Russland: Putins Rede an die Nation – Verfassungsänderungen angekündigt, Regierung zurückgetreten – Was nun?

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Putins Rede an die Nation und der anschließende Rücktritt der Regierung haben wie eine Bombe eingeschlagen. Viele Leser fragen: Was steckt dahinter?

Man kann hier natürlich nur spekulieren, aber es gibt ein paar Hinweise, was das Ganze bedeuten kann. Um die zu verstehen, muss man sich genau anhören, was Putin über die von ihm vorgeschlagene Verfassungsreform gesagt hat. Ich habe daher diesen Teil, der ganz am Schluss der Rede kam, übersetzt. Nach der Übersetzung versuchen wir mal zu interpretieren, was das bedeuten kann. Von Thomas Röper.

Beginn der Übersetzung:

Das Justizsystem, der Verfassungs- und der Oberste Gerichtshof, spielt eine Schlüsselrolle bei der Gewährleistung der Rechtsstaatlichkeit und der Rechte der Bürger. Ich möchte betonen, dass nicht nur die Professionalität der Richter, sondern auch das Vertrauen in sie bedingungslos sein muss. Gerechtigkeit und das moralische Recht, Entscheidungen zu treffen, die das Schicksal der Menschen betreffen, waren in Russland schon immer von größter Bedeutung. Das Grundgesetz muss die Unabhängigkeit der Richter verankern und schützen, das Prinzip ihrer Unterordnung nur unter die Verfassung und das Recht.

Gleichzeitig halte ich es für notwendig, in der Verfassung die Befugnisse des Föderationsrates als Vertretung des Präsidenten Russlands zur Entfernung von Richtern der Verfassungs- und Obersten Gerichte aus dem Amt vorzusehen, wenn sie Verbrechen begangen haben, oder anders die Ehre und Würde der Verfassung verletzt haben, was bedeutet, dass es einer Person nicht mehr möglich ist, das Amt eines Richters auszuüben. Dieser Vorschlag basiert auf der gängigen Praxis. Das fehlt heute eindeutig.

Um die Qualität der innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu verbessern, um die Interessen der Bürgerinnen und Bürger zu schützen, schlage ich außerdem vor, die Rolle des Verfassungsgerichts zu stärken, nämlich, ihm die Möglichkeit zu geben, die Verfassungsmäßigkeit von neuen Gesetzen auf Ersuchen des Präsidenten zu überprüfen, bevor sie von der Bundesversammlung verabschiedet und bevor sie vom Staatsoberhaupt unterzeichnet werden.

Man könnte auch darüber nachdenken, die Befugnisse des Verfassungsgerichts zu erweitern, um nicht nur Gesetze, sondern auch andere staatliche und regionale Regelungen zu bewerten. (Anm. d Übers.: Das ist ein Problem, dass wir auch aus Deutschland kennen: Ein Gesetz wird beschlossen, dann wird gegen das Gesetz geklagt und nach Jahren stellt das Verfassungsgericht fest, dass das Gesetz gegen das Grundgesetz verstößt. Um dies – auch in Russland existierende Problem – zu beheben, schlägt Putin vor, dass Gesetze nun auch schon vor dem Inkrafttreten vom Verfassungsgericht geprüft werden können)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich betone, dass die heute unterbreiteten Vorschläge natürlich nicht die Diskussionen über mögliche Verfassungsänderungen einschränken sollen. Ich bin sicher, dass öffentliche Vereinigungen, Parteien, Regionen, die Juristenvereinigungen und die Bürger des Landes ihre Ideen einbringen werden. Die breitest mögliche öffentliche Diskussion ist notwendig. Aber da ich diese Diskussion beginne, möchte ich ihr eine bestimmte Richtung geben, zumindest um zu zeigen, vor welchen Herausforderungen wir stehen (Russischer Abgeordneter sagt, Russland sei nicht souverän – Was ist das für ein Video?).

Wir dürfen nicht vergessen, liebe Kolleginnen und Kollegen, was aus unserem Land nach 1991 geworden ist. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hatten wir immer noch die gleichen Ambitionen und natürlich gab es noch das riesige Potenzial: Das menschliche, intellekte, territoriale, kulturhistorische Potenzial, die Bodenschätze und so weiter. Aber es gab auch Gefahren und zwar Gefahren einer Größenordnung, an die damals noch niemand gedacht hatte. Und das ist schade, daran hätte man rechtzeitig denken müssen.

Daher stehen wir in der weiteren Konstruktion des Staates vor einander scheinbar widersprechenden Aufgaben. Sie dienen als Leitfaden für Werte, die auf den ersten Blick unvereinbar erscheinen. Was meine ich? Wir müssen ein System solider, zuverlässiger, unverwundbarer und absolut stabiler Konturen nach außen schaffen, ein System, das Russland seine Unabhängigkeit und Souveränität garantiert. Gleichzeitig ist das System in sich selbst lebendig, flexibel, modern und es ändert sich aufgrund dessen, was in der Welt, um uns herum, und vor allem im Zusammenhang mit der Entwicklung der russischen Gesellschaft selbst geschieht.

Ein System, das auch die Nachfolge der Machthaber oder derer, die in anderen Bereichen eine hohe Stellung einnehmen, sicherstellt. Eine solche Erneuerung ist eine wesentliche Voraussetzung für die fortschreitende Entwicklung der Gesellschaft und für eine vielleicht nicht fehlerfreie, aber stabile Entwicklung. Denn das Wichtigste bleiben die Interessen Russlands.

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Was ist meiner Meinung nach noch prinzipiell wichtig und möchte ich deshalb betonen? Die Änderungsanträge, über die wir diskutieren werden, berühren nicht die Grundfesten der Verfassung, was bedeutet, dass sie vom Parlament im Rahmen des geltenden Verfahrens und des bestehenden Rechts durch Annahme von Verfassungsgesetzen gebilligt werden können.

Angesichts der Tatsache, dass sich die vorgeschlagenen Neuerungen auf wesentliche Veränderungen im politischen System, auf die Tätigkeit der Exekutive, der Legislative und der Justiz beziehen, halte ich es für notwendig, eine Abstimmung der Bürger des Landes über das gesamte Paket der vorgeschlagenen Verfassungsänderungen durchzuführen. Und nur aufgrund des Ergebnisses der Abstimmung können wir eine endgültige Entscheidung zu treffen.

Entscheidend sollte die Meinung des Volkes, unserer Bürger, als Träger der Souveränität und der Macht sein. Alles wird letztlich von den Menschen entschieden: heute, in der Zukunft, bei der Wahl der Entwicklungsstrategie des Landes und in alltäglichen Angelegenheiten des Lebens in jeder Region, jeder Stadt und jedem Dorf. Ein starkes, wohlhabendes, modernes Russland können wir nur auf der Grundlage der bedingungslosen Achtung der Meinung der Menschen aufbauen.

Das kommende Jahr 2020 ist in vielem ein Meilenstein. Es ist der Übergang in das dritte Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts. Russland steht vor bahnbrechenden historischen Herausforderungen und jeder Beitrag ist für ihre Lösung von Bedeutung. Gemeinsam werden wir das Leben auf jeden Fall zum Besseren verändern. Ich benutze oft das Wort „zusammen“, weil Russland wir sind.

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Ich meine nicht diejenigen, die hier im Saal sind, sondern alle Bürger unseres Landes, denn ich bin sicher: der Erfolg hängt von unserer aller Willen ab, unserem Willen zum Erfolg bei unserer Arbeit zum Wohle unserer Familien, unserer Lieben, unsere Kinder, ihrer Zukunft. All das ist das Fundament für die Größe Russlands und für die Würde seiner Bürger (Putin zitiert Merkel nach Moskau: Das Ende der BRD-Simulation?).

Ende der Übersetzung

Das ist das, was bisher bekannt ist und was nun die Analysten umtreibt. Jeder kann sich selbst Gedanken machen, wie er das Gesagte interpretieren will, denn wir werden es erst sicher wissen, wenn die Texte für die Verfassungsänderungen bekannt werden.

Die einen meinen reflexartig, Putin wolle sich mit den Änderungen den Weg frei machen für den Machterhalt nach 2024, wenn seine Amtszeit ausläuft. Man kann das so sehen, auch wenn ich zumindest in dieser Rede keinen Hinweis darauf finde.

Man kann es aber auch so sehen, dass er das Land bereits für seinen Nachfolger – wer immer das sein wird – umbauen will. Dass Putin die Macht des Präsidenten beschneiden will, mehr parlamentarische Kontrollfunktionen einbauen möchte, um Machtmissbrauch durch einen Nachfolger zu verhindern. Die Kommentatoren in Russland – gemeint sind Verfassungsrechtler, die derzeit im Fernsehen einer nach dem anderen interviewt werden – sprechen von einer Neuverteilung der Machtbalance im Lande und danach klingt es für mich auch.

Hinzu kommt, dass Putin selbst von der „Nachfolge der Machthaber“ gesprochen hat, für die ein System geschaffen werden müsse. Das moderne Russland hat mit Machtwechseln praktisch keine Erfahrung und Putin scheint das Erreichte schützen zu wollen. Russland hat nach den Wirren der Jelzin-Jahre, in denen niemand wusste, was der nächste Tag bringt, unter Putin zu einer Stabilität gefunden, die den Menschen Planungssicherheit gibt.

Das scheint er erhalten zu wollen, denn wenn er nach seinen Erfolgen gefragt wird, dann verweist immer wieder darauf, dass Russland endlich Stabilität gefunden hat. Und um die für die Zukunft zu sichern, will er die Machtbalance so verändern, dass es mehr gegenseitige Kontrolle und verteiltere Machtbefugnisse gibt (Russland: Putin erklärt der Rothschild-Mafia den Krieg).

Das ist meine Interpretation, aber die kann falsch sein. Wenn die Texte der Verfassungsänderungen bekannt sind, kann man das besser abschätzen.

Aber Sie kennen nun den entsprechenden Teil der Rede Putins und können selbst darüber nachdenken, was er gemeint hat und was nun zu erwarten ist.


Wenn Sie sich dafür interessieren, wie Russland auf die Fragen der internationalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und ungekürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse.

Thomas Röper – www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“

Literatur:

Codex Humanus – Das Buch der Menschlichkeit

Weltverschwörung: Wer sind die wahren Herrscher der Erde?

Geboren in die Lüge: Unternehmen Weltverschwörung

Quellen: PublicDomain/anti-spiegel.ru am 15.02.2020

About aikos2309

4 comments on “Russland: Putins Rede an die Nation – Verfassungsänderungen angekündigt, Regierung zurückgetreten – Was nun?

  1. russland braucht einfach: das volk entscheidet über gesetz bzw welt braucht das volk entscheidet

    weil das volk eben das volk ausmacht wofür es gesetze gibt

  2. Meiner Meinung nach sieht alles nach einem Scheinmanöver aus. Das Rad, das Putin plötzlich dreht, ist viel zu groß, um Erreichtes zu bewahren. Was er gerade tut, sieht eher nach Zerstörung aus, oder Destabilisierung. Der wahre Hintergrund scheint ein anderer zu sein. Putin zerstört die gegenwärtige Ordnung, um etwas Neues zu schaffen. Der einfache Bürger, wie er schwadroniert, spielt dabei keine Rolle:

    Etwa um die Zeit, als Merkel bei Putin antanzen musste, plapperte eine russische Moderatorin aus, dass Putin als Russlands Präsident noch 2020 zurücktreten werde. Der Grund sei die Schaffung eines neuen Staatenbundes aus Russland und Weißrussland. Putin wolle den Vorsitz dieser neuen Kern-UdSSR übernehmen. Die Moderatorin wurde sofort zurückgepfiffen.

    Ich nehme deshalb an, dass das Referendum zur Verfassungsreform sich vor allem um die Frage dieses neuen Staatenbundes drehen wird. Putin wird sich als Vorsitzender des Staatenbundes wählen lassen. Strategische Verteidigungsfragen werden im Referendum ihren Platz haben. Wer hat das Oberkommando über die Streitkräfte der beiden Staaten? usw.

    Man kann sich auf der Karte ansehen, welchen strategischen Wert das Zusammengehen von Russland und Weißrussland für Putin hätte. Weißrussland treibt einen Keil zwischen die baltischen Staaten und die Ukraine. Und Russland hätte plötzlich wieder eine gemeinsame Grenze mit Polen. Das wird vielen Angst machen.

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