Ein Vitamin-B12-Mangel kann jeden treffen – nicht nur Veganer. Meist entsteht der Mangel schleichend, so dass man die langsam auftretenden Symptome oft nicht richtig zuordnen kann. Wir erklären, wie man einen Vitamin-B12-Mangel feststellen kann, wie man ihm vorbeugt und wie man ihn behebt, welche Lebensmittel Vitamin B12 enthalten und welche Ursachen es für einen Vitamin-B12-Mangel geben kann.
Vitamin-B12-Mangel betrifft viele Menschen
Ein Vitamin-B12-Mangel betrifft viele Menschen. Bei den jüngeren Menschen sind es in Deutschland 5 bis 7 Prozent der Bevölkerung, bei den älteren sind es sogar bis zu 30 Prozent, die nachweislich mit Vitamin B12 unterversorgt sind. Die Dunkelziffer dürfte noch weit höher sein, da beim üblichen ärztlichen Check Vitaminmängel routinemässig nicht überprüft werden.
Vitamin-B12-Mangel entwickelt sich über Jahre hinweg
Ein Vitamin-B12-Mangel wird oft erst nach vielen Jahren der Mangelversorgung symptomatisch, was daran liegt, dass die körpereigenen Vorräte sehr lange ausreichen.
In der Leber und der Muskulatur eines Erwachsenen sind um die 4000 Mikrogramm Vitamin B12 gespeichert. Diese Vorräte werden bei einer fehlenden Zufuhr des Vitamins langsam aufgebraucht. Daher können sich die Symptome eines Vitamin-B12-Mangels auch erst nach drei oder mehr Jahren bemerkbar machen.
Die ersten unspezifischen Symptome eines Vitamin-B12-Mangels
Zu den ersten unspezifischen Symptome eines Vitamin-B12-Mangels gehören die folgenden. Wenn Sie diese bei sich beobachten, lassen Sie Ihren Vitamin-B12-Spiegel überprüfen:
- Taubheitsgefühle auf der Haut
- Kribbeln in Armen und/oder Beinen
- Appetitlosigkeit
- Brennen auf der Zunge
- eingerissene Mundwinkel
- eine spürbare Leistungsschwäche und Gedächtnisschwäche
- häufige Stimmungstiefs ohne ersichtlichen Grund
- Schwindel
- Konzentrationsstörungen
- Schlafstörungen
- Müdigkeit und Erschöpfung ohne ersichtlichen Grund
Später kommt es zu handfesten Erkrankungen, z. B.:
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Hämatologische Erkrankungen (= Erkrankungen/Störungen der Blutbildung), wie Anämien, z. B. die perniziöse Anämie. Eine Anämie ist eine Blutarmut.
- Demenz oder demenzähnliche Symptome
- Krankheiten des Nervensystems:
- Neuropathien (Nervenkrankheiten), z. B. die funikuläre Myelose mit Gangunsicherheit und Lähmungen
- Aufmerksamkeitsdefizitstörungen
- Depressionen
Die Aufgaben und Funktionen von Vitamin B12
Anhand der nachfolgend beschriebenen Aufgaben und Funktionen des Vitamin B12 wird klar, warum es zu derart schwerwiegenden Erkrankungen führen oder beitragen kann (Vitamin-B12- und Folsäure-Mangel weit verbreitet).
Vitamin B12 ist ein äusserst wichtiges Vitamin. Es ist an der Blutbildung und Zellbildung, am Energiestoffwechsel und der körpereigenen Entgiftung beteiligt; es schützt ausserdem das Herz-Kreislauf-System und ist für das Gehirn und das Nervensystem unverzichtbar.
Zu den wichtigsten Aufgaben und Funktionen des Vitamin B12 zählen die folgenden:
- Zellteilung und DNA-Bildung: Vitamin B12 (Cobalamin) ist an der Zellteilung und dem Zellwachstum beteiligt sowie an der Bildung der DNA (Erbsubstanz). Kinder mit einem Mangel leiden daher an ernsthaften Entwicklungsstörungen, was natürlich auch schon während der Schwangerschaft der Fall sein kann, wenn die werdende Mutter einen Vitamin-B12-Mangel hat. Ein Vitamin-B12-Mangel sollte daher gerade in der Schwangerschaft unbedingt vermieden werden, ja ein B12-Mangel der Mutter soll sogar einen Diabetes beim Kind begünstigen können.
- Bildung und Regeneration der Nerven: Vitamin B12 ist sehr wichtig für das Nervensystem, da es bei der Bildung und Regeneration der Nervenfaserhüllen mithilft. Neurologische, aber auch neuropsychiatrische Störungen gehören daher zu den Symptomen bei Vitamin-B12-Mangel. Diese können sich bis hin zu Depressionen und Demenz ausweiten. Kein Wunder stellte man ausserdem in einer im Januar 2016 veröffentlichten Studie fest, dass Menschen mit Autismus und auch Menschen mit Schizophrenie äusserst niedrige Vitamin-B12-Spiegel aufweisen. Die neuropsychiatrischen Störungen können auftreten, noch bevor die weiter unten beschriebene Anämie in Erscheinung tritt. Auch ist zu bedenken, dass manche neurologischen Störungen irreversibel sind, sich also nach der Vitamin-B12-Einnahme nicht wieder zurückbilden können, wenn die B12-Zufuhr zu spät erfolgt.
- Abbau von Homocystein: Vitamin B12 baut gemeinsam mit Vitamin B6 und der Folsäure das toxische Homocystein – das naturgemäss im Rahmen des Proteinstoffwechsels entsteht – zu einem ungiftigen Stoff ab. Bei einem B12-Mangel kann das Vitamin B12 das Homocystein nicht abbauen. Der Homocysteinspiegel im Blut steigt jetzt und stellt dort eine ernsthafte Gefahr für die Blutgefässe dar. Homocystein nämlich schädigt die Blutgefässwände, so dass es dort zu Reparaturprozessen kommen muss, die wiederum zu arteriosklerotischen Ablagerungen führen können. Daher gelten hohe Homocysteinwerte als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
- Blutbildung: Da Vitamin B12 auch an der Blutbildung beteiligt ist, kommt es bei Vitamin-B12-Mangel zu einer besonderen Form der Anämie. Es handelt sich um die sog. perniziöse Anämie.
Die perniziöse Anämie als Folge eines Vitamin-B12-Mangels
Bei der perniziösen Anämie sind die roten Blutkörperchen vergrössert. Sie enthalten auch mehr Hämoglobin (roter Blutfarbstoff) als normale Blutkörperchen. Man nennt diese vergrösserten Blutkörperchen auch Megaloblasten, normale Blutkörperchen heissen Normoblasten. Die perniziöse Anämie zählt man folglich zu den megaloblastären Anämien, wozu auch die Folsäuremangelanämie gehört.
Die Symptomatik der megaloblastären Anämie ähnelt der anderer Anämien und besteht aus Müdigkeit, schneller Erschöpfunge, verminderter Leistung, Herzrasen, Blässe sowie u. U. eine Hunter-Glossitis. Die Hunter-Glossitis ist eine krankhafte Veränderung der Zunge mit Zungenbrennen, glatter Zungenoberfläche, anfänglich blasser Zunge, später feuerrot gefärbter Zunge.
Im Extremfall kann sich aus der perniziösen Anämie eine funikuläre Myelose entwickeln.
Die funikuläre Myelose als Folge eines Vitamin-B12-Mangels
Bei der funikulären Myelose handelt es sich um eine Erkrankung, die der Multiplen Sklerose ähnelt, im Gegensatz zu dieser aber mit der Gabe von Vitamin B12 therapierbar ist. Auch bei der funikulären Myelose kommt es im Gehirn und Rückenmark zu einer Degeneration der Myelinscheiden der Nerven. (Als Myelinscheiden bezeichnet man eine Art Schutzschicht, die die Nervenfasern umgibt).
Meist kommt es erst zu Missempfindungen wie Kribbeln oder Schmerzen, im späteren Verlauf zu Gangunsicherheiten, Muskelschwäche und (spastische) Lähmungen. Ist das Gehirn betroffen, zeigen sich kognitive Störungen, Müdigkeit und Psychosen.
So schnell tritt nach Zufuhr von Vitamin B12 eine Besserung ein
Nimmt man bei Vitamin-B12-Mangel-Erscheinungen Vitamin B12 ein, dann bessert sich die hämatologische Symptomatik meist binnen einer Woche, die neurologische Symptomatik innerhalb von drei Monaten – natürlich abhängig vom Schweregrad.
Die verschiedenen Vitamin-B12-Formen
Vitamin B12 ist ein essentielles Vitamin, was bedeutet, dass der Körper das Vitamin nicht selbst herstellen kann. Es muss stattdessen mit der Nahrung aufgenommen werden. Der Begriff „Vitamin B12“ ist die Bezeichnung für eine ganze Gruppe von sog. Cobalaminen. Dazu gehören u. a.
- Adenosylcobalamin: aktive Form und die häufigste B12-Form in den Organen
- Methylcobalamin: aktive Form und gemeinsam mit Hydroxocobalamin die häufigste B12-Form im Blut
- Hydroxocobalamin: Speicherform, die etwa die Hälfte des im Blut befindlichen Vitamin B12 ausmacht, aber auch in vielen Nahrungsmitteln vorkommt. Hydroxocobalamin muss einerseits in drei Umwandlungsschritten in eine der beiden aktiven Formen umgewandelt werden, hat aber auch schon vor der Umwandlung wichtige Aufgaben (z. B. bei der Entgiftung und bei der Eliminierung von Nitrostress).
- Cyanocobalamin: Synthetische Cobalamin-Form, die in der Natur nicht vorkommt, häufig aber in Vitaminpräparaten eingesetzt wird. Cyanocobalamin muss im Körper erst in eine aktive Form umgewandelt werden, kann kaum gespeichert werden, ist nicht so gut bioverfügbar und daher insgesamt nicht so sehr empfehlenswert.
- Analoga: Auch Pseudo-Vitamin-B12 genannt. Hierbei handelt es sich um Verbindungen, die ähnlich wie das Vitamin B12 aufgebaut sind (ohne dessen positive Wirkungen zu haben) und daher die Transportermoleküle des echten Vitamin B12 blockieren und so die Aufnahme von echtem B12 hemmen. Analoga sind also B12-Formen, die nicht bioverfügbar sind und daher als schädlich eingestuft werden.
Diese Lebensmittel enthalten Vitamin B12
Vitamin B12 ist jenes Vitamin, das sich in relevanten Mengen fast nur in tierischen Lebensmitteln befindet. In pflanzlichen Lebensmitteln findet sich Vitamin B12 fast nur in Form von Analoga oder nur in Spuren, die nach dem aktuellen Stand der Erkenntnisse nicht ausreichen, den Tagesbedarf zu decken.
Da es jedoch kein Problem ist, bei pflanzlicher Ernährung den Vitamin-B12-Bedarf mit entsprechenden Präparaten zu decken, besteht auch bei rein veganer Ernährung kein Risiko eines Mangels.
Die nachfolgenden tierischen Lebensmittel und ihre B12-Gehalte führen wir nur der Vollständigkeit halber auf, raten also nicht zum Verzehr derselben.
Vitamin-B12-Tabelle: Lebensmittel mit viel Vitamin B12
Lebensmittel | in μg / 100g | % der empfohlenen Tagesdosis B12 eines Erwachsenen |
---|---|---|
Rinderleber |
65,0 |
2167% |
Kalbsleber |
60,0 |
2000% |
Lammleber |
35,0 |
1169% |
Kaviar |
16,0 |
533% |
Austern |
14,5 |
483% |
Leberwurst, fein |
13,5 |
450% |
Kaninchen |
10,0 |
333% |
Leberknödel |
10,0 |
333% |
Makrele |
9,0 |
300% |
Hering |
8,5 |
283% |
Miesmuschel |
8,5 |
283% |
Rind mager |
5,0 |
167% |
Wildschwein |
5,0 |
167% |
Forelle |
4,5 |
150% |
Thunfisch |
4,3 |
143% |
Gans |
4,0 |
133% |
Rotbarsch |
3,8 |
126% |
Seelachs |
3,5 |
116% |
Camembert |
3,1 |
103% |
Emmentaler |
3,1 |
103% |
Lamm |
3,0 |
100% |
Ente, Brust |
3,0 |
100% |
Lebensmittel mit mittlerem Vitamin-B12-Gehalt
Lebensmittel | in µg / 100g | % der empfohlenen Tagesdosis B12 eines Erwachsenen |
Lachs | 2,9 | 97% |
Tintenfisch | 2,5 | 83% |
Schweineschnitzel | 2,1 | 70% |
Edamer | 2,0 | 67% |
Parmesan | 2,0 | 67% |
Kalb mager | 2,0 | 67% |
Hecht | 2,0 | 67% |
Hühner-Eigelb | 2,0 | 67% |
Gouda | 1,9 | 63% |
Hühnerei | 1,8 | 60% |
Gyros | 1,6 | 53% |
Scholle | 1,5 | 50% |
Hackfleisch | 1,5 | 50% |
Mortadella | 1,4 | 46% |
Salami | 1,4 | 46% |
Bratwurst | 1,3 | 43% |
Mozzarella | 1,3 | 43% |
Frankfurter Würstchen | 1,1 | 36% |
Schweinefleisch, mager | 1,0 | 33% |
Frischkäse (mind. 10% Fett) | 1,0 | 33% |
Quark | 0,9 | 30% |
Fischstäbchen | 0,8 | 26% |
Hüttenkäse | 0,7 | 23% |
Sardelle | 0,6 | 20% |
Schafsmilch | 0,5 | 17% |
Huhn | 0,4 | 13% |
Kuhmilch | 0,4 | 13% |
Joghurt | 0,4 | 13% |
Schafskäse (Feta) | 0,4 | 13% |
Hühner-Eiweiß | 0,1 | 3% |
Ziegenmilch | 0,1 | 3% |
Weizen-/Weißbier | 0,1 | 3% |
Pflanzliche Lebensmittel
Pflanzliche Lebensmittel, die für die meisten anderen Vitamine unsere wichtigste Quelle sind, enthalten hingegen fast kein Vitamin B12 – weder Obst und Gemüse, noch Nüsse oder Saaten. Einzig fermentierte pflanzliche Lebensmittel, wie Sauerkraut und Bier, sowie die Alge Chlorella enthalten geringe Mengen an Vitamin B12.
Der Gehalt und die Bioverfügbarkeit aus verschiedenen Algen, war lange sehr umstritten. Heute gilt die Alge Chlorella als einzige verlässliche B12-Quelle. Der Gehalt liegt mit mit 80 µg Vitamin B12 pro 100 g noch über allen tierischen Quellen. Dies klingt zunächst viel, relativiert sich jedoch, wenn man bedenkt, dass man üblicherweise nur sehr kleine Mengen dieser Algen zu sich nimmt. Pro Portion werden darum kaum mehr als 1,5 µg aufgenommen. Mehrfach am Tag eingenommen können Sie bei sonst guter Gesundheit jedoch Teil einer B12-Versorgung sein, die sich aus mehreren Quellen zusammensetzt.
So viel Vitamin B12 geht beim Kochen und Braten verloren
Die angegebenen Vitamin-B12-Werte in Lebensmitteln beziehen sich oft auf das rohe Lebensmittel. Beim Kochen und Braten aber kommt es zu Verlusten. Beim Kochen und Braten von Fleisch beispielsweise rechnet man mit Vitamin-B12-Verlusten von 27 bis 33 Prozent (8).
So hoch ist der Tagesbedarf an Vitamin B12
Der Tagesbedarf an Vitamin B12 beträgt offiziell:
- Säugling (bis 12 Monate): 0,5 – 1,4 µg
- Kleinkind (1 – 4 Jahre): 1,5 µg
- Kind (5 – 10 Jahre): 2 – 2,5 µg
- Teenager (11 – 15 Jahre): 3,5 – 4 µg
- Erwachsener: 4 µg
- Schwangere Frau: 4,5 µg
- Stillende Frau: 5,5 µg
Da nur ein Bruchteil des Vitamin B12 aus der Nahrung auch tatsächlich aufgenommen wird (was u. a. von der Magen-Darm-Gesundheit abhängt), sollte man – um den Tagesbedarf zu decken – ein Vielfaches davon zu sich nehmen, was häufig auch mit einer „normalen“, also fleisch-, fisch- und eihaltigen Ernährung gar nicht möglich ist.
So wird Vitamin B12 vom Körper aufgenommen
Vitamin B12 kann über zwei Mechanismen vom Körper aufgenommen werden:
- über die aktive Aufnahme mittels Transporterproteine (Intrinsic Factor) können pro Mahlzeit nicht mehr als 1,5 Mikrogramm Vitamin B12 aufgenommen werden.
- über die passive Aufnahme mittels Diffusion kann 1 Prozent der verzehrten Vitamin-B12-Menge aufgenommen werden (ohne Transporterproteine), was besonders bei der Einnahme hochdosierter Nahrungsergänzungen interessant ist. Denn wenn ein hochdosiertes Vitamin-B12-Präparat beispielsweise eine Tagesdosis 1000 Mikrogramm Vitamin B12 liefert, so kann man über die passive Diffusion damit immerhin 10 Mikrogramm Vitamin B12 aufnehmen, was den Bedarf somit gut decken kann.
Vitamin-B12-Mangel betrifft nicht nur Veganer
Da sich Vitamin B12 im Gegensatz zu all den anderen Vitaminen des B-Komplexes fast ausschliesslich in tierischen Lebensmitteln befindet, gelten Veganer als prädestiniert für einen Vitamin-B12-Mangel. Doch auch Nicht-Veganer können einen Vitamin-B12-Mangel erleiden. Denn manche Medikamente, eine ungesunde Ernährung oder Infektionen können zu Schäden an Magen und Darm führen, die dann wieder einen Vitamin-B12-Mangel sehr wahrscheinlich werden lassen.
Auch Alkoholmissbrauch, Magersucht und allgemeine Mangelernährungsformen (z. B. im Alter, wenn zu wenig oder einseitig gegessen wird), gelten als Ursache eines Vitamin-B12-Mangels.
Es können also sowohl Veganer als auch Nicht-Veganer von einem Vitamin-B12-Mangel betroffen sein – lediglich die Ursache ist meist eine andere.
Bei Allesessern mit B12-Mangel liegt meist eine Magen-Darm-Erkrankung vor, während bei den Veganern einfach der Rohstoff fehlt, weil sie nicht an die Einnahme eines Vitamin-B12-Präparates denken.
Die Ursachen eines Vitamin-B12-Mangels
Vitamin B12 benötigt noch viel mehr einen gesunden Magen-Darm-Trakt als andere Vitamine und Mineralien, um umfassend resorbiert werden zu können – und zwar aus dem folgenden Grund:
In den Belegzellen der Magenschleimhaut wird der sog. Intrinsic Factor produziert – ein Transporterprotein, an das sich das Vitamin B12 aus der Nahrung heften kann, um dann im Dünndarm (Ileum) resorbiert werden zu können.
Bei einer angeschlagenen Schleimhaut des Magens jedoch kommt es zunächst zu einem Intrinsic-Factor-Mangel und infolgedessen auch zu einem B12-Mangel. Einen angeschlagenen Magen aber haben sehr viele Menschen, und zwar eher Allesesser als Veganer.
Dabei muss es nicht einmal eine schwerwiegende Magenerkrankung sein, wie z. B. eine Gastritis Typ A (Magenschleimhautentzündung), die ebenfalls zu einem Vitamin-B12-Mangel führen kann. Es genügt bereits Sodbrennen. Denn viele Menschen nehmen aufgrund von Sodbrennen Säureblocker ein (Protonenpumpenhemmer, wie z. B. Omeprazol) – und genau diese Medikamente fördern die Entstehung eines B12-Mangels.
Omeprazol und ähnliche Säureblocker hemmen nicht nur die Bildung der Magensäure, sondern auch die Bildung des Intrinsic Factors, so dass kein Vitamin B12 mehr (oder zu wenig) aufgenommen werden kann (Malabsorption).
Neben Säureblockern gibt es noch weitere Medikamente (9), die einer Resorption des Vitamin B12 im Wege stehen können:
- Levodopa (Medikament gegen die Parkinsonkrankheit)
- Blutgerinnungshemmer (z. B. ASS)
- Manche Antibiotika (z. B. Neomycin, Chloramphenicol)
- Metformin, das bekannte Diabetesmedikament, führt zu einem Vitamin-B12-Mangel, da es die Resorption des Vitamins im Darm hemmt. Es kommt zu einer Malabsorption. Die Folge ist, dass 30 Prozent der Metformin-Konsumenten einen Vitamin-B12-Mangel haben.
Auch die Infektion mit einem Fischbandwurm kann zu einem Vitamin-B12-Mangel führen. Mit dem Fischbandwurm infiziert man sich insbesondere durch den Verzehr von rohem Fisch. Der Parasit gibt täglich tausende Eier ab, die leicht im Stuhl nachgewiesen werden können, so dass eine Diagnose einfach ist.
Ein Vitamin-B12-Mangel ist folglich keineswegs ein Problem, das nur vegan lebende Menschen betreffen würde. Es ist ein Vitaminmangel, der im Grunde jeden treffen kann, genauso wie Vitamin-D-Mangel, Magnesiummangel oder irgendein anderer Mangel.
Nichtsdestotrotz sind Veganer sehr wohl AUCH eine Zielgruppe eines Vitamin-B12-Mangels – ganz einfach deshalb, weil eine hundertprozentig vegane Ernährung keine natürliche Ernährung darstellt und daher auch nicht zwingend mit allen erforderlichen Vitalstoffen versorgt.
Vegane Ernährung und Vitamin-B12-Mangel
Die zu hundert Prozent vegane Ernährung kommt in der Natur nicht vor. Selbst die Pflanzenfresser unter den Wildtieren leben in Wirklichkeit nicht vegan. Sie nehmen mit ihrer pflanzlichen Nahrung (Gräser, Blätter, Wurzeln, Früchte) immer auch Insekten, kleine Larven, Maden, winzige Schnecken und eine Unmenge an Mikroorganismen auf. Gerade letztere sind die Hauptproduzenten des Vitamin B12.
Falls unsere Vorfahren also versucht haben sollten, vegan zu leben, dann gelang es ihnen nicht, weil sie automatisch immer auch all die genannten Kleinstlebewesen zu sich nahmen.
Doch ist eher davon auszugehen, dass sie wann immer möglich auch tierische Nahrung wie Vogeleier und essbare Insekten, sicher auch leicht fangbare Reptilien gesammelt und verspeist haben.
Der vegan lebende Neuzeitmensch ist also das einzige Lebewesen, dem es aufgrund seiner modernen und daher so hygienischen Lebensweise gelingt, sich zu hundert Prozent vegan zu ernähren. Denn wir entfernen Insekten akribisch aus dem Salat und waschen Obst und Gemüse so gut wie möglich, was automatisch die B12-haltigen Mikroorganismen entfernt. Aus diesem Grunde ist der konsequente Veganer natürlich auch anfällig für einen Vitamin-B12-Mangel.
Das bedeutet nicht, dass die vegane Ernährung schlecht oder ungesund wäre. Im Gegenteil, sie ist unserer Ansicht nach ausserordentlich gesund. Denn während man bei der herkömmlichen Ernährungsform beispielsweise einen Magnesiummangel, Folsäuremangel, Chlorophyllmangel und Antioxidantienmangel befürchten muss, ist es bei der veganen Ernährung eben nur ein Vitamin-B12-Mangel, der auftreten kann, WENN man nicht umfassend informiert ist und kein B12 supplementiert.
Langjährige Veganer ohne Vitamin-B12-Mangel
Gelegentlich werden auf Veganer-Seiten Beispiele von langjährigen Veganern angeführt oder auch von Menschen, die seit ihrer Geburt vegan leben, die nie B12-Präparate einnahmen und dennoch – nach zwei oder drei Jahrzehnten – keinen Vitamin-B12-Mangel entwickelt haben.
Da wird man stutzig, denn nach so langer Zeit müsste man eigentlich eine Vitamin-B12-Mangel-Symptomatik entwickelt haben. Meist aber handelt es sich um Menschen, die einen ganz besonderen Lebensstil praktizieren:
Die Betreffenden seien beispielsweise nie geimpft worden, wird erklärt, hatten noch nie Medikamente genommen, noch nie Fastfood gegessen, tranken nie Alkohol, besuchten nie eine Disco, taten also nichts, was in irgendeiner Weise das gesunde Gleichgewicht ihres Körpers hätte stören können.
Stattdessen nahmen sie ausschliesslich Rohkost zu sich und lebten zu einem Teil von reichlich Wildpflanzen – natürlich ungewaschen und daher Vitamin-B12-reich. Oft nehmen sie überdies Mikroalgen und Algen zu sich, von denen manche Arten Vitamin B12 enthalten können.
Es ist daher möglich, dass man bei diesem ganz speziellen Ernährungs- und Lebensstil gut mit Vitamin B12 versorgt ist.
Doch wer lebt so? Die meisten vegan lebenden Menschen tun es nicht. Und so können auch Ausnahmefälle, wie die beschriebenen, nicht als Beispiele oder gar Beweise dafür herangezogen werden, dass Vitamin B12 kein Problem bei rein veganer Ernährung darstellt.
Gemüse und Getreide nehmen Vitamin B12 aus dem Boden auf
Aus den 1990er Jahren gibt es Untersuchungsergebnisse von A. Mozafar der ETH Zürich (Eidgenössische Technische Hochschule), die zeigen, dass Pflanzen offenbar über ihre Wurzeln Vitamin B12 aus dem Boden aufnehmen können, aber nur, wenn sie mit Kuhdung gedüngt wurden, der sehr Vitamin-B12-reich ist.
Sowohl Gerste als auch Spinat (nicht aber Sojabohnen) enthielten im Anschluss mehr Vitamin B12 als dieselben Pflanzen aus Kunstdüngung. Würde man 200 Gramm dieser Gerste essen, wäre man bereits mit 1,8 Mikrogramm Vitamin B12 versorgt.
Beim Spinat stellte man gar die doppelte Menge Vitamin B12 fest, allerdings in der Trockenmasse – und vom Spinatpulver nimmt man bekanntlich nicht sehr viel zu sich. In 10 Gramm waren zwar immerhin knapp 0,2 Mikrogramm Vitamin B12 enthalten, doch ist dieser Wert immer noch weit davon entfernt, den Tagesbedarf decken zu können.
Im organisch gedüngten frischen Spinat betrug der Wert 0,14 Mikrogramm pro 100 g. Man müsste davon also ebenfalls sehr viel essen, um wenigstens einen Teil des B12-Bedarfs mit Spinat decken zu können.
Auch hat sich gezeigt, dass sich das B12 offenbar nicht in jeder Pflanze anreichert, da die Sojabohne kein B12 enthielt – ob mit oder ohne Kuhdung gewachsen. Man könnte also nicht sichergehen, dass jedes organisch gedüngte Gemüse und Getreide auch wirklich B12 enthält.
Und täglich 200 Gramm Gerste und 1 Kilogramm frischen Spinat zu essen, ist auch nicht gerade des Rätsels Lösung.
Japanische Wissenschaftler schrieben dann aber im Jahr 2014 auch noch, dass die meisten auf Dung basierenden organischen Düngemittel beträchtliche Mengen (um die 98 Prozent) an inaktivem Vitamin B12 enthielten, so dass vermutlich das B12 aus dem naturgedüngten Gemüse und Getreide nicht verwertet werden könne.
Vielleicht aber wird im Organismus bereits ausreichend Vitamin B12 gebildet, so dass man das Vitamin gar nicht essen müsste?
Kann der Mensch selbst Vitamin B12 bilden?
Häufig wird berichtet, dass Vitamin B12 im Darm von den dort ansässigen Darmbakterien gebildet wird (natürlich nur, wenn man eine gesunde Darmflora habe). Diese Vitamin-B12-Bildung findet jedoch grösstenteils im Dickdarm statt.
Resorbiert wird das Vitamin B12 aber schon vorher, nämlich über die Schleimhaut des Dünndarms (Ileum). Also kann das selbst produzierte B12 kaum aufgenommen werden – gesunde Darmflora hin oder her. Es wird stattdessen mit dem Stuhl ausgeschieden.
Bei manchen Pflanzen fressenden Wildtieren ist das ebenfalls so, z. B. bei Kaninchen, aber auch bei manchen Affen. Daher nehmen diese Tiere immer wieder ihren eigenen Kot auf, was für die meisten Menschen vermutlich nicht in Frage kommen wird.
Lediglich eine doch recht betagte Studie von 1980 meint, dass – zumindest bei Teilen der südindischen Bevölkerung – auch im Dünndarm Bakterienstämme siedeln, die verwertbares B12 bilden (Pseudomona und Klebsiella).
Damit die Bakterien Vitamin B12 bilden können, muss der Organismus jedoch zusätzlich gut mit Kobalt versorgt sein, einem wichtigen Bestandteil des Vitamin B12. Kobalt ist ein Spurenelement, das in relevanten Mengen in Kakao, Sonnenblumenkernen, Nüssen und Rotbuschtee enthalten ist.
Leider weiss der Einzelne aber nicht, wie es um seine Darmflora und deren B12-Bildefähigkeit bestellt ist. Niemand weiss ferner, ob er Pseudomona und Klebsiella im Dünndarm beherbergt oder nicht und wenn ja, ob diese auch ausreichende Mengen Vitamin B12 bilden, um den Bedarf zu decken.
Langfristig kann hier nur eine B12-Messung im Urin und Blut weiterhelfen. Ist diese auch bei langjähriger veganer Ernährung und ohne Nahrungsergänzung in Ordnung, dann kann man getrost davon ausgehen, dass man alles richtig macht.
Literatur:
Vitamin-C-Hochdosistherapie: Leitfaden für die therapeutische Praxis
Gesund in sieben Tagen: Erfolge mit der Vitamin-D-Therapie
Vitamin K2 und das Calcium-Paradoxon
Quellen: PublicDomain/zentrum-der-gesundheit.de/vitaminb12.de am 30.09.2020