Am Mittwoch war Putin in Ungarn und hat sich mit Ministerpräsident Orban getroffen. Da es sich um ein Treffen der Lieblingsfeinde der deutschen Presse handelte, will ich darüber berichten, worum es bei dem Treffen ging.
Der Spiegel hatte wegen des Treffens regelrecht Schaum vorm Mund, wie man schon an der Überschrift erahnen konnte: „Putin-Besuch in Ungarn – Orbáns Abschied vom Westen„. In dem Artikel selbst fand man die übliche Aneinanderreihung der Klischees über Orban und Putin und darüber, wie Orban sich vom Westen entfernt und Putin angeblich Europa spalten will. Von Thomas Röper.
Über den tatsächlichen Anlass des Besuches fand sich in dem langen Artikel nur ein Satz, der Rest des Artikels schürte Vorurteile:
„Offizieller Anlass sind nach Angaben des ungarischen Außenministeriums Wirtschafts-Gespräche, mehrere Abkommen im Handels-, Energie- und Verkehrsbereich sollen unterzeichnet werden. Orbán dürfte es jedoch vor allem um eine demonstrative politische Geste gehen.“ (Die Nato spielt in Europa mit dem Feuer – Kein Wort in den deutschen Medien)
Tatsächlich war es ein Arbeitsbesuch, bei dem es um wirtschaftliche Fragen ging. Als ich noch überlegt habe, was ich über den Besuch von Putin in Ungarn schreiben soll, hat das russische Fernsehen am Morgen eine gute Zusammenfassung des Besuches gebracht. Um das Rad nicht neu zu erfinden, habe ich den Beitrag des russischen Fernsehens übersetzt, der das Treffen sehr zutreffend zusammenfasst. Sehen Sie selbst, was die Themen bei dem Besuch waren. Interessant sind vor allem Putins Antworten zu Journalistenfragen zur Ukraine und zur europäischen Gasversorgung auf bei der Pressekonferenz.
Beginn der Übersetzung:
Die Ergebnisse der Gespräche, die gestern zwischen den Staats- und Regierungschefs Russlands und Ungarns stattfanden, stehen nun im Rampenlicht der Weltpresse. Insbesondere wird über die mögliche Anbindung Ungarns an das Projekt Turk Stream diskutiert. Wladimir Putin und Viktor Orban sprachen auf einer Pressekonferenz über die Ergebnisse des Treffens.
Das Ergebnis stundenlanger Verhandlungen war die Unterzeichnung einer ganzen Reihe von Abkommen. Die Zusammenarbeit auf den Gebieten Medizin, Sport und Verkehr stand auf der Tagesordnung. Lukoil und Transneft haben sich mit ihren ungarischen Partnern darauf geeinigt, weiterhin Öl über die „Druschba“-Pipeline zu liefern.
Über Ungarn kommen russische Gaslieferungen nach Westeuropa. Budapest erfüllt seine Verpflichtungen, es gibt keine Störungen, aber wie seine Nachbarn, ist es an der Zuverlässigkeit der Versorgung interessiert. Nord Stream 2 soll ebenfalls dazu beitragen. Als Putin in Ungarn war, wurde bekannt, dass Dänemark die Erlaubnis gab, die Pipeline auf seinem Territorium zu bauen.
„Wir begrüßen diese Entscheidung. Dänemark hat sich als verantwortungsbewusster Teilnehmer der internationalen Gemeinschaft erwiesen und seine Interessen, seine Souveränität und die Interessen seiner wichtigsten Partner in Europa verteidigt, die sehr daran interessiert sind, die Versorgung mit russischem Gas für den europäischen Markt zu diversifizieren“ sagte der russische Präsident Wladimir Putin.
Turk Stream wird auch dazu beitragen, Europas Energiesicherheit zu gewährleisten. Die Verlegung der Pipeline durch das Schwarze Meer ist bereits abgeschlossen. Ende des Jahres geht sie in Betrieb. Ungarn verhehlt sein Interesse daran nicht.
„Für uns ist es wichtig, dass das Gas aus verschiedenen Richtungen nach Ungarn gelangt. Je eher wir an Turk Stream angeschlossen werden können, desto besser. Danach werden wir nicht mehr so verwundbar sein“ sagte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban.
Die Ukraine macht Europa im Bereich der Energiesicherheit verwundbar. Putin zufolge waren die trilateralen Konsultationen Russlands, der EU und der Ukraine über zukünftige Gaslieferungen konstruktiv, auch von Seiten Kiews. Der russische Präsident fordert die Beilegung der Rechtsstreitigkeiten zwischen Gazprom und dem ukrainischen Naftogaz. Es ging auch um die Lage im Südosten der Ukraine. Die Presse bat Putin, das jüngste Gespräch des ukrainischen Präsidenten Selensky mit den Kämpfern der Nationalbataillone zu kommentieren, bei dem es zwischen den Gesprächspartnern laut geworden ist.
„Herr Selensky selbst sieht natürlich nicht nach einem ukrainischen Nationalisten aus, aber ob er damit fertig werden wird, kann ich jetzt nur schwer sagen. Ob es richtig war, dass er sich als Präsident und Oberbefehlshaber der Armee für eine solche Form der Kommunikation mit den Soldaten entschieden hat, um diejenigen zu überzeugen, die sich weigern, an der Kontaktlinie seinen Befehlen folgen, weiß ich auch nicht. Die Entflechtung der Kriegsparteien an der Kontaktlinie an nur zwei Dörfern ist ja keine so schwierige Sache. Das geht schon seit Jahren so und jetzt ist auch klar, warum. Die Nationalisten wollen nicht abziehen und lassen die ukrainischen Truppen nicht abrücken. Ich weiß nicht, ob die ukrainische Regierung dieses Problem endgültig lösen kann, aber davon hängt wirklich viel bei der Lösung der Situation im Donbass ab“ erklärte der russische Präsident Wladimir Putin.
Putin wurde nach den Aussichten des Normandie-Formats gefragt. Russland ist bereit für das Treffen, wenn es auch ein Ergebnis bringen kann, aber nicht für leere Gespräche. Moskau habe gezeigt, dass es in der Lage sei, seine Ziele zu erreichen, zum Beispiel im Kampf gegen den Terrorismus in Syrien, obwohl die Lage in dieser Region nach wie vor äußerst schwierig sei, sagte Putin bei einem Treffen mit den Patriarchen der christlichen Kirchen im Nahen Osten.
„Trotz der Tatsache, dass der Nahe Osten die Wiege des Christentums ist, erleben wir jetzt eine sehr schwierige Situation für die Christen des Nahen Ostens, es geht um Mord, Gewalt und Plünderungen. Wir sehen den Exodus der Christen aus dem Nahen Osten, und zwar massenhaft, das muss uns natürlich beunruhigen. Das Herzstück unserer eigenen Identität ist die christliche Kultur. Und wir können bei dem, was im Nahen Osten mit den Christen geschieht, nicht zusehen, wie man sagt, ohne Tränen in den Augen zu haben“ erklärte der russische Präsident Wladimir Putin.
Später sind Putin und Orban ein wenig auf dem Gelände der Residenz des Premierministers, die früher ein Kloster war, spazieren gegangen. Die Staatschefs bewunderten am Abend den Blick auf Budapest von der dortigen Aussichtsplattform aus.
Noch als er ins Auto stieg, wies Putin auf die Bedeutung des Gesprächs mit den Leitern christlicher Kirchen im Nahen Osten hin.
Dann besuchte der russische Präsident noch den Sitz der Internationalen Judo-Föderation. Im informellen Rahmen wurde über die positive Entwicklung des Judo gesprochen. In vielerlei Hinsicht ist dies das Verdienst des Chefs des Internationalen Verbandes Marius Wezer. (Anm. d. Übers.: Putin betreibt aktiv Judo und hat den schwarzen Gürtel, weshalb er bei jeder Gelegenheit – vor allem in Japan – mit den Vertretern des Judo-Sportes zusammentrifft)
„In den letzten Jahren, nach 2008, als Sie Präsident der Internationalen Judo-Föderation wurden, hat sich in diesem Sport viel zum Besseren verändert. Sie haben viel getan, um ihn zu fördern. Judo wird jetzt auf allen Kontinenten praktiziert“ sagte der russische Präsident Wladimir Putin (Russland erlässt Afrika 20 Milliarden Schulden).
Im Gegenzug wünschte der Chef des Internationalen Verbandes den russischen Athleten viel Glück bei den bevorstehenden Olympischen Spielen in Tokio.
Das Programm des russischen Präsidenten endete am späten Abend. Da standen die Details der Entwicklung von zahlreichen gemeinsamen Projekten auf der Tagesordnung: der Bau von zwei neuen Blöcken im ungarischen Kernkraftwerk „Paksch“, die Produktion von Flussschiffen für Ungarn, sowie die Modernisierung der Züge der Budapester U-Bahn.
Ende der Übersetzung
Thomas Röper – www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“
Wenn Sie sich dafür interessieren, wie Russland auf die Fragen der internationalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und ungekürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse. Vor allem die Fragen, wie Putin das Verhältnis zum Westen sieht und ob er die EU tatsächlich spalten möchte, werden in dem Buch ausführlich beleuchtet. Ich kann vorwegnehmen: Nein, Putin ist nicht an einer Spaltung oder Schwächung der EU interessiert, im Gegenteil: Er will eine starke EU, denn nur eine starke EU kann sich von der Dominanz der USA befreien und ihre eigenen Interessen verfolgen, anstatt denen der USA. Und weil Putin der Meinung ist, dass es im Interesse der europäischen Länder, zu denen ja auch Russland zählt, ein gutes Verhältnis zueinander zu haben und eng zusammenzuarbeiten, wünscht er sich eine starke EU, die die Kraft hat, sich auf diese Interessen zu besinnen. Eine gespaltene oder schwache EU wird das nicht leisten können. Aber lesen Sie das im Detail in dem Buch gerne selbst nach.
Quellen: PublicDomain/anti-spiegel.ru am 01.10.2019
Röper ist ein strammer Anhänger der Linkspartei und daher mit Vorsicht zu genießen. Davon, dass er seine Postille unter dem Namen „Anit-Spiegel“ anbietet, sollte man nicht täuschen lassen. Der SPIEGEL vertritt lediglich nicht sein Russland-Bild; ansonsten steht Röper weit links vom SPIEGEL.