Unsichtbare Kontamination: Ein typischer Badetag am Mittelmeer kann erhebliche Mengen an Schwermetallen und Nährstoffen ins Meer schwemmen, wie eine Studie enthüllt. Denn diese Substanzen werden von den ins Wasser gespülten Sonnenschutzmitteln freigesetzt.
An einem normalen Strand kann sich dadurch der Titangehalt im Wasser um 20 Prozent erhöhen, der von Aluminium um vier Prozent. Auch Blei, Cadmium und Phosphate werden in geringen Mengen freigesetzt.
Angesichts der Folgen von Sonnenbrand und zu viel UV-Strahlung ist ein guter Sonnenschutz beim Badeurlaub unverzichtbar. Diese Mittel enthalten teils organische Verbindungen, teils anorganische Nanopartikel, die als UV-Filter wirken.
Das Problem jedoch: Einige dieser Chemikalien zeigen hormonähnliche Wirkungen und könnten die Spermienfunktion stören, wie Studien nahelegen. Nanopartikel wie Titandioxid wiederum stehen im Verdacht, Wassertieren zu schaden und vielleicht sogar Darmentzündungen beim Menschen zu fördern.
Aluminium, Blei und Cadmium
Doch es gibt noch eine weitere Komponente der Sonnenschutzmittel: Schwermetalle. Denn neben dem Titan aus den Titandioxid-Nanopartikeln enthalten gängige Sonnencremes auch Spuren von Aluminium, Cadmium, Kupfer, Mangan, Kobalt, Nickel und Blei. Diese Metalle sind in der Creme oft an organische Chemikalien gebunden. Ob und wie stark sie aber beispielsweise beim Baden ins Meerwasser übergehen, war bislang unklar.
Das haben nun Araceli Rodriguez-Romero von der Universität von Cantabrien in Santander und ihre Kollegen untersucht. Für ihre Studie ermittelten sie zunächst in einem Laborversuch mit frischem Mittelmeerwasser, wie stark und schnell sich die Metalle aus einer gängigen Sonnenmilch mit Lichtschutzfaktor 50 im Meerwasser lösen.
Dann rechneten sie mithilfe eines Modells hoch, welche Mengen an einem typischen Strand am Mittelmeer an einem Tag dadurch freigesetzt werden (Warum Sonnencreme Krebs verursacht (nicht die Sonne) und Pazifikinseln diese verbieten!).
Sonnenstrahlung begünstigt Lösung
Das Ergebnis: Im Meerwasser bildet die Sonnenmilch zunächst stabile Kolloide – schwer lösliche Tropfen aus organischen Chemikalien mit Nanopartikeln und Metallen. Doch unter Einfluss von UV-Licht setzten diese Aggregationen nach und nach die Metalle frei, wenn auch teilweise mit einer Verzögerung von bis zu sechs Stunden, wie die Forscher berichten. Die höchsten Freisetzungsraten fanden sie bei Aluminium, Titan, Molybdän und Mangan.
Was aber bedeutet dies für das Meer an einem Badestrand? Für ihre Modellrechnung gingen die Wissenschaftler von der für einen Sommertag typischen Menge an Badenden an einem Mittelmeerstrand aus. Die Badenden trugen dabei im Schnitt 18 Gramm Sonnenmilch auf – dies entspricht der Hälfte der empfohlenen Menge.
Von dieser Sonnenmilch wird ein Viertel beim Baden abgespült und gelangt ins Meerwasser. Die Simulation zeigte dann, wie sich die Zusammensetzung des Meerwassers in diesem Strandabschnitt dadurch verändert.
Schon ein Badetag verändert das Meerwasser
Das „Strandmodell“ ergab: Schon ein Badetag kann den Gehalt einiger Metalle im strandnahen Meerwasser signifikant erhöhen. „Die stärksten Anstiege fanden wir bei Titan mit 19,8 Prozent, Aluminium mit vier Prozent und Blei mit 0,2 Prozent“, berichten Rodriguez-Romero und ihr Team. Bei Kupfer, Kobalt, Mangan und Cadmium war ebenfalls eine klare Zunahme erkennbar, wenn auch nur im Bereich von einigen hundertstel Prozent.
„Doch diese Spurenmetalle spielen schon in geringen Konzentrationen eine biologische Schlüsselrolle im Ozean“, erklären die Forscher. „Deshalb könnten schon winzige Mengen der gelösten Konzentrationen dieser Metalle Auswirkungen auf die marine Lebenswelt haben.“
So haben Cadmium und Blei schon in den im Modell freigesetzten Mengen einen toxischen Effekt auf Algenzellen. Von Aluminium ist bekannt, dass es Kieselalgen schaden kann und Titan setzt Muscheln unter oxidativen Stress, wie Studien belegen (Sonnencremes zerfallen zu giftigen Verbindungen).
Ökologische Folgen noch weitgehend unbekannt
Nach Ansicht der Forscher könnten Sonnenschutzmittel gerade an stark besuchten Stränden durchaus Auswirkungen auf die marine Lebenswelt haben. Das gilt vor allem dann, wenn die Strände in Buchten mit geringem Wasseraustausch liegen.
Bisher jedoch sind die Effekte der meisten hier untersuchten Metalle auf Meeresorganismen kaum untersucht, wie sie berichten. Angesichts der enormen Touristenmassen, die in jedem Sommer gerade die Strände des Mittelmeeres besuchten, sei dies dringend nötig.
„An den Stränden dieses Meeres erfreuen sich Millionen Besucher jedes Jahr, allein im Jahr 2016 waren es mehr als 300 Millionen Touristen“, so Rodriguez-Romero und ihr Team. Wenn man dann hochrechnet, welche Mengen an Sonnenschutzmitteln verwendet und ins Wasser gespült werden, könnte dies noch unerkannte biologische Folgen haben.
Sonnencremes können Meerestieren schaden
Rund 14.000 Tonnen Sonnencremes landen laut Schätzungen jedes Jahr im Meer. Forscher warnen: Die UV-Filter in den Produkten können schädlich für Korallen und andere Meerestiere sein.
Der US-Bundesstaat Hawaii verabschiedete deshalb im Mai ein Gesetz, das den Verkauf von Sonnencremes mit bestimmten Chemikalien darin verbietet. Am 1. Januar 2021 tritt es in Kraft (Bericht in der „New York Times“). „Das ist ein historisches Gesetz für unsere Meere“, sagt der demokratische Bundesstaats-Senator Mike Gabbard der Deutschen Presse-Agentur.
„Ich hoffe, dass wir in 20 Jahren zurückschauen können und sehen, dass dies der Moment war, an dem wir der Verschmutzung den Kampf angesagt haben, und dass das Gesetz auf der ganzen Welt kopiert wurde.“ Zuvor gab es unter anderem in einigen Teilen Mexikos und an einigen UNESCO-Weltnaturerbestätten ähnliche Verbote.
Zwei schädliche UV-Filter
Das Problem sehen Experten derzeit vor allem in zwei Inhaltsstoffen: Octinoxat und Oxybenzon, beide in Hawaii nun verboten. Sie werden in Sonnencremes als UV-Filter benutzt, sollen die Haut vor der Ultraviolettstrahlung der Sonne schützen.
„Diese Chemikalien sind inzwischen überall in der Natur zu finden, von der Arktis bis hin zu abgelegenen Korallenriffen im Südpazifik“, sagt Craig Downs vom Haereticus-Labor in Virginia. Eine mögliche Folge seien Schäden am Erbgut von Fischen und Korallen.
Natürlich sind die Chemikalien in Sonnencremes nicht die einzige Gefahr für Meere und Korallenriffe – aber Experten hoffen, dass sich dieses Problem vergleichsweise einfach in den Griff bekommen lässt. Rund 14.000 Tonnen Sonnencreme landen Schätzungen zufolge jedes Jahr im Meer. Wo besonders viele Touristen sind – wie in Hawaii mit seinen rund neun Millionen Besuchern jährlich – ist der Schaden im Meer besonders deutlich.
„Meine Prognose ist, dass es bald keine lebenden Korallenriffe in Hawaii mehr geben wird, die Touristen besichtigen können“, sagt Downs (Biologin: Sonnencreme killt Korallen im Reagenzglas binnen 96 Stunden (Videos)).
Literatur:
Vegane Kosmetik: einfach selbst gemacht
Lass dich nicht vergiften!: Warum uns Schadstoffe chronisch krank machen und wie wir ihnen entkommen
Zahnarztlügen: Wie Sie Ihr Zahnarzt krank behandelt
Quellen: PublicDomain/scinexx.de/science.orf.at am 21.08.2019