Der langjährige CDU-Sicherheitspolitiker Willy Wimmer beleuchtet in seinem neuen Buch kritisch ein altes britisches Strategie-Konzept. „Die ‚Heartland‘-Theorie zur Eroberung der Welt spielt heute noch in London und Washington eine Rolle“, so Wimmer im Sputnik-Interview. „Aber vielleicht ändert sich das unter Trump“, schreibt er im Buch.
Am Montag erscheint das neue Buch von Willy Wimmer im Westend Verlag. Der Titel: „Der Schlüssel zur Weltherrschaft: Die Heartland-Theorie mit einem Lagebericht von Willy Wimmer“. Das Werk verbindet in seiner Analyse historisches Militär- und Strategiewissen aus Großbritannien mit aktuellen Krisenherden und Konfliktzonen dieser Erde.
Denn bis heute spiele in London, Washington und der Nato-Allianz das britische „Heartland“-Strategiekonzept eine entscheidende Rolle, so die Überzeugung Wimmers.
Die Theorie zum „Herzland“ der Welt – damit sind die Kontinente Europa, Asien und Afrika gemeint – entwickelte der einflussreiche britische Geograf Halford John Mackinder ab 1904. Mackinders Projektionen dienen bis heute dem angloamerikanischen Establishment als Blaupause, wie die Welt militärisch und sicherheitspolitisch „zu erobern“ sei, meint der frühere CDU-Spitzenpolitiker. Sputnik berichtete bereits in einem früheren Interview mit Willy Wimmer ausführlich darüber.
„Lettre International“, ein Fachmagazin für Fragen der Diplomatie, veröffentlichte im Frühjahr 2018 einen aufschlussreichen Beitrag zu Mackinders Global-Strategie. „In London“, heißt es dort, „an einem kalten Januarabend im Januar 1904 hielt Halford Mackinder (…) vor den ‚hingerissenen‘ Zuhörern der ‚Royal Geographic Society‘ (…) einen Vortrag, der den kühnen Titel ‚Der geografische Drehpunkt der Geschichte‘ trug.“ (Illuminaten-Agent Martin Bormann lieferte Uran für US-Atombomben – der 2. Weltkrieg war eine Farce – der Beweis!)
„Die Zukunft Britanniens liegt im Herzland“ – Mackinder
In seinem bis heute einflussreichen Vortrag argumentierte Mackinder damals vor Mitgliedern der britischen Elite, „die Zukunft globaler Machtpolitik liege nicht, wie die meisten Briten damals glaubten, in der Kontrolle der Schifffahrtswege des Planeten, sondern in jener der riesigen Landmasse, die er ‚Eurasien‘ nannte.
Er stelle Afrika, Asien und Europa nicht als drei verschiedene Kontinente dar, sondern als eine einheitliche ‚Drehpunktregion‘, wie er sagte. Deren breites und tiefes Kernland – 4 000 Meilen vom Persischen Golf zum Sibirischen Meer – war so weit.“
Der Beitrag setzt die Rede in einen Zusammenhang mit der europäischen Kriegsgeschichte:
„Im Zeitalter der Seemacht, das etwas mehr als 400 Jahre lang gedauert hat – von Portugals Eroberung Malakkas im Jahre 1511 bis zur Abrüstungskonferenz von Washington 1922 – wetteiferten die Großmächte darum, die eurasische Weltinsel über die Seerouten zu kontrollieren, die sich 15 000 Meilen weit von London bis Tokio erstreckten. Das hauptsächliche Machtinstrument (auch für die Briten, Anm. d. Red.) war natürlich das Schiff – erst Karavellen und Galeonen, dann Schlachtschiffe, U-Boote und Flugzeugträger.“
Um 1900 waren es dann neben der einschlägigen Rede von Mackkinder vor allem technologische Neuerungen und Umwälzungen – auch im Militärbereich – die die geopolitische Situation der Erde schlagartig ändern sollten. Das „Heartland“-Konzept bediente auch den damaligen Zeitgeist, der von einem unerschütterlichen Glauben an den technischen Fortschritt geprägt war.
Damals taten „Eisenbahnen wahre Wunder in der Steppe“, lobte der britische Geograf in seinem berühmten Vortrag neue technische Erfindungen. Interessanterweise war für ihn die blutige Materialschlacht des Ersten Weltkriegs „schlicht und einfach ein Duell zwischen Landmacht und Seemacht“, wie er später bemerkte.
„Im Zweiten Weltkrieg hatten Mackinders Ideen eine Auswirkung auf den Kriegsverlauf, die er sich nicht hätte träumen lassen“, so „Lettre International“. „Es zeigte auch seinen Einfluss auf das geopolitische Denken in Deutschland.“
Geopolitische Brisanz bis heute
Buchautor Wimmer stellt in seinem neuen Werk detailliert dar, weshalb die damaligen britischen geostrategischen Überlegungen bis heute die Weltpolitik des Westens dominieren. Beispielsweise schreibt er:
“Von welcher Relevanz diese Fragestellungen sind, hat die Welt feststellen können, als (…) der israelische Ministerpräsident Netanjahu drohte, den früher mit Israel freundschaftlich verbundenen Iran militärisch anzugreifen“, so der Jurist, CDU-Politiker und frühere Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium in seinem neuen Buch.
„Das war selbst den USA zu viel, die Tel Aviv deutlich machten, dass man sich das Recht, über Krieg und Frieden zu entscheiden, alleine für die USA (als Nachfolger des Britischen Imperiums, Anm. d. Red.) vorbehält. Ich selbst konnte bei meinen Gesprächen zwischen 1995 und 1998 in der iranischen Hauptstadt im Auftrag des Bundeskanzlers Helmut Kohl mit der iranischen Staatsführung (…) feststellen, wie begrenzt unsere deutschen Möglichkeiten waren, einen Beitrag zum Frieden leisten zu können.“
„Was treibt London an?“ – Wimmer
Wimmer stellt kluge Fragen in dem neuen Werk:
„Aber was treibt London an? Warum werden Mackkinders Theorie und Weltsicht heute noch gelehrt? Bei den angelsächsischen Streitkräften zum Beispiel …“.
Letztlich waren es laut Wimmer die europäischen Großmächte Russland und Österreich-Ungarn, die sich im 19. Jahrhundert mit der Idee einer „Heiligen Allianz“ nicht durchsetzen konnten, die eine kollektive Sicherheit für ganz Europa, inklusive Russland, hätte gewährleistet können.
Moskau und Wien konnten sich zu Zeiten des „Wiener Kongresses“ nicht behaupten gegenüber einem gigantischen britischen Weltreich, das laut Wimmer „lieber Krieg führen wollte“ als sich einem gemeinsamen Friedensplan für den europäischen Kontinent zu unterwerfen. Diese russischen Sicherheitskonzepte für Europa und Asien würden sich übrigens wie ein „roter Faden“ durch die Geschichte ziehen.
„Im Sommer 1988 formulierte selbst die Führungsspitze der CIA in Washington den Verteidigungspolitikern der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dass die sowjetische Militärpräsenz in Mitteleuropa durch den ‚Schutz von Mütterchen Russland‘ bedingt sei und einen rein defensiven Charakter habe.“ So schildert Wimmer im Buch eine dazu passende Anekdote aus seinem bewegten politischen Leben.
„Und Präsident Trump?“
Autor Wimmer beschreibt in seinem neuen Buch ausführlich die historischen Hintergründe, bleibt dort jedoch nicht stehen. Sprung in die Jetzt-Zeit: „Und Präsident Trump?“ Demnach sei „die Rückführung getöteter amerikanischer Soldaten aus den unbeliebt gewordenen Kriegen in aller Welt“ ein wesentlicher Faktor für die Wahl Trumps gewesen. Für Wimmer sei die aktuelle US-Außenpolitik von „Selbstschutz“ geprägt, wie er schreibt:
„Dies sei ein Selbstschutz „gegen den Rückfall in die amerikanische Kriegspolitik seiner Vorgänger, die den heutigen Zustand der Vereinigten Staaten erst verursacht haben. Worin äußert sich aber dieser Zustand der Vereinigten Staaten heute? Diese Frage wird durch wenig so gut beleuchtet, wie durch eine Betrachtung der Gedanken zum ‚Herzland‘, wie sie Mackinder vor mehr als 100 Jahren im ‚Hotspot‘ des britischen Imperialismus formuliert hatte.“
Trumps Vorgänger im Weißen Haus, Barack Obama, hatte laut „Lettre International“ während „seiner zwei Amtszeiten (…) sich konsequent auf einen anderen geopolitischen Angelpunkt konzentriert: Vom Mittleren Osten bis zu den Küsten Ostasiens wurden US-Stützpunkte ausgebaut und strategische Streitkräfte positioniert, die allesamt dazu dienen sollen, Chinas Aufstieg zu hemmen und seine Versuche abzublocken, Washingtons strategische Position am Rande Asiens einzuschränken.“
Die spannende Frage der nahen Zukunft wird sein, ob unter Trump nun das Ende der globalen US-Kriegstreiberei eingeläutet ist. Dessen Friedensverhandlungen und Vermittlungen zwischen Süd- und Nordkorea oder auch der aktuelle US-Truppenabzug aus dem syrisch-türkischen Grenzgebiet könnten Hinweise auf eine tatsächliche „Pax Americana“ sein. Haben die „Heartland“-Ideen bald ausgedient für Washington und London? Die Welt wäre sicherlich eine friedlichere. Nicht nur Willy Wimmer würde sich das wünschen.
Literatur:
Saturn Hitler: Banken, Astrologie, Kabbala und die Bilderwelt des Dritten Reichs
Quellen: PublicDomain/de.sputniknews.com am 05.11.2019