Finanzexperte: »Sparen wurde bewusst unattraktiv gemacht und bestraft«

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Die »Freie Welt« sprach mit dem Finanzexperten Claus Vogt über die Nullzinspolitik, Fehler der Zentralbanken, Spekulationsblasen und die Folgen der Corona-Krise auf die Wirtschaft und die Reaktionen darauf.

Freie Welt: Wegen der Corona-Krise öffnen offenbar alle Zentralbanken die Schleusen und fluten die Märkte mit billigem Geld – gibt es da Unterschiede zwischen den Zentralbanken, etwas zwischen der US-Zentralbank und der EZB?

Claus Vogt: Ja, Unterschiede gibt es. Beispielsweise kaufen die japanische und die Schweizerische Zentralbank schon seit geraumer Zeit Aktien. Die EZB hat das bisher nicht getan, und der Fed ist es nach geltendem Recht sogar ausdrücklich verboten. Wie die EZB mit ihrer eigentlich ebenfalls verbotenen monetären Staatsfinanzierung demonstriert hat, können Gesetze die Zentralbankbürokraten allerdings nicht davon abhalten, zu tun, was sie tun wollen.

Freie Welt: Wie sollten die Zentralbanken auf die wirtschaftlichen Folgen einer Pandemie reagieren? Was ist die richtige Geldpolitik in so einer Krise?

Claus Vogt: Die richtige Vorgehensweise hat der britische Ökonom Walter Bagehot den Zentralbanken schon im Jahr 1873 ins Stammbuch geschrieben: In Krisenzeiten sollten sie großzügig Kredite an Unternehmen vergeben, die lediglich ein Liquiditätsproblem haben, aber prinzipiell gesund sind und nach der Krise aller Voraussicht nach wieder prosperieren werden. Allerdings sollte die Kreditvergabe nur gegen die Bereitstellung werthaltiger Sicherheiten erfolgen.

Wenn das nicht möglich sei, sollte die Zentralbank Vorzugsaktien des Unternehmens als Gegenleistung akzeptieren und die Einstellung von Dividendenzahlungen und Aktienrückkäufen verlangen. Die Zinsen der so vergebenen Kredite müssten über dem Marktzins liegen, um Mitnahmeeffekte zu verhindern und einen Anreiz zu schnellen Rückzahlungen zu setzen.

Wenn die Zentralbanken nach der Krise des Jahres 2008 zu einer normalen Geldpolitik mit angemessen hohen Zinsen zurückgekehrt wären, dann könnten sie jetzt natürlich auch mit Zinssenkungen für Erleichterung sorgen. Stattdessen hat die Geldpolitik das ihr zur Verfügung stehende Instrumentarium mit jahrelanger Nullzinspolitik und gigantischen Anleihenkäufen weitgehend ausgereizt.

Deshalb soll jetzt der Staat, das heißt der Steuerzahler, mit einem dramatischen Anstieg der Staatsausgaben einspringen, die natürlich nur über Schulden finanziert werden können, die wiederum von der Zentralbank übernommen werden – also Helikopter-Geld, das heißt Geldgeschenke an Teile der Bevölkerung. Das haben wir schon vor einem Jahr, im April 2019 in unserer Themenschwerpunkt-Ausgabe „Enteignung oder Helikopter-Geld? Die Vorbereitungen laufen“ ausführlich dargelegt (Welt-Fiatgeld, Weltgeld und Weltherrschaft).

 

Freie Welt: Sie sind ein starker Kritiker der Zentralbanken. Welche Fehler haben die Zentralbanken denn gemacht?

Claus Vogt: Mit ihrer jahrelangen Nullzinspolitik und der Manipulation der Rentenmärkte haben die Zentralbanker riesige Spekulationsblasen an den Aktien-, Renten-, Immobilien- und Kunstmärkten hervorgerufen. Darüber hinaus haben sie dafür gesorgt, dass sich die ohnehin überschuldete Welt weiter und ganz erheblich verschulden konnte – obwohl die Finanzkrise des Jahres 2008 bereits eine Überschuldungskrise war ebenso wie die Griechenlandkrise.

Sparen wurde ganz bewusst unattraktiv gemacht und bestraft. Früher wusste man noch, dass es sinnvoll und manchmal sogar überlebensnotwendig ist, Vorsorge für schlechte Zeiten zu treffen. Diesen Grundsatz haben die Zentralbanken über Bord geworfen. Deshalb sind die Zentralbanken dafür verantwortlich, dass viele Menschen, Unternehmen und sogar Staaten jetzt keine Reserven haben, um eine Rezession aus eigener Kraft zu überstehen.

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Grundsätzlich halte ich das Zentralbankwesen und das untrennbar damit verbundene staatliche Geldmonopol für das größte ökonomische Problem unserer Zeit. Beides ist ein planwirtschaftlicher Fremdkörper in einer Marktwirtschaft. Die gigantischen Schuldenberge, die unsere Epoche definieren, kann es ohne Zentralbanken und staatliches Geldmonopol nämlich gar nicht geben. Darüber hinaus haben die EZB und andere Zentralbanken ihr Mandat in den vergangenen Jahren eigenmächtig, also ohne demokratische Legitimation, drastisch ausgeweitet.

Freie Welt: Viele Bürger fürchten nun eine Inflation und Geldentwertung – Wie lange dauert es, bis das billige Geld die Realwirtschaft erreicht hat, wann wird die Inflation beim Verbraucher ankommen?

Claus Vogt: Das weiß leider niemand. Die notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für eine große Geldentwertung ist ein hohes Geldmengenwachstum. Im Detail kommt es aber darauf an, wo das zusätzliche Geld für steigende Preise sorgt. In den vergangenen Jahren war das vor allem an den Aktien-, Immobilien-, Anleihen- und Kunstmärkten der Fall, aber deutlich weniger bei den Preisen für Güter des täglichen Bedarfs. Zu einer großen allgemeinen Geldentwertung kommt es erst, wenn die Bevölkerung das Vertrauen in den Staat und die Zentralbank verliert. Es ist also in erster Linie ein massenpsychologisches Phänomen. Im Moment scheint mir das Vertrauen in diese beiden Institutionen gerade einem Höhepunkt zuzustreben. Aber das kann sich schnell ändern.

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Freie Welt: Schon vor der Corona-Krise wurde spekuliert, die Deutsche Bank könne vor der Pleite stehen. Wie beurteilen Sie die Stabilität des Bankensektors? Droht uns eine neue Bankenkrise?

Claus Vogt: Es ist ja längst kein Geheimnis mehr, dass der Bankensektor nach Jahrzehnten der Exzesse und der Nullzinspolitik marode ist. Als ich das 2007 geschrieben habe, vor der damaligen Krise, wollte das fast niemand glauben. Deshalb kam die kurz darauf folgende Bankenkrise für die meisten Menschen völlig überraschend, kurioserweise auch für die Zentralbankbürokraten, die das Offensichtliche nicht sehen konnten. Jetzt rechne ich nicht mit Bankenpleiten, weil Zentralbanker und Politiker gut vorbereitet sind. Im Zweifel werden sie den Sektor verstaatlichen.

Freie Welt: Die Kreditanstalt für Wiederaufbau soll jetzt die Unternehmen mit zusätzlichen Krediten versorgen, um durch die Krise zu kommen. Eine sinnvolle Lösung?

Claus Vogt: Der Staat hat den Stillstand großer Teile der Wirtschaft verordnet, er hat diese Krise also willentlich ausgelöst, um vielleicht größeres Unheil zu verhindern. Die Existenzen, die durch diese Entscheidung vernichtet werden, sollten irgendwie gerettet werden. Aber wie soll das funktionieren? Wer trifft anhand welcher Kriterien die Entscheidung, welches Unternehmen ohnehin in der nächsten Rezession Pleite gegangenen wäre, und welches nicht? Die Mitarbeiter der Staatsbank KfW? Wir haben es hier ja auch mit einer Vielzahl von Klein- und Kleinstunternehmen zu tun, die Spanne reicht von Selbständigen und Freiberuflern über Künstler bis hin zu Prostituierten und Menschen in der Schattenwirtschaft. Ich halte es für ausgeschlossen, dass der hier angerichtete Schaden wieder gutgemacht werden kann.

Freie Welt: Können Sie ein Alternativprogramm zu den Rettungshilfen der Bundesregierung skizzieren. Was wäre in dieser Situation die richtige Wirtschaftspolitik?

Claus Vogt: Ich weise seit Ende der 1990er Jahre, seit der damaligen Spekulationsblase also darauf hin, dass die Zentralbanken eine Krisenspirale angestoßen haben. Je länger auf diesem falschen Weg fortgeschritten wird, desto größer werden die in Form von Krisen stattfindenden Bereinigungsprozesse der Spekulationsblasen und desto schmerzhafter wird die Rückkehr zu einer seriösen und verantwortungsvollen Geld- und Fiskalpolitik.

Das ändert aber nichts daran, dass der richtige Weg die Rückkehr zu dem wäre, was Deutschland nach dem 2. Weltkrieg erfolgreich gemacht hat, also die Rückkehr zu einer marktwirtschaftlichen Ordnungspolitik. Das heißt konkret weniger Staat, sichere Eigentumsrechte, Primat der Eigenverantwortung, freier Wettbewerb und stabiles Geld. Daraus folgen auch ein klares Bekenntnis zur Europäischen Union als Freihandelszone und ein Nein zum Euro („Das war erst der Anfang“ – Wirtschaftsexperte prognostiziert massiven Crash).

Freie Welt: Viele Aktien und Anlagen haben in den letzten Wochen massiv an Wert verloren – rechnen Sie mit einer Erholung, wenn die Corona-Krise überwunden ist?

Claus Vogt: Gemessen am amerikanischen S&P 500 Index, dem die europäischen Märkte auf dem Weg nach unten immer folgen, war die fundamentale Bewertung Anfang des Jahres 2020 höher als an den alten Rekordmarken der Jahre 2000 und 1929. Deshalb habe ich die Leser meiner Börsenpublikation Krisensicher Investieren vor einer wahrscheinlichen Drittelung des S&P 500 gewarnt und darauf hingewiesen, dass das nur einer Normalisierung der fundamentalen Bewertung entspräche, also ausdrücklich kein Worst-Case-Szenario sei.

Die Zentralbanken haben als Antwort auf die im Jahr 2008 geplatzten Immobilien- und Aktienblasen eine noch viel größere Spekulationsblase aufgepumpt, die jetzt geplatzt ist. Je größer und länger andauernd eine Spekulationsblase ist, desto größere Ungleichgewichte und Fehlentwicklungen entstehen in der Real- und der Finanzwirtschaft. Entsprechend schwer fällt anschließend der Bereinigungsprozess aus. Aufgrund dieses einfachen Zusammenhangs erwarte ich hier keine schnelle Erholung, sondern eine lang anhaltende Baisse.

Freie Welt: Welche Anlagen versprechen jetzt noch Sicherheit, Gold, Silber, Immobilien, Bitcoin…?

Claus Vogt: In Krisensicher Investieren und meinen gemeinsam mit Roland Leuschel verfassten Büchern empfehlen wir schon seit langem einen Goldanteil von 25% bis 35%, der vor allem der Sicherheit dient. Um zusätzlich Geld zu verdienen, führt kein Weg an Aktien vorbei – aber nicht um jeden Preis. Derzeit sehen wir vor allem bei den Goldminenaktien außergewöhnlich attraktive Kaufgelegenheiten. Bitcoin halten wir für ein lupenreines Spekulationsvehikel. Weil der Staat sein Geldmonopol nicht freiwillig aufgeben wird, sehen wir in Bitcoin keine Alternative zu Gold (Helikoptergeld – nutzlos gegen die Krise).

 

Freie Welt: Wie sieht ihre Perspektive für die Zeit nach der Corona-Krise aus? Wird es so weiter gehen wie bisher oder werden wir eine ganz andere Weltwirtschaft haben?

Claus Vogt: Die Zentralbanken haben auch jetzt wieder die gleiche Antwort gegeben wir zuletzt 2008, nur musste die Dosis drastisch erhöht werden. Entweder finden wir in diesem Zyklus heraus, wo sich die Bruchstelle dieses Weltwährungs- und Finanzsystems befindet. Oder die Interventions- und Krisenspirale der Zentralbanken dreht sich noch eine Runde weiter. Dann bleibt eine grundlegende Wende zum Besseren auch dieses Mal aus (Ökonom erwartet schlimmeren Finanzcrash als 2008 – Weltwirtschaft wird von einem Angebots-und Nachfrageschock heimgesucht).

Literatur:

Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab

Wehrt Euch, Bürger!: Wie die Europäische Zentralbank unser Geld zerstört

Der Weg ins Verderben: Wie die Eliten die nächste Krise vorbereiten und wie Sie sich davor schützen können

Die Nullzinsfalle: Wie die Wirtschaft zombifiziert und die Gesellschaft gespalten wird

Quellen: PublicDomain/freiewelt.net am 16.04.2020

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