Bismut statt Magensäureblocker, Kernseife statt antibiotischer Pickel-Cremes, Tonerde-Wickel für gezerrte Muskeln statt Schmerzmittel… Zwei Drittel der Deutschen greifen Umfragen zufolge lieber erst zu altbekannten Hausmitteln, bevor sie ihren Zipperlein mit Pillen-Cocktails zu Leibe rücken. Omas Hausapotheke feiert ihr Comeback.
Multitalente
Einige der simplen Mittel und chemischen Heilstoffe sind bereits seit Ende des 18. Jahrhunderts im Handel, andere wurden inzwischen aus dem Verkehr gezogen. Gemeinsam haben sie eines: Neben der Heilwirkung am Menschen entfalten sie oft zugleich auch Wunderwirkungen im Haushalt, etwa bei der Fleckenentfernung, Entkalkung, Insektenvertreibung oder Reinigung.
Motto: Was ein Abflussrohr blitzblank macht, kann auch Blutgefäßen nicht schaden und umgekehrt. Damals heilsam, heute auch noch – oder eher riskant? Ein Überblick.
Kernseife gegen Pickel & Läuse
Jahrhundertelang wurde Kernseife zur Kleidungs-, Haushalts-, Haar- und Körperreinigung sowie zum Pflanzenschutz eingesetzt. Blattläuse etwa lassen sich prima mit einem Kernseife-Spiritus-Wasser-Sud von Pflanzen vertreiben.
Beim Menschen bindet die Seife aus Kochsalz und Fettsäuren Fett, wirkt basisch und entschärft Säuren auf der Haut. Zugleich wirkt sie antibakteriell und hemmt Entzündungen. Bis heute wird ein warmes Hand- oder Fußbad mit aufgelöster Kernseife zur Behandlung eingewachsener Zehennägel oder von Nagelbettentzündungen eingesetzt.
»Das Seifenbad verschiebt für kurze Zeit den pH-Wert der Haut in den weniger sauren Bereich. Das macht manchen Bakterien das Leben schwer, reduziert Schmerzen und Entzündungen«, sagt der Münchner Biochemiker und Autor Professor Jürgen Vormann (»Säure-Basen-Balance«, GU). Folge: Die Schwellung wird vermindert, die Entzündung heilt. Auch bei Akne kann die Hautreinigung mit Kernseife Pickelkeimen das Leben vermiesen. Wichtig: danach unbedingt die Haut eincremen (Waschmittel selbst gemacht: Kernseife zum Wäsche waschen und Flecken entfernen).
Heilerde: Giftbinder aus Lehm
Seit dem Mittelalter zählt das feine Erdpulver zu den Allround-Heilmitteln für -allerlei Gebrechen. Dabei handelt es sich um fein zermahlene Mineralien aus Löss, einer Lehmart; je nach Herkunft ist die Mineralzusammensetzung verschieden. Hauptbestandteile sind meist Quarz und Kalk, dazu kommen oft Aluminiumsili-kate und Spurenelemente.
»Heilerde reinigt von innen. Sie saugt überschüssige Magensäure auf und hilft gegen Sodbrennen«, sagt TV-Ärztin Dr. Franziska Rubin (Buch: »Meine besten Hausmittel«, Zabert Sandmann Verlag). Die Erde bindet zudem Gifte im Darm und kann zur Darmsanierung beitragen. »Man kann Heilerde aber auch äußerlich verwenden, etwa für Peelings, bei unreiner Haut oder als Packung bei Gelenk-schmerzen.«
Tatsächlich zeigte eine Studie der Berliner Uniklinik Charité, dass tägliche Heilerde-Masken bei den meisten Akne-Patientinnen das Hautbild deutlich verbesserten. Auch Tiere nutzen die Heilwirkung von Erde: Gorillas oder Gänse etwa verspeisen sie, um die Verdauung und den Mineralhaushalt zu verbessern.
Bismut macht den Magen gut
Ein unerwartetes Comeback feiert derzeit das schwach radioaktive Schwermetall Bismut, auch als Wismut bekannt. Seit 1830 war es Bestandteil von desinfizierenden Wundpulvern und wurde bei Magenbeschwerden oder Durchfall eingesetzt. Generationen von Deutschen schluckten das rezeptfreie Bismut-Mittel »Nervogastrol« gegen Magendrücken und Reizmagen.
»Das Mittel hat mir Jahrzehnte geholfen. Wo ist es geblieben?«, fragte ein 75-Jähriger in einem Internet-Forum. Denn sowohl »Nervogastrol« wie auch Nachfolgepräparate wurden aus dem Handel genommen – kaum Nachfrage und ein (nicht bestätigter) Verdacht auf nervenschädliche Nebenwirkungen.
Freispruch Jetzt darf Bismut wieder von Magenleidenden geschluckt werden. Grund: Studien zeigten, dass das Metallsalz den hartnäckigen Magenkeim Helicobacter pylori vernichten kann. Vor knapp zwei Jahren erhielt ein – allerdings rezeptpflichtiges – Kombi-Arzneimittel mit Bismut als Wirkstoff sowie zwei Antibiotika die Zulassung.
In Großbritannien und den USA hatte man unterdessen nie an der Wirkung gezweifelt: Dort ist seit rund einem Jahrhundert eine Bismutverbindung gegen Übelkeit, Sodbrennen und Durchfall unter dem Namen »Pepto-Bismol« ein Verkaufsschlager.
Borax: Streit ums Spurenelement
Fast ein Jahrhundert gehörten Borwasser, Borsalben oder Borax (= Natriumtetraborat, ein Salz der Borsäure) zu den -Krisenmitteln in heimischen Hausapotheken. Infizierte Augen und Schürfwunden wurden mit Borwasser oder Boraxsalben desinfiziert, als Badezusatz ließ Borax Hautprobleme und Juckreiz verschwinden, das Pulver trieb Fußpilz und Küchenschaben in die Flucht.
Mogelpackung »Kaiser Borax« in nostalgischer Verpackung gibt es auch heute noch. Nur: Borax ist nicht mehr drin. Laut Chemikalien-Verbotsverordnung gilt Borax seit 2009 als Gefahrstoff, weil es laut Tierversuchen als schädlich für Embryonen gilt. Trotzdem ist es in Augentropfen, Kosmetika sowie als Lebensmittelzusatzstoff für echten Kaviar (E 285) erlaubt.
»Kein Widerspruch«, sagt Prof. Dr. Thomas Göen von der Uni Erlangen. »Gibt es einen Verdacht auf Risiken, werden Nutzen und mögliche Gefahren abgewogen, und es wird geprüft, ob der Stoff durch ähnlich wirkende Substanzen ersetzbar ist.« Falls nicht, können Mittel, die in der Kosmetik verboten sind, für Arzneimittel noch erlaubt sein oder umgekehrt.
Knochen-Helfer Bor ist ein Spurenelement, das auch über die Nahrung aufgenommen wird. Forscher vermuten, dass es eine wichtige Rolle beim Knochenschutz, für die Zähne, den Vitamin-D-Stoffwechsel sowie für den Hormonhaushalt spielt; laut Untersuchungen kann Bor Entzündungen hemmen und auch den Testosteron- und Östrogenspiegel beeinflussen. Mittlerweile untersuchen Studien erneut einen medizinischen Nutzen von Borax. Die Diskussion um das alte Hausmittel ist also noch nicht am Ende.
Mehr Infos Buchtipp: Hans R. Kricheldorf, »Erkenntnisse und Irrtümer in Medizin und Naturwissenschaften«, Verlag Springer Spektrum.
Die wichtigsten Hausmittel
Borax – Augen-Klärer & Ameisengift
Anwendung früher: Borax war Bestandteil von medizinischen Bädern, Akne-Salben und desinfizierenden Augenspül-Lösungen. Das Natriumsalz der Borsäure (chemisch: Natriumtetraborat) hemmt überwiegend Pilze und Viren.
Anwendung heute: Verkauft werden darf die Substanz an Chemiker – oder zur Ameisenbekämpfung. Als Nahrungs-ergänzung ist sie verboten.
Risiken: Umstritten. Soll Embryonen -schädigen, aber auch Arthrose lindern.
Extra-Tipp: Bis zur Klärung der Risiken Bor am besten über die Nahrung aufnehmen (in Nüssen, Pfirsichen, Gurken).
Kaliumpermanganat – Wundinfektions- & Giftblocker
Anwendung früher: Das lilafarbene Kaliumsalz der Permangansäure wurde zum Gurgeln bei Halsschmerzen, zur Hautdesinfektion bei Neurodermitis und als Lösung gegen Fußpilz verwendet.
Anwendung heute: Das Salz wird für Magenspülungen nach bestimmten -Vergiftungen eingesetzt; zur Wunddesinfektion wird es kaum noch verwendet. Wer heute größere Mengen der reaktionsfreudigen Chemikalie in Apotheken kauft, muss nachweisen, dass er daraus keinen Sprengstoff herstellen will.
Risiken: Das Salz ist nur wenig giftig, wirkt aber stark haut-und schleimhautreizend.
Extra-Tipp: Anwendung mit dem Arzt absprechen – eine Selbstbehandlung ist riskant.
Bismut(h) – Magensäure-Entschärfer
Anwendung früher: Als Bismuth oder Wismut kam das basische Schwermetall als Wundpulver, Magensäurehemmer und Syphilis-Mittel zum Einsatz.
Anwendung heute: Isolierte Bismutsalze sind nur noch für Tierärzte erhältlich und stecken in wenigen Arzneimitteln und Medizinprodukten, etwa gegen Helicobacter pylori (Magenkeim), Hämorrhoiden oder bakterielle Augeninfektionen.
Risiken: Vergiftungen sind -selten, da Bismut nur schwer über den Darm aufgenommen wird.
Extra-Tipp: Bismut gibt es auch als homöopathisches Mittel. Wirkung fraglich, Nebenwirkungen dafür ausgeschlossen.
Alaun – Schweißhemmer & Blutstiller
Anwendung früher: Alaun (=Kaliumaluminiumsulfat) wurde im alten Ägypten als Flammschutz, von den Römern als Deo und hierzulande bei Haut-und Darmkrankheiten sowie zur Behandlung schlecht heilender Wunden genutzt. Beispiel: Der Rasierstift »Blutstiller«.
Anwendung heute: Wirkt adstringierend (zusammen-ziehend) und schweißhemmend; steckt in Deos (»Bergkristall«-, Mineral-Deos) und Rasierstiften oder -steinen.
Mögliche Risiken: Ob Aluminium krebsfördernd wirkt, wird noch geprüft.
Extra-Tipp: Bei der Blutstillung ist Alaun ungeschlagen. Bis zur end-gültigen Risikobewertung sollte trotzdem auf das Alu-Salz verzichtet werden.
Natron – Mundpflege & Fleckenmittel
Anwendung früher: Natron (Natriumhydrogencarbonat) wurde zur Seifenherstellung, für Bäder, innerlich zur Therapie der Blattern (Pocken) verwendet.
Anwendung heute: In Zahncremes, Bade- und Waschzusätzen (Wasch–Soda), Nahrungsergänzung, Backpulver.
Mögliche Risiken: Nicht bekannt. Erhöht die Muskelleistung, hilft als Fußbad gegen Fuß-und Nagelpilz, soll Metastasen bei Prostata-Krebs vermindern.
Extra-Tipp: Als Badezusatz lockert das basische Salz Muskelverspannungen (Basisches Bad mit Natron: Das bewirkt es und wie Du es selbst herstellen kannst).
Bullrich Salz – Löschmittel bei Sodbrennen
Anwendung früher: Seit 1827 auf dem Markt – eines der ältesten deutschen Mittel gegen Magenprobleme. Werbeslogan 1895: »Hat dein Corpus etwas Stauung, Bullrich fördert die Verdauung.«
Anwendung heute: Das basische Mineralsalz kommt bei Völlegefühl, Blähungen und Reizdarm zum Einsatz.
Mögliche Risiken: Wechselwirkung mit vielen Medikamenten. Bei Überdosen
erhöhtes Risiko für Bakterieninfekte.
Extra-Tipp: Nur kurzzeitig nehmen. Verschlimmert sonst die Beschwerden.
Kampfer – Kreislauf-Kick & Rheumasalbe
Anwendung früher: Das belebende ätherische Öl des Kampferbaums kam schon -im Mittelalter in Form von »Riechfläschchen« zum -Einsatz, wenn Damen der -Gesellschaft Ohnmachtsanfälle drohten. Kampfer wurde zur Stärkung und Kreislaufanregung bei Herzkrankheiten und Lungenentzündung empfohlen.
Anwendung heute: Kampfer-Präparate gibt es als Arzneimittel gegen Herzschwäche und niedrigen Blutdruck oder als Lösung und Salbe gegen Verstauchung, Prellungen und Muskelrheuma.
Risiken: In Überdosen ist Kampfer leber-und nervenschädlich. Es darf nicht bei Babys, Schwangeren oder Epileptikern angewandt werden.
Extra-Tipp: Bei äußerlicher Anwendung Kampferöl nur in max. 10- bis 20-prozen-tiger Verdünnung beimischen.
Melkfett – Zartmacher & Schmiermittel
Anwendung früher: Mit dem Salben-Mix aus gereinigten Mineralölen (Vase-line) ohne Anti-biotika-Zusätze -wurden seit 1882 Kuheuter eingecremt; das Fett verhinderte Hautrisse und Infektionen.
Anwendung heute: Wird bei Schrunden, rissigen Lippen, Neurodermitis oder Schwangerschaftsstreifen angewandt.
Mögliche Risiken: Kosmetische Melkfett-Produkte haben oft wenig mit dem Ur-Rezept aus der Landwirtschaft zu tun, enthalten zum Teil hautreizende Konservierungsstoffe und Kunstdüfte.
Extra-Tipp: Wer zu Hautirritationen neigt, verträgt die klassischen Melkfett-Salben auf Vaseline-Basis meist besser als die modernen Fett-Mixturen.
Essigsaure Tonerde - Coole Sache bei Zerrungen
Anwendung früher: Die Verbindung aus Aluminium und Essigsäure wirkt antientzündlich, antibakteriell, zusammenziehend, kühlend und schmerzlindernd. Seit Jahrzehnten wurden Verstauchungen, Prellungen sowie Hals- und Ohren-Entzündungen durch Umschläge und Wickel mit der sauren Lösung gelindert.
Anwendung heute: Nach Sportunfällen oder Gelenk-Operationen kommt das Hausmittel immer noch zum Einsatz. Wegen seiner erwiesenen antibakteriellen Wirkung auch gegen Problemkeime und Pilze ist die Tonerde auch Bestandteil von Ohrreinigungsmitteln für Tiere.
Mögliche Risiken: Unbekannt. Nur geringe Gefahr einer erhöhten Aluminium-Aufnahme.
Extra-Tipp: Schmerzen bei einem Hals- oder Mandel-Infekt lassen sich durch Halswickel, getränkt mit essigsaurer Tonerde, lindern. Über Nacht anwenden!
Knoblauch-Perlen - Infektschutz & Blutverdünner
Anwendung früher: »Befreit von Gärungs- und Fäulniserscheinungen im Darm, wirkt Eingeweidewürmern ent-gegen«, warb 1930 ein Hersteller für seine Knoblauchpillen (auch -perlen oder -beeren genannt). Angewandt wurden die Präparate zudem bei Bluthochdruck, Arteriosklerose und als Verjüngungskur.
Anwendung heute: Zur Blutverdünnung und Infektvorbeugung. Studien lassen vermuten, dass Knofel-Tabletten
das Grippe-Risiko senken.
Mögliche Risiken: Mundgeruch und Blähungen.
Extra-Tipp: Knoblauch ausquetschen und öfter ins Essen rühren: laut Labor-und Klinikstudien ein wirksamer Infekt- und Gefäßschutz.
Literatur:
Krebserreger entdeckt!: Die verblüffenden Erkenntnisse einer russischen Forscherin
Cannabis gegen Krebs: Der Stand der Wissenschaft und praktische Folgerungen für die Therapie
Reinigung der inneren Organe: Entschlacken und entgiften Sie Ihren Körper
Quellen: PublicDomain/mylife.de am 27.03.2020
Einige der vorgestellten „Hausmittel“ stammen eher aus dem Chemiebaukasten: Bismuth, Borax, Natron, Kaliumpermanganat, Kaliumaluminiumsulfat.
Während echte alte Hausmittel zu kurz kommen: Honig, Heusack, Schwitzkur, Wadenwickel, Zwiebelsaft, Heilkräutertees verschiedenster Mischungen für jeweils bestimmte Beschwerden, Kartoffelwickel, Arnika, Ingwer, Apfelessig usw.
Hausmittel kann man nicht bedenkenlos anwenden. In alten Büchern findet man z.B. sehr spannende Anleitungen für die Durchführung einer Schwitzkur. Die Schwitzkur ist auch sehr wirksam. Nur belastet die leider auch den Kreislauf.