Prominente Ex-Zentralbanker haben in einem Schreiben EZB-Chef Mario Draghi mit deutlichen Worten kritisiert. Ihr Vorwurf: Draghi hat sein Mandat zu weit überschritten und die europäische Wirtschaft „zombiefiziert“.
„Mit wachsender Sorge“, heißt es in dem Memorandum, über das „Spiegel Online“ am Freitag berichtet, beobachten Ex-Zentralbanker den „anhaltenden Krisenmodus“ der Notenbank. Zu den Unterzeichnern gehören die Deutschen Otmar Issing und Jürgen Stark, die beide einst Chefvolkswirt der EZB waren, und auch die ehemaligen Notenbankchefs Helmut Schlesinger (Bundesbank) und Nout Welling (niederländische Zentralbank).
Zwei Ex-Notenbankchefs aus Frankreich, Christian Noyer und Jaques de Larosière, haben das Papier zwar nicht unterzeichnet, würden aber die Meinung der Autoren zur EZB teilen, berichtete „Spiegel Online“ weiter. Die Unterzeichner gelten als geldpolitische „Falken“. Heißt: Sie plädieren eher für eine strikte Geldpolitik. Draghi wiederum gilt eher als „Taube“ – das sind Notenbanker, die eher die Stimulation der Wirtschaft durch eine expansive Geldpolitik befürworten.
Hier setzt die Kritik der Ex-Notenbanker an. Die Wiederaufnahme der Anleihekäufe durch die EZB werde dem Memorandum zufolge nur wenig helfen. „Im Gegenteil, es liegt der Verdacht nahe, dass dahinter die Absicht steckt, hochverschuldete Regierungen vor einem Anstieg der Zinsen zu bewahren“, zitiert „Spiegel Online“ aus dem Schreiben.. „Aus ökonomischer Sicht hat die EZB die Grenze zur Finanzierung von Staatshaushalten schon überschritten“, heißt in dem Memorandum (EZB-Bank zündet letztes Geld-Feuerwerk (Video)).
Draghis Politik „zombiefiziert“ Europas Wirtschaft
Die Ex-Notenbanker werfen Draghi auch vor, dass seine Politik der niedrigen Zinsen zu einer „Zombiefizierung“ der europäischen Wirtschaft führe. Mit den niedrigen Zinsen würden Banken und Konzerne künstlich am Leben gehalten, heißt es in dem Memorandum. Die Zinsen hätten zudem ihre Steuerungsfunktion bereits eingebüßt, während der Finanzmarkt immer fragiler geworden sei.
Eine weitere Folge der lockeren Geldpolitik sei zudem, dass die Anleger auf der Suche nach Rendite in immer riskantere Anlagen getrieben würden. Das treibe künstlich die Preise in die Höhe – bis es zur Korrektur oder gar Krise kommt: „Sollte eine größere Krise ausbrechen, wird sie ganz andere Dimensionen erreichen als das, was wir bisher gesehen haben“, so die Warnung der Unterzeichner (Bundesfinanzminister: Deutsche Sparer sind am Zinstief mit schuldig).
Sie sehen auch eine sozialpolitische Gefahr: Während die Besitzer von Sachwerten durch die Vermögenspreisinflation immer reicher würden, werde die junge Generation durch die niedrigen Zinsen der Möglichkeit beraubt, durch sichere Anlagen für ihr Alter vorzusorgen.
Auch aktive Notenbanker wie Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatten die jüngsten EZB-Beschlüsse kritisiert (Gutachten: Negativzinsen sind heimliche und rechtswidrige Besteuerung).
Zombiefirmen – Pleitewelle startet mit Thomas Cook
Stehen wir am Beginn einer Pleitewelle von Zombiefirmen? Letzten Monat hat der britische Tourismus-Konzern mitgeteilt, dass man Insolvenz anmelden werde, nachdem die britische Regierung nicht bereit war, weitere 200 Millionen Pfund in das Unternehmen zu investieren.
Dabei zog sich das Siechtum von Thomas Cook schon seit Jahren hin – kaum vorhandene Margen trugen maßgeblich dazu bei, aber auch vom Management verschlafene Megatrends, die die Branche inzwischen stark verändert haben (so zum Beispiel Airbnb).
Dass Thomas Cook so lange überleben konnte, dürfte der fast schon globalen Niedrig- bzw. Nullzinspolitik geschuldet sein, die die Kapitalkosten für die Unternehmen so drastisch reduziert hat. Dennoch gibt es einen hohen Anteil an Firmen, die etwa Markus Krall als „Zombiefirmen“ bezeichnet: also Firmen, die nicht einmal in der Lage sind, die derzeitig so minimalen Kapitalkosten mit ihrem Geschäftsmodell zu verdienen – so wie Thomas Cook. Der Anteil von solchen „Zombies“ unter den Firmen liegt laut OECD in den 14 wichtigsten Industrieländern schon über der Marke von 10% (Zins pervers bis zum Totalverlust: EZB erhöht Minuszins, Euro stürzt ab).
Diese Zombiefirmen sind für Volkswirtschaften sehr schädlich, weil sie faktisch unproduktiv sind, aber gleichzeitig Ressourcen an Geld un Menschen binden, die in anderen Firmen viel produktiver arbeiten könnten. Die Existenz der Zombiefirmen unterbindet damit die „kreative Zerstörung“ im Sinne Schumpeters – verhindert also eine Art Selbstreinigungsprozess der kapitalistischen Wirtschaft, indem schlechte Firmen aus dem System „ausgemendelt“ werden („Es geht ums nackte Überleben!“ Börsenlegende warnt vor Mega-Crash).
Marc Friedrich sieht in unterem Video die Pleite von Thomas Cook als Auftakt einer Pleitwelle von Zombiefirmen – und malt darüber hinaus ein düsteres Bild der deutschen Wirtschaft: nun zeige sich, dass auch das Gelddrucken der Notenbanken nicht mehr reiche, um die Rezession und die Pleite von vielen solcher Zombiefrimen zu verhindern. Friedrich sieht nun das „Endspiel“ herauf ziehen, ja gar einen gewaltigen Crash auf uns zukommen.
Hat er damit Recht? Eines scheint klar: bislang war es der Glaube an die vermeintlich unbegrenzte Macht der Notenbanken, die das System des „höher, schneller, weiter“ immer weiter fortgetragen hat, obwohl wir einerseits demografisch schrumpfen, andererseits ein stetig abnehmendes Produktivitätswachstum haben (und das trotz der digitalen Revolution!).
Was passiert, wenn der Glaube an die Notenbanken verloren geht, weil immer mehr Menschen erkennen, dass die Notenbanken die Dinge nicht mehr im Griff haben – sichtbar an einer rollenden Pleitewelle? (Taumelndes Finanzsystem: Die Manipulation zeigt Folgen)
Literatur:
Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab
Wehrt Euch, Bürger!: Wie die Europäische Zentralbank unser Geld zerstört
Video:
https://www.youtube.com/watch?v=mrbIajCTkUc
Quellen: PublicDomain/Focus/finanzmarktwelt.de am 12.10.2019