Bis zu eine Milliarde Dollar soll Facebook für das gedankenlesende Armband bezahlt haben.
Facebook hat das Start-up CTRL-Labs gekauft, das Geräte mit Gedanken steuern lassen will. Die Firma hat ein Armband entwickelt, das die neuronalen Signale auf dem Weg zu den Muskeln erkennen und in Befehle für den Computer umwandeln kann. Auf diese Weise werde man dann zum Beispiel ein Foto mit einem Freund nur durch den Gedanken daran teilen können. Das Startup hält die Patente an dem Myo-Armband. Daher schien für Facebook eine Übernahme rentabler.
Bosworth nannte keinen Kaufpreis. Der Finanzdienst Bloomberg schrieb unter Berufung auf informierte Personen, Facebook zahle umgerechnet zwischen 455 und 910 Millionen Euro.
Das Interesse von Facebook an solcher Technologie ist schon länger bekannt. Bereits im Frühjahr 2017 berichtete die damalige Chefin des Facebook-Forschungslabors, Regina Dugan, von Überlegungen, Menschen direkt aus dem Gehirn heraus Worte in den Computer schreiben zu lassen. Damit wäre es zum Beispiel möglich, einem Freund eine Textnachricht zu schicken, ohne dafür das Smartphone aus der Tasche holen zu müssen, hieß es damals.
Die Idee war, dafür Sensoren auf dem Kopf zu nutzen, weil Implantate nicht praktikabel seien. Inzwischen arbeitet unter anderem auch eine Firma des Tech-Milliardärs und Tesla-Chefs Elon Musk daran, einen Stoff zu entwickeln, den man mit neuronalem Gewebe verbinden kann (Künstliche Intelligenz: Mensch denkt, Computer lenkt und wie die Macht unserer Gedanken die Welt von morgen verändert).
So funktioniert das Armband in der Theorie
„Wir haben Neuronen in unserem Rückenmark, die elektrische Signale an die Handmuskeln senden, und ihnen befehlen, sich auf eine bestimmte Art und Weise zu bewegen, etwa um mit der Maus einen Knopf zu drücken. Das Armband will derartige Signale entschlüsseln und in ein digitales Signal übertragen, das Geräte verstehen können“, erklärte Bosworth auf seinem privaten Facebook-Account.
Die Einkaufstour Facebooks kommt nur wenige Tage nachdem Marc Zuckerberg in Washington Gespräche mit Regierungsvertretern führte, die eine Zerschlagung des Konzerns vorschlugen. WhatsApp und Instagram, die Rekordsummen bei der Übernahme erzielten, sollte Zuckerberg wieder abstoßen. Davon zeigte sich der Facebook-Gründer wenig überzeugt.
Der Konzern steht aufgrund des Umgangs mit der Privatsphäre von Nutzerdaten ständig in der Kritik. Größtes Dorn im Auge ist den US-Vertretern die mögliche Wahlbeeinflussung durch ausländische Regierungen, wogegen Facebook nicht ankommt (Neue Künstliche Intelligenz-Supercomputer und düstere Prognosen für das Jahr 2040).
Facebook finanziert Vorversuche für ein Gedankenlesegerät
2017 kündigte Facebook an, ein Stirnband entwickeln zu wollen, mit dem Nutzer pro Minute bis zu 100 Wörter in den Computer diktieren können, indem sie nur an sie denken. Vor kurzem gab der Social-Media-Riese Ende Juli bekannt, dass er dafür umfangreiche Forschungen mit Probanden finanziert hat. Erste Ergebnisse wurden Ende Juli im Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlicht.
Wie die Forscher um Edward Chang von der University of California in San Francisco (UCSF), schreiben, haben sie einen „Sprachdecoder“ entwickelt, der anhand von Gehirnsignal-Analysen versteht, was Menschen sagen wollen. Die Wissenschaftler platzierten dafür Elektrodenblätter, sogenannte ECoG-Arrays, auf dem Gehirn von Freiwilligen, die sich wegen Epilepsie sowieso einer Operation unterzogen.
Tragbares Headset geplant
Damit konnten die UCSF-Wissenschaftler in einem ersten Schritt in Echtzeit ablesen, mit welchen Gehirnsignale die Antworten von drei Probanden auf vorgelesene Fragen aus einer Liste korrespondierten. Eine Frage lautete etwa: „Von 0 bis 10, wie stark sind die Schmerzen, die Sie empfinden?“ Auf eine andere Frage, welches Musikinstrument sie bevorzugten, konnten die Freiwilligen „Klavier“ und „Geige“ antworten. Das System konnte in den Gehirnsignalen sowohl die Frage als auch die gesprochene Antwort signifikant besser erkennen, als dass es sich um zufällige Treffer handeln könnte.
Laut Facebook wird das Forschungsprojekt weiterlaufen. Als nächstes will der Konzern Forschungsbemühungen an der UCSF finanzieren, mit denen die Kommunikationsfähigkeit von Patienten mit einer Sprachbehinderung wiederhergestellt werden könnte. In einer ferneren Zukunft möchte Facebook schließlich ein tragbares Headset entwickeln, mit dem sich Nutzer mithilfe ihrer Gedanken Musik steuern oder in der virtuellen Realität interagieren können.
Aus diesem Grund hat das Unternehmen auch Arbeiten an Systemen finanziert, die das Gehirn von außerhalb des Schädels belauschen und mithilfe von Glasfasern oder Lasern Änderungen der Durchblutung einzelner Gehirnareale messen, ähnlich wie es MRT-Geräte tun. Solche Blutflussmuster repräsentieren nur einen kleinen Teil dessen, was im Gehirn vor sich geht, aber sie könnten ausreichen, um zwischen einem begrenzten Satz von Befehlen zu unterscheiden (Künstliche Intelligenz: Entwicklung von Killerdrohnen, Mind Control und Menschen aus dem 3D-Drucker (Videos)).
Die Gedanken sind frei
„Für mich ist das Gehirn der einzig sichere Ort für Gedankenfreiheit, Phantasien und Meinungsverschiedenheiten“, sagt Nita Farahany, Professorin an der Duke University, die sich auf Neuroethik spezialisiert hat. „Wir sind kurz davor, die letzte Grenze der Privatsphäre zu überschreiten, wofür keinerlei Schutzmaßnahmen getroffen wurden.“ Facebook betont, dass alle an der UCSF gesammelten Gehirndaten an der Universität verbleiben, Facebook-Mitarbeiter jedoch in der Lage sind, diese zu studieren.
Es ist nicht bekannt, wie viel Geld Facebook in die UCSF-Forschung steckt und inwieweit die Probanden über die Rolle des Unternehmens Bescheid wissen. Ein Sprecher der Universität, Nicholas Weiler, lehnte es ab, eine Kopie des Forschungsvertrags oder der von Patienten unterzeichneten Einverständniserklärungen vorzulegen. Er sagte, die Einverständniserklärungen listeten Facebook unter mehreren potenziellen Sponsoren der Forschung auf.
Während ein Gehirnleser eine bequeme Möglichkeit zur Gerätesteuerung sein könnte, würde dies auch bedeuten, dass Facebook Gehirnsignale hört, die weitaus mehr Informationen liefern könnten – etwa darüber, wie Menschen auf Posts und Updates reagieren.
Literatur:
Zukunft ohne Menschen – Was kommt nach uns? Die komplette zweite Staffel [3 DVDs]
Robokratie: Google, das Silicon Valley und der Mensch als Auslaufmodell (Neue Kleine Bibliothek)
Video:
https://www.youtube.com/watch?v=V7B3Z28LHB8
Quellen: PublicDomain/diepresse.com/heise.de am 26.09.2019