Reset für ein Kindergehirn: Der Mehrwert der bildschirmfreien Zeit

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„Falls es unser Plan war, eine Umgebung zu schaffen, um wirklich ängstliche Menschen zu züchten, ist das gelungen“, stellt Janis Whitlock von der Cornell Universität fest. Zu jener Zeit als Smartphones omnipräsent wurden, also ungefähr ab dem Jahr 2011, begannen die Zahlen der psychischen Probleme in die Höhe zu schnellen.

Die Zeit, in die Kinder auf Bildschirme starren einzuschränken, ist keine neue Idee. Die ersten derartigen Kampagnen gab es bereits in den 1990er Jahren. Zu dieser Zeit ging es aber „nur“ um den Bildschirm des Fernsehers.

Die aktuelle Situation, in der es im Alltag durch Smartphones, Tablets, Laptops und Co. kaum mehr ein Entkommen von Bildschirmen aller Art gibt, konnte in den 90er Jahren noch niemand erahnen. Langsam wird man sich über die Folgen für die Entwicklung der Kinder bewusst.

Die Zeit vor dem Bildschirm wird immer länger

Während in der Vergangenheit vorwiegend diskutierte wurde, ob der Inhalt von Filmen oder Spielen für Kinder geeignet seien, steht nun das Problem der exzessiven Zeit vor Bildschirmen im Vordergrund.

Eine Studie aus dem Jahr 2017 mit 1400 Familien zeigt, dass bereits 29 Prozent der Babys (unter 1 Jahr) im Durchschnitt 90 Minuten fernsehen oder Videos auf anderen mit Bildschirmen ausgestatteten Geräten anschauen. 64 Prozent der Kinder im Alter von 12 bis 24 Monaten verbringen durchschnittlich 2 Stunden des Tages damit, auf Bildschirme zu starren. Bei Kindern ab 8 Jahren steigert sich der Durchschnitt bereits auf über 7 Stunden pro Tag.

Dabei zeichnen sich negative Folgen immer deutlicher ab: Von signifikanter Veränderung der Hirnrinde bei Kleinkindern bis hin zum negativen Einfluss auf Stimmung, Verhalten und Wahrnehmung der Kinder.

Smartphones Kinder: Die entscheidenden ersten Jahre

Kinderarzt Dr. med. Dimitri Christakis, der sich mit der Auswirkung von Medien auf Kinder beschäftigt, sagt in einem Vortrag für Tedx Talks:

 „Wenn wir den Beginn der Geschichte verändern, verändern wird den gesamten Verlauf.“

Das Gehirn eines Kleinkindes wächst von der Geburt in den ersten zwei Jahren auf die dreifache Größe. Während alle Neutronen bereits bei der Geburt vorhandenen sind, dauert es ungefähr bis zum dritten Lebensjahr, um Neuronen vollständig zu verbinden. Weitere neuronale „Feineinstellungen“ finden im Alter zwischen 3 und 15 Jahren statt.

Dr. med. Christakis erklärt weiter, dass es keine Studien gäbe, welche die Zeit von Kindern unter 2 Jahren Zeit vor einem Bildschirm rechtfertigen.

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Im Gegenteil, laut Christakis soll das Starren auf Bildschirme die Ausbildung der neuronalen Verbindungen einschränken. Dies könne sprachliche Mängel, Sozial- und Konzentrationsschwächen auslösen.

Nicht nur, dass sich die Neuronen nicht ordnungsgemäß verbinden – es können sogar bestehende Verbinden zerstört werden. Dies ist laut Christakis der Grund, warum manche Eltern einen Rückgang der bereits erlernten Fähigkeiten der Kinder bemerken, wenn sie zu viel Zeit vor dem Bildschirm verbringen (Wie Digitaltechnologie die geistig gesunde Entwicklung von Kindern behindert).

Auswirkungen auf das Gehirn

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Die Angewohnheit ständig das Smartphone zu checken, sich stundenlang Serien und Videos anzuschauen oder Onlinespiele zu spielen, führt zu biologisch zwingenden Verhaltensmustern. Je früher man damit beginnt, desto stärker reizt es das Suchtzentrum im Gehirn.

Chris Anderson, ehemaliger Chefredakteur der Zeitschrift Wired und Erfinder von GeekDad.com, sagt in einem Interview mit der New York Times zum Thema Smartphone – Sucht bei Kindern:

Wenn man die Scala von Süßigkeiten bis Kokain anschaut, sind sie [Smartphones und andere Bildschirme] näher an Kokain. Es schlägt direkt im Belohnungszentrum des heranwachsenden Gehirns an.“

Einer der Gründe dafür ist, dass Touchscreen-Geräte Informationen sofort neue Reize auslösen. Dadurch erwartet das Gehirn schnelle Effekte und konstante Stimuli. Wird diese Erwartung erfüllt, schüttet das Gehirn Dopamin aus, was zu einem Hochgefühl im Körper führt. Dies ist die Grundlage, die zu einem Suchtverhalten führt.

Eine Studie mit 19 Smartphone-süchtigen Teenagern aus dem Jahr 2017 zeigt, dass bei den Betroffenen eine Dysbalance an Neurotransmittern im Gehirn vorliegt. Die erhöhte Expression von GABA-Rezeptoren im Gehirn führt dazu, dass bei zu wenigen neuen und konstanten Reizen das Gefühl von Depression oder Angst auftritt.

Weiterhin zeigen Studien eine Verkleinerung der Großhirnrinde, die für Funktionen wie das Treffen von Entscheidungen, Organisieren, Planen und Impulskontrolle verantwortlich ist. Ebenso schädigt die übermäßige Benutzung von Smartphone & Co. die Inselrinde im Gehirn, welche unter anderem für Mitgefühl und die Verbindung von physischen Geschehnissen mit Emotionen verantwortlich ist.

Emotionale Schwierigkeiten

Catherine Steiner-Adair befragte für ihr Buch „The Big Disconnect“ über 1000 Kinder zwischen 4 und 18 Jahren über ihre Freundschaften zu anderen und ihr Verhalten mit den neuen Technologien.

Dabei kam sie zu dem Schluss, dass Kinder immer mehr verlernen, mit Frustration und Langeweile umzugehen. Dadurch, dass Eltern immer mehr versuchen ihre Kinder mit Smartphones und Co. bei Laune zu halten und abzulenken, lernen die Kinder es immer weniger, sich mit Gefühlen abseits der Ablenkung auseinander zusetzten.

Falls es unser Plan war, eine Umgebung zu schaffen, um wirklich ängstliche Menschen zu züchten, ist das gelungen.“

,kommentiert Janis Whitlock, Wissenschaftlerin auf dem Gebiet der Humanökologie der Cornell Universität die aktuelle Situation in einem Interview. Die heutige Jugend sein in einem Wirbelsturm von Reizen gefangen und können nicht entkommen.

Zu jener Zeit als Smartphones omnipräsent wurden, also ungefähr ab dem Jahr 2011, begannen die Zahlen der psychischen Probleme in die Höhe zu schnellen. Das soll laut dem Generationenforscher Jean Twenge kein Zufall sein. In ihrem Buch „iGen“ befasst sie sich mit den Zusammenhängen und den möglichen Auswirkungen auf die Zukunft.

„Genauso wie das Spielen eines Klaviers Übung erfordert, so brauchen auch unsere sozialen Fähigkeiten Training“, erklärt sie. Die Smartphone-Generationen trainieren ihre soziale Kompetenz im Vergleich zu den Vorgenerationen immer weniger. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie diese im entscheidenden Moment nicht richtig einsetzten können (Warum Ihr Smartphone nicht Ihr Wecker sein sollte – Effektive Möglichkeiten, sich vor Elektrosmog zu schützen).

Die langfristigen Folgen

Die langfristigen Konsequenzen der Dauernutzung der neuen Technologien: Schlafprobleme, die Neigung zu Gefühlsausbrüchen, Wutanfälle, Stimmungsschwankungen und der Verlust der Fähigkeit, Aufgaben zu Ende zu bringen. Oftmals werden diese Symptome bei Kindern fehlinterpretiert und als Lernschwäche, ADHS oder bipolare Störung diagnostiziert. Mittlerweile gibt es dafür aber einen Fachausdruck: „Electronic Screen Syndrome“.

Die Psychiaterin und Autorin Victoria Dunckley sagt dazu:

„Das Endergebnis ist eine falsch regulierte Gehirnfunktion. Das Kind kann seine Stimmung nicht kontrollieren, hat keine Stresstoleranz und bekommt keinen qualitativ hochwertigen Schlaf mehr.“

Weiters kritisiert Dunckley auch interaktive elektronische Lernspiele, die sie als ebenso problematisch ansieht, wie nicht-interaktive Zeit vor dem Bildschirm (Mikrowellensyndrom seit 1932 bekannt: Elektromagnetische Wellen Gefahr für die Gesundheit (Video)).

Die Verantwortung der Eltern

Der erste Maßnahme für Eltern Verantwortung zu übernehmen, ist laut Erzieherin Erika Christakis die eigene Zeit, die Eltern mit Smartphone und Co. verbringen, einzuschränken.

Eltern scheinen bei der Kindererziehung immer mehr abgelenkt zu sein und schneller die Geduld zu verlieren. Eine Studie aus dem Jahr 2014 fand zudem Zusammenhänge zwischen der steigenden Nutzung von Smartphones der Eltern und häufigeren Verletzungen von Kindern zwischen 0 und 5 Jahren.

Besorgniserregende Ergebnisse liefern auch Studien, die sich mit der Sprachentwicklung von Kleinkindern beschäftigten: Je abgelenkter ihre Mütter durch Smartphones waren, desto weniger neue Wörter konnten ihre Kinder am Tag erlernen.

Wir scheinen in das schlimmste Erziehungsmodell hineingestolpert zu sein“, stellt Erika Christakis fest, „Eltern sind physisch anwesend, was die Autonomie der Kinder einschränkt, aber gleichzeitig geistig nur sporadisch anwesend.“

Zudem würden Kinder das Verhalten der Eltern imitieren. Wenn man selbst viel Zeit vor Bildschirmen verbringt, wird es um ein Vielfaches schwieriger Limits für Kinder zu setzten (Smart Meter – Gesetzlich verordnete Mikrowellenbestrahlung).

Tipps, um die Zeit vor Bildschirmen zu reduzieren:

  1. Inkludieren der ganzen Familie. Einer der wichtigsten Tipps ist laut Experten, die ganze Familie in die Reduzierung einzubeziehen. So werden klare Regeln geschaffen und Ausnahmen vermieden
  2. Die Zeit vor dem Bildschirm sinnvoll nutzen. Kinder brauchen immer öfter den Computer für Hausaufgaben oder Eltern selbst haben noch Arbeit aus dem Büro zu erledigen. Auch gemeinsame Filmabende oder ähnliche Aktivitäten, die mit Aufmerksamkeit gemacht werden sind besser, als nebenbei den Fernseher oder Videos laufen zu lassen. Zeit vor dem Bildschirm nur aus Langeweile ohne Beweggrund für die Nutzung sollte vermieden werden.
  3. Möbel verstellen. Viele Wohnzimmer sind so ausgerichtet, dass der Fernseher im Mittelpunkt steht. Experten raten zum Beispiel den Tisch zum Mittelpunkt zu machen, wo sich Kinder mit anderen Aktivitäten beschäftigen können. Zudem dürfen Eltern sich nicht der Illusion hingeben, dass Kinder ständig unterhalten werden müssen. Langeweile und die Notwendigkeit, die eigene Fantasie einzusetzen, ist wichtig für die Entwicklung von Kindern.
  4. Klare Limits setzten. Abmachungen zur Reduzierung der Zeit vor Bildschirmen sollten mit den Kindern klar abgesprochen und dann auch eingehalten werden. Es kann dabei auch hilfreich sein, in manchen Räumen keine technischen Geräte zu erlauben.
  5. Keine Zeit vor dem Bildschirm nach dem Aufstehen. Gerade für kleine Kinder sollten die ersten Stunden nach dem Aufwachen frei von technischen Geräten sein. Fernsehen beim Frühstück oder ähnliches stört die Konzentration bei nachfolgenden Spielaktivitäten.

Erfahrungen zeigen jedoch, dass eine limitierte Zeit vor dem Bildschirm – zum Beispiel 20 Minuten täglich – schwieriger einzuhalten sei als ein komplettes Verbot am Wochenende oder einem bestimmten Wochentag. Mit den folgenden Tipps soll eine völlig bildschirmfreie Zeit in der Familie gelingen („Deutschland verdummt“ – Psychiater hält heutige Kinder später nicht für arbeitsfähig)

„Resetten“ der reizüberfluteten Kindergehirne – Tipps für eine völlig bildschirmfreie Zeit:

Planen und Besprechen. Es ist wichtig, die geplante bildschirmfreie Ziet mit der ganzen Familie zu besprechen. In ihrem Buch „Reset your childs brain“ beschreibt die auf Kinder die unter Smartphone-Sucht leiden, spezialisierte Psychiaterin Dunckely, ein „Reset“-Programm.

Das ganze Programm dauert vier Wochen und gibt dem Kindergehirn die Chance zur Ruhe zu kommen. Die erste Woche soll dem Planen und Besprechen dienen, um sich den Problemen, die durch exzessive Nutzung der neuen Technologien verursacht wird, bewusst zu werden.

Lustige Ersatz-Aktivitäten planen. Das Reset-Programm soll nicht als Bestrafung, sondern als spannendes Experiment angesehen werden. Zudem wirken sich gemeinsame Aktivitäten, bei denen Kinder die volle Aufmerksamkeit der Eltern erhalten, positiv auf das Zentralnervensystem der Kinder aus.

Aus den Augen aus dem Sinn. Dunckley empfiehlt die elektronischen Geräte mit zur Arbeit zu nehmen und sie dort in einer Lade zu verstauen. So kommen die Kinder nicht in Versuchung, die Geräte zuhause zu suchen, um sie im Geheimen zu verwenden.

„Vergessen Sie nicht, dass der Frontallappen des Gehirns bei Kindern noch nicht vollständig ausgeprägt ist. Daher kann auch bei vertrauenswürdigen Kindern, die versprechen nicht mit dem Smartphone zu spielen und es auch wirklich so meinen, die Impulskontrolle versagen, wenn sie dann das Smartphone sehen.“, erinnert Dunckley.

Auseinandersetzung mit Frustration. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden Eltern in ihrem Vorhaben auf Widerstand stoßen. Kleine Kinder werden weinen, ältere Kinder werden streiten oder sogar drohen. Manchmal sind sie zuerst damit einverstanden, geraten dann aber in Panik, wenn es soweit ist.

„Man muss auch die Perspektive der Kinder verstehen, denen etwas genommen wird, wovon sie denken, dass sie es unbedingt in ihrem Leben brauchen und die nicht wissen, wie sie die Leere des Verlustes füllen können. Ein verständnisvoller Umgang ist daher angebracht.“, sagt Dunckley.

Der Mehrwert der bildschirmfreien Zeit

Die erste Woche ohne Smartphone und Co. wird wahrscheinlich schwer werden.

Allerdings sobald das Gehirn der Kinder wieder bekommt, was es für die Entwicklung braucht, ändert sich die Situation. Ausreichend Energie, gute Durchblutung und Nährstoffe gelangen wieder zum Frontallappen des Gehirns und verbessern das Nervensystem.

Wenn die Kinder den positiven Effekt wahrnehmen, wird die Situation laut Dunckley wieder harmonisiert.

Die Ruhepause von Bildschirmen ermöglicht es den Kindern, ihrer Fantasie wieder freien Lauf zu lassen und ihre Kreativität besser zu entwickeln. Bei Kindern aller Altersgruppen wurde durch das „Reset“- Programm von Dunckley eine Verbesserung deer Stimmung und weniger ausgeprägte oder weniger häufige mentale Zusammenbrüche festgestellt.

Aus biologischer Sicht wird das Gehirn von der konstanten Reizüberflutung befreit. Die Folgen sind mehr Energie und eine gesteigerte Aufmerksamkeit.

Eltern wollen das Beste für ihre Kinder – und kleine Veränderungen können große Auswirkungen auf das Leben der Kinder haben.

Wenn die Eltern es sehr beängstigend finden, für eine bestimmte Zeit vollständig auf neue Technologien zu verzichten, profitieren sie selbst wahrscheinlich ebenso von der Maßnahme“, ist Dunckley überzeugt.



Literatur:

Die Smartphone-Epidemie: Gefahren für Gesundheit, Bildung und Gesellschaft

Gesund ohne E-Smog: Neue Strategien zum Schutz vor der lautlosen Gefahr

Mobilfunk die verkaufte Gesundheit: Von technischer Information zur biologischen Desinformation. Warum Handys krank machen

Digitale Erschöpfung: Wie wir die Kontrolle über unser Leben wiedergewinnen

Quellen: PublicDomain/epochtimes.de am 21.10.2019

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