben. Vom Weitertransport der Flaschen nach Omsk und dann nach Deutschland gar nicht zu reden.
Diese Wasserflaschen wurden dann irgendwie nach Omsk gebracht und sind von dort zwei Tage später nach Deutschland gekommen, mutmaßlich mit Maria Pewtschich, die wahrscheinlich mit Navalny im Privatjet zusammen mit Navalny nach Berlin gebracht wurde. Über Maria Pewtschich, ihre Hintergründe und Verbindungen, habe ich hier ausführlich berichtet. Das sind zum Verständnis sehr wichtige Informationen, weshalb ich allen an dem Fall Interessierten ans Herz lege, den Artikel zu lesen, falls Sie ihn noch nicht kennen.
Die Bundesregierung hat die Beantwortung von Fragen zu der Frau abgelehnt.
https://www.youtube.com/watch?v=9CdAq4R6F8g&feature=emb_logo
Und Fragen gibt es einige, vor allem, wie die Flaschen nach Deutschland gekommen sind. Dafür kommt eigentlich nur der Privatjet in Frage, denn auf dem Video sieht man deutlich, dass sie viel Wasser enthalten, weshalb es schwierig gewesen wäre, sie in einem Linienflug zu transportieren. Natürlich könnte man sie als Gepäck aufgeben, aber würden Sie – wenn Sie Mitarbeiter von Navalny sind und glauben, er wäre vom russischen Geheimdienst vergiftet worden – Ihr wichtigstes Beweisstück als Gepäck aufgeben, wo Sie es über Stunden aus den Augen verlieren und der Geheimdienst darauf zugreifen könnte?
Da die Bundesregierung auch selbst von einer Wasserflasche gesprochen hat, an der das Gift festgestellt worden sein soll, ist die Frage berechtigt, ob das eine dieser Flaschen ist. Auch die Frage, wie die Flasche nach Deutschland gekommen ist, wäre interessant. Und man muss sich fragen, ob das Einschmuggeln einer mit einer so tödlichen Substanz kontaminierten Flasche überhaupt legal ist. Aber die Bundesregierung verweigerte auch zu der mysteriösen Flasche jede Antwort.
https://www.youtube.com/watch?v=IZDG8YCGW3w&feature=emb_logo
Navalnys Symptome passen nicht zu Nowitschok
Einer der Entwickler von Nowitschok hat sich zu den Symptomen geäußert, die Nowitschok auslöst, egal, ob in einer tödlichen oder nicht tödlichen Dosis. Nowitschok führt immer zu einer starken Verengung der Pupillen, sodass man zumindest unmittelbar nach der Vergiftung für eine längere Zeit blind und damit orientierungslos ist.
Navalny hat aber solche Symptome nicht gezeigt, auch nicht den unkontrollierten Ausfluss von Körperflüssigkeiten, der ebenfalls ein zwangsläufiges Symptom von Nowitschok-Vergiftungen ist. Solche Symptome wären spätestens im Flugzeug allen aufgefallen, zumal Navalny aufgrund der verengten Pupillen gar nicht mehr alleine zur Toilette hätte gehen können, nachdem ihm schlecht geworden ist. Der Entwickler von Nowitschok sagt, dass Navalny, wäre er im Hotel vergiftet worden (egal, ob mit einer tödlichen Dosis oder nicht), das Hotel nicht mehr aus eigener Kraft hätte verlassen können.
https://www.youtube.com/watch?time_continue=3&v=KhZKGsh8zBA&feature=emb_logo
Wir können also festhalten, dass die offizielle Version im Fall Navalny viele Fragen aufwirft, aber keine beantwortet.
Die offenen Fragen
Ich will hier mal offensichtlichsten offenen Fragen im Fall Navalny auflisten
- Warum hat das angebliche Nowitschok mit so großer Verzögerung gewirkt?
- Warum haben seine Mitarbeiter sofort von einer Vergiftung gesprochen?
- Warum hatte Navalny keine Symptome einer Nowitschok-Vergiftung?
- Welche Rolle spielt Maria Pewtschich, die sich in Russland der Befragung durch die Polizei entzogen hat und zu der die Bundesregierung jede Erklärung verweigert?
- Warum hat sich an den angeblich kontaminierten Flaschen niemand sonst verletzt? Gummihandschuhe und handelsübliche Plastiktüten bieten keinen Schutz vor Nowitschok.
- Warum hat sich auch kein anderer Begleiter von Navalny oder Passagier des Flugzeuges verletzt?
- Wie sind die Flaschen nach Omsk und dann nach Deutschland gekommen?
- Warum verweigert die Bundesregierung die Herausgabe der vom Bundeswehrlabor untersuchten Proben? Selbst dem OPCW wurden sie nicht übergeben, das OPCW hat erst drei Wochen nach der angeblichen Vergiftung Proben von Navalny nehmen dürfen, aber das „Beweismaterial“ wird zurückgehalten.
- Warum verweigert die Bundesregierung sogar die Herausgabe der Untersuchungsergebnisse der Proben?
- Hatte Navalny Vorerkrankungen? Immerhin wird als Quelle dafür, dass er gesund gewesen sein soll, „sein Kardiologe“ zitiert, der ihn seit 7 Jahren behandelt, aber warum ist ein gesunder Mann bei einem Kardiologen in Behandlung?
Andere Erklärungen
Aufgrund all dieser Ungereimtheiten schließe ich Nowitschok als Ursache für Navalnys Zustand aus. Aber es ist offensichtlich, dass er nicht simuliert hat, denn dass er tatsächlich in einem ernsten Zustand war, bestätigen auch die russischen Ärzte. Was also ist mit Navalny passiert?
Es gibt nur drei Möglichkeiten: Entweder er ist von Dritten vergiftet worden, aber nicht mit Nowitschok, oder er und sein Team haben die Geschichte inszeniert, oder er ist aufgrund von Vorerkrankungen zusammengebrochen. In den ersten beiden Fällen – egal, ob er es selbst inszeniert hat, oder nicht – muss ihm eine Substanz gegeben worden sein, die die Verschlechterung seines Gesundheitszustandes verursacht hat. Nur was soll das sein? Die russischen Ärzte haben nichts gefunden und Berlin spricht von Nowitschok, dass ich aus den oben genannten Gründen ausschließe.
Aber wäre er tatsächlich – wie Berlin behauptet – von der russischen Regierung mit Nowitschok vergiftet worden, hätte man kaum erlaubt, ihn nach Berlin auszufliegen, wo diese Vergiftung erkannt wird. Die russische Regierung hätte ihm dann im Omsker Krankenhaus „den Rest geben“ können, wenn der erste Versuch tatsächlich gescheitert wäre. Aber wozu sollte die russische Regierung ihn erst vergiften, nur damit russische Ärzte ihm dann das Leben retten? Westliche Medien berichten, dass viele Sicherheitskräfte Navalny im Omsker Krankenhaus abgeschirmt haben. Es wäre für die russische Regierung also kein Problem gewesen, dort eine weitere, diesmal tödliche, Verschlechterung seines Gesundheitszustandes herbeizuführen.
Das Timing ist für die Gegner Russland perfekt gewesen, denn erstens hat die Geschichte wenige Wochen vor dem nationalen Wahltag in Russland, der letztes Wochenende stattgefunden hat, für negative Schlagzeilen gesorgt und zweitens ist Nord Stream 2 nun unter starken Druck geraten. Auch die Rolle von Pewtschich ist so undurchsichtig, dass sie verdächtig ist. Aber es bleibt dabei: Wäre er vergiftet worden, zumal nicht mit Nowitschok, hätten die russischen Ärzte das erkannt.
Obwohl das Timing perfekt war und trotz der offenen Fragen zu Pewtschich und der Tatsache, dass es zwischen Navalny und seinen Förderern angeblich Differenzen gibt, halte ich eine Vergiftung – egal durch wen – für unwahrscheinlich.
Bleibt eine natürliche Ursache. Über Navalnys Vorerkrankungen gibt es keinerlei Berichte, die Informationen werden – auch auf Nachfrage – zurückgehalten. In Russland sprechen die Ärzte von einer akuten Stoffwechselstörung und von hohen Zuckerwerten, die bei Navalny im Omsk festgestellt wurden. Für mich ist – nach dem jetzt bekannten Stand der Dinge – daher eine Erkrankung die wahrscheinlichste Erklärung, auch wenn sie zu einem für die Gegner Russlands ausgesprochen günstigen Zeitpunkt erfolgt ist.
Aber seien wir ehrlich: Jeder Zeitpunkt wäre für die Gegner Russlands günstig, egal ob vor unwichtigen Wahlen, in der Endphase des Baus von Nord Stream 2, oder auch zum Beispiel im Vorwege von wichtigen Gesprächen zwischen Putin und irgendwelchen anderen Regierungen. Es gibt für die Gegner Russlands keinen ungünstigen Zeitpunkt für eine anti-russische Medienkampagne.
Auch das Telefonat, dass Lukaschenko veröffentlicht hat, in dem angeblich ein Mann aus Berlin und ein Mann aus Warschau, kurz bevor Merkel die angeblich „zweifelsfreie“ Vergiftung gemeldet hat, über den Fall sprechen, deutet in die Richtung. Dort wird darüber gesprochen, wie man den Fall instrumentalisieren kann. Es heißt dort:
„Berlin: Alles scheint nach Plan zu verlaufen. Die Materialien zu Nawalny sind fertig. Sie werden dem Kanzleramt übergeben. Wir warten auf ihre (Merkels) Erklärung.
Warschau: Ist die Vergiftung sicher bestätigt?
Berlin: Hör mal, Mike, das ist in diesem Fall nicht so wichtig. Es ist Krieg. Und in Kriegszeiten ist jedes Mittel recht.“
Natürlich ist nicht sicher, dass das Telefonat echt ist, aber es würde ins Bild passen: Navalny wurde krank, man hat entschieden, das gegen Russland zu inszenieren und die Vergiftung erfunden. Dazu passt auch, dass die Vergiftung (bisher) von keiner neutralen Stelle bestätigt wurde. Genauso, wie man die Ergebnisse eines russischen Militärlabors anzweifeln müsste, muss man auch die Ergebnisse eines deutschen Militärlabors anzweifeln. Das sind keine neutralen, sondern weisungsgebundene Stellen. Gleiches gilt für die Labore in Frankreich und Schweden, die angeblich die Vergiftung bestätigt haben: Auch das waren Militärlabore.
Wäre man sich seiner Sache sicher, hätte man die Proben von neutraler Stelle untersuchen lassen können, das ist aber bisher nicht passiert. Und dass sowohl die Proben, als auch die Untersuchungsergebnisse zurückgehalten werden, fügt sich gut in das Bild ein.
Daher ist für mich die wahrscheinlichste Erklärung tatsächlich, dass Navalny ohne Einwirkung von Dritten erkrankt ist und dass diese Erkrankung nun medial und politisch instrumentalisiert wird. Aus den genannten Gründen fällt Nowitschok für mich als Ursache aus und eine andere Ursache hätten die russischen Ärzte und Labore festgestellt.
Wenn Sie sich für mehr Beispiele für freche Verfälschungen der Wahrheit in den „Qualitätsmedien“ interessieren, sollten Sie Beschreibung meines neuen Buches lesen. Das Buch ist eine Sammlung der dreistesten „Ausrutscher“ der „Qualitätsmedien“ im Jahre 2019 und zeigt in komprimierter Form, wie und mit welchen Mitteln die Medien die Öffentlichkeit in Deutschland beeinflussen wollen. Von „Berichterstattung“ kann man da nur schwer sprechen. Über den Link kommen Sie zur Buchbeschreibung.
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“
Literatur:
Durch globales Chaos in die Neue Weltordnung
Geboren in die Lüge: Unternehmen Weltverschwörung
Weltverschwörung: Wer sind die wahren Herrscher der Erde?
Quellen: PublicDomain/anti-spiegel.ru am 20.09.2020
Gifte sind Frauensache. Es gibt sehr schöne Geschichten von Frauen, die ihren Männern Rattengift in die Spagetti Bolognese gemischt haben.
Abgesehen davon, ist die Theorie absurd, Putin habe sich in seiner Hausapotheke bedient.
Putin hätte Nawalny k.o. gehauen, oder ihn erschossen.
Putin soll weg wegen des Öl. Die Tiraden gegen ihn fingen an, als er die Ölindustrie verstaatlichte.
Eigentlich sollte ich das nicht sagen. Denn es wird nicht geglaubt. Und in einem Jahr erinnert sich keiner daran, daß ich das gesagt habe.
Na ja, wer will schon einen Oskar?