Erdbeben und Vulkanausbrüche können katastrophale Folgen haben – gerade in großen Ballungsräumen wie Istanbul oder Neapel. Wissenschaftler können die Gefahren immer genauer bestimmen – mit Forschungsbohrungen in Erdbebengebieten und Computermodellen der Bewegung vulkanischen Magmas.
In Istanbul wohnen rund 16 Millionen Menschen. Sie leben dort gefährlich: „Unter Experten besteht Einigkeit, dass wir in naher Zukunft mit einem starken Erdbeben in unmittelbarer Nähe der Stadt rechnen müssen“, sagt Marco Bohnhoff, Sektionsleiter für Geomechanik und Wissenschaftliches Bohren am Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ in Potsdam.
Historisch ist gut dokumentiert, dass die Metropole am Bosporus im Laufe der letzten Jahrtausende regelmäßig unter starken Beben leiden musste. Insofern können Wissenschaftler dort auf eine im weltweiten Vergleich sehr solide statistische Basis zurückgreifen. Im Schnitt kam es am Marmarameer etwa alle 250 Jahre zu einer solchen Naturkatastrophe, zum bislang letzten Mal im Jahr 1766.
„Neben der Statistik weisen auch aktuelle empirische Daten darauf hin, dass sich aller Voraussicht nach früher oder später ein starkes Erdbeben direkt bei Istanbul ereignen wird“, unterstreicht Bohnhoff die akute Gefahr. Sein Team arbeitet von Potsdam aus mit Erdbebenforschern und dem türkischen Katastrophenschutz AFAD zusammen.
Die Wissenschaftler haben von 2011 bis 2015 am Marmarameer, das südlich der Stadt liegt, ein Erdbebenobservatorium errichtet. Es besteht bislang aus sieben Bohrungen entlang der östlichen Küste und auf Inseln. Sie gehen rund 300 Meter in die Tiefe. Dort unten wurden einerseits Seismometer einzementiert, die wie ein Mikro Deformationssignaturen der teils verhakten, teils aneinander vorbeigleitenden Kontinentalplatten aufnehmen.
„Die anatolische und die eurasische Platte bewegen sich relativ zueinander um 2,5 Zentimeter pro Jahr“, so Bohnhoff, „und bauen dabei enorme Energie auf, bis die Gesteinsfestigkeit überschritten wird.“
Der Bereich direkt vor Istanbul ist bis in mindestens 10 Kilometer Tiefe verhakt
Vier Strainmeter ergänzen die Seismografen. Die Deformationsmessgeräte messen den unterirdischen Atmungspuls der Erdkruste in Form elektrischer Spannungen. Weitere sieben Bohrungen sind geplant. Darin sollen zudem faseroptische Kabel eingesetzt werden. Deren Daten gilt es dann in Echtzeit nach Potsdam und Ankara zu übertragen und mit neu zu entwickelnden Algorithmen so zu nutzen, dass sie ein prognosebasiertes Erdbebenfrühwarnsystem füttern.
Damit sollen Schäden im Fall eines starken Bebens möglichst gering gehalten werden. Schon jetzt wissen die Forscher: Die anatolische Platte vollführt auf 1.200 Kilometer Länge eine gegen den Uhrzeigersinn gerichtete Drehbewegung relativ zu Eurasien, und nur der Bereich unterhalb des Marmarameeres vor Istanbul hat seit 1766 nicht mehr heftig gebebt.
„Solange die Platten dabei reibungsarm aneinander vorbei kriechen, wird kaum Spannung aufgebaut“ erläutert Bohnhoff. „Doch unsere Daten weisen darauf hin, dass der Bereich direkt vor Istanbul bis in mindestens 10 Kilometer Tiefe verhakt ist.“ Hierbei staue sich enormer Druck auf. „Wird die Festigkeit des Gesteins an einer Stelle überschritten, entlädt sich die gesamte angestaute Energie innerhalb von Sekunden und führt zu einem Versatz beider Erdplatten um mehrere Meter.“ Wo die gefährlichen Erdbebenwellen entstehen und wie stark sie sein werden, lässt sich recht genau vorhersagen.
„Das Beben wird aller Voraussicht nach nicht stärker als die Magnitude 7,4 sein“, so Bohnhoff. Klar ist: Da sich das Zentrum des Bebens ganz nah am Stadtzentrum befinden kann, ist die Gefahr enormer Schäden sehr hoch. Wann genau es soweit ist, können die Wissenschaftler jedoch nicht sagen. Dies bleibt die große Herausforderung der Seismologie (Unterseeischer Vulkan spuckte 450 Meter große Lava-Gas-Blasen und erschütterte die Meere).
Neues Verfahren sagt voraus, wo ein Vulkan mit hoher Wahrscheinlichkeit ausbrechen wird
Vor ähnlichen Herausforderungen stehen Wissenschaftler, die versuchen, die Art von Vulkanausbrüchen vorherzusagen. Auch hier können präzise Analysen millionenfach Leben retten. Das Wissen darum, wo es zu einem Ausbruch kommen kann, ermöglicht es auch bei solchen Gefahren, entsprechende Evakuierungs- und Katastrophenschutzpläne zu erstellen.
Zum Beispiel in und um Neapel: Rund um den Vesuv leben gut drei Millionen Menschen. Dass es hier früher oder später zu einem Ausbruch kommt, steht außer Frage. Aber wo und wann genau? Auch hierbei spielen tektonische Spannungsfelder eine relevante Rolle. Westlich des Vesuvs erstrecken sich auf rund 150 Quadratkilometer die Phlegräischen Felder. Unter ihnen liegt eine riesige Magmakammer, die mehrfach heftig ausgebrochen ist und mit ihrer Asche halb Europa überzogen hat (Es brodelt am Vesuv: Supervulkan in Italien steuert auf neuen Ausbruch zu).
Bisher beruhten die Modellrechnungen, wo das Magma beim nächsten Ausbruch seinen Weg an die Oberfläche findet, auf statistischen Auswertungen vergangener Eruptionen. Die Ergebnisse ließen jedoch zu wünschen übrig. „Deshalb haben wir diese Daten mit dem aktuellen physikalischen Wissen darüber unterfüttert, welche Faktoren die Ausbreitung des Magmas steuern, erläutert Eleonora Rivalta, Arbeitsgruppenleiterin in der Sektion Erdbeben- und Vulkanphysik am GFZ. Die von ihr entwickelten Berechnungen berücksichtigen die Lage der Magmakammer.
„Das tektonische Spannungsfeld lässt sich nicht direkt messen, weshalb wir sehr viele Rechendurchgänge mit unterschiedlichen Annahmen zu den Eigenschaften dieses Feldes durchführen mussten.“ Anhand vergangener Ausbrüche wurde das Modell dann mit Hilfe statistischer Verfahren kalibriert.
Für die Phlegräischen Felder erwies sich die Treffsicherheit des Systems als sehr hoch: Das Rätsel um den Ort der bislang jüngsten Eruption ist gelöst. Das Verfahren soll nun an zwei weiteren Vulkanen erprobt werden, dem Ätna auf Sizilien und dem Piton de la Fournaise auf La Réunion im Indischen Ozean.
Vesuv: Schwarmbeben in geringer Tiefe
Am Vesuv gab es einen neuen Erdbebenschwarm. Er begann in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag und bestand aus 15 schwachen Erschütterungen, die sich nordöstlich des Kraters manifestieren. Die Beben hatten allesamt Magnituden kleiner als 1 und lagen nahe der Erdoberfläche.
In der Vergangenheit gab es mehrere vergleichbare Erdbebenschwärme. Die Ursache für diese Beben ist nicht genau geklärt, sie scheinen aber nicht mit Magmenaufstieg in Verbindung zu stehen. einige Wissenschaftler meinen, dass sie durch Schrumpfungsprozesse von sich abkühlendem Gestein im Förderschlot hervorgerufen werden könnten.
Der Vesuv bereitet den Vulkanologen des INGV momentan weniger Kopfzerbrechen, als die benachbarte Caldera Campi Flegrei. Dort könnte sich langfristig betrachtet der nächste Ausbruch im Golf von Neapel ereignen.
Steamboat Geysir weiterhin aktiv
Der weltgrößte Geysir Steamboat – er befindet sich im Norris-Geysir-Becken, im Yellowstone-Nationalpark – springt weiterhin, selbst wenn seine Aktivität ein wenig aus dem Fokus der Medien gerückt ist. Im Oktober wurden 5 Sprünge festgestellt. Der Letzte ereignete sich am 30. Oktober. Zwischen den Sprüngen lagen gut 7,5 Tage. Die längste Wassereruption dauerte 49 Minuten und fand bereits am 1. Oktober statt (Yellowstone Supervulkan: Was wirklich unter dem Vulkan geschieht – Geysir bricht neuen Rekord – unterdrückte Seismik-Daten (Video)).
Seismik und Inflation unter Norris Geyser Basin
Der Geysir liegt in der Yellowstone Caldera, genauer im Norris-Geysir-Becken. Nordwestlich von Norris manifestierte sich in den letzten Tagen ein Schwarmbeben, das bis jetzt mehr als 90 Einzelbeben zählte. Schaut man sich den Graphen der Bodendeformation für das Norris-Geysir-Becken an, erkennt man eine deutliche Inflation.
Die Aufwärstkomponente (untere Grafik) übertraf für 2018 sogar die Werte der Krise von 2004. Die Anhebung seit 2016 beträgt fast 8 cm. Kurz vor dem bisherigen Höhepunkt der aktuellen Inflationsphase setzten auch die Sprünge des Steamboat Geysirs ein. Andere Messstationen zeigen allerdings ehr einen deflationären Trend (Es gibt eine viel gefährlichere Bedrohung als den Supervulkan in Yellowstone, an die kaum jemand denkt (Video)).
Im Allgemeinen wird Inflation durch das Eindringen magmatischer Fluide in den Untergrund hervorgerufen. Bei diesen Fluiden kann es sich um Gas, Wasser, oder Magma handeln. Es liegt also nahe, dass sich unter dem Norris-Geysir-Becken eine größere Menge Wasser ansammelte. Es ist aber auch möglich, dass die Inflation durch die Bildung eines lokalen Magmenreservoirs hervorgerufen wird (Umstrittener Ursprung des Yellowstone-Supervulkans – Geysir springt erneut – Umsiedlung von Amerikanern).
Insofern ist die Situation mit jener der Campi Flegrei zu vergleichen. Hier vermuten die Wissenschaftler, dass sich der Vulkan auf einen Ausbruch vorbereitet, der allerdings nicht die ganze Caldera erfassen wird, sondern sich im Krater der Solfatara manifestieren könnte.
Literatur:
Die Erde im Umbruch: Katastrophen form(t)en diese Welt. Beweise aus historischer Zeit
Quellen: PublicDomain/helmholtz.de/vulkane.net/ am 03.11.2019
Vielleicht sollte man einfach die Fracking- Industrie fragen. Wenn man sich die riesigen Tagebau- Gebiete im Yellowstone Canyon bis zum Grand Canyon anschaut, kann man sich gut vorstellen, dass der Yellowstone- Park eine einzige Abraumhalde ist.
konjunktion.info/2019/09/gastbeitag-der-wald-stirbt-so-wie-die-korallen-durch-climate-geoengineering-klimakontrolle/
Da können Korallenzüchter sicher ein Lied von singen…
energieinitiative.org/fracking-noetiges-uebel-oder-unnoetiges-risiko/#prettyPhoto/2/