Nestlé soll Zucker und Fett nach Klöckner-Versprechen nicht reduziert haben

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Verbraucherschutzministerin Julia Klöckner würdigte den umstrittenen Lebensmittelkonzern Nestlé in einem Video dafür, dass er Zucker-, Salz und Fettgehalt seinen Produkten reduziert habe. Die Verbraucherzentrale Hamburg kam bei Proben zu einem ganz anderen Ergebnis.

Nach den herben Verlusten bei der Europawahl zeigte sich die Unions-Parteispitze konstruktiv, und die von Rezo-Debakel besonders getroffene CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer gelobte, „stärker als bisher den Anschluss an die verschiedenen Lebenswirklichkeiten im Land [zu] halten und wieder zurück[zu]gewinnen“.

Bei einem Besuch in Goslar sagte Bundeskanzlerin Merkel (CDU) am Mittwoch:

Das muss die CDU auch wieder machen: Sie muss die Themen aufnehmen der Menschen. Sie darf nicht irgendwie den Eindruck erwecken, als würden wir uns mit den Themen nicht auseinandersetzen.

Die CDU und die „Themen der Menschen“

Doch gerade bei Verbraucher- und Umweltschutz tut sich die Partei trotz anders klingender Verlautbarungen im Koalitionsvertrag schwer. Die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft sowie Verbraucherschutz, Julia Klöckner (CDU), setzt unter anderem bei ihrer Strategie gegen Übermengen an Zucker, Fett und Salz in Lebensmitteln auf freiwillige Maßnahmen der Unternehmen statt auf die von Ärzten und Umweltverbänden befürworteten gesetzlichen Regelungen oder Kennzeichnungen.

Laut der sogenannten „Reduktions- und Innovationsstrategie“ sollen viele Fertigprodukte bis 2025 durch Vereinbarungen auf freiwilliger Basis mit den Herstellern bessere Rezepturen bekommen.

In einem Video mit dem Nestlé-Manager Aurel Boersch Anfang Juni gab sie diesem eine Plattform für die Behauptung, dass Nestlé in seinen Produkten den Gehalt von Zucker, Salz und Fett um zehn Prozent reduziert habe. Der Konzern unterstütze die „Reformulierungsstrategie der Ministerin sehr, sehr gerne“, sagte der Manager.

„Wir machen das ja auch schon seit ein paar Jahren und werden auch in der Zukunft deutlich Salz, Zucker und Fette reduzieren. Jetzt haben wir in den letzten Jahren circa zehn Prozent reduzieren können. In der Zukunft kommen sicherlich noch mal fünf Prozent dazu“, so Boersch.

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Mit dem Video hat sich das Ministerium einen regelrechten Shitstorm eingehandelt. Klöckner wurde vorgeworfen, für Nestlé zu werben und sich von der Industrie vereinnahmen zu lassen. Der SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach bezeichnete den Vorgang als „peinlich, ja bitter“ und twitterte:

Klöckner lässt sich von Nestlé-Lobbyisten erst die Zuckersteuer und die Lebensmittelampel abverhandeln und tritt dann bei PR-Event von Nestlé auf.

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Auch in den eigenen Reihen schien der Auftritt Fragen aufzuwerfen:

Die Verbraucherorganisation foodwatch warf ihr zu große Nähe zu Lebensmittelunternehmen vor. Geschäftsführer Martin Rücker sagte der ARD:

„Nestlé hat gerade im Bereich Kinderlebensmittel ein völlig unausgewogenes, überzuckertes Sortiment.“

Klöckner jedoch wies jegliche Kritik von sich und zeigte stattdessen mit dem Finger auf die Kritiker, die sie als „Hatespeaker“ bezeichnete. Damit habe sie sich jedoch nur auf jene bezogen, die selbst in die Beleidigungskiste gegriffen und sie „Konzernhure“ genannt hätten, hieß es im Nachhinein.

Ein Ministeriumssprecher sagte, wichtig sei, dass die Maßnahmen wirksam seien. Dazu gehöre eben, mit Verbänden zu sprechen.

Und auch mit den Unternehmen, die hier in der Verantwortung stehen, sie in die Pflicht zu nehmen.

Klöckner selbst verteidigte das Vorgehen zum Reduzieren von Zucker, Fett und Salz über freiwillige Vereinbarungen. Wenn dies nicht funktioniere, müssten aber gesetzliche Regelungen her, sagte sie anlässlich einer Veranstaltung der Getränkebranche. Der Zeitpunkt scheint gekommen (Ernährungsministerin verheimlicht Studie zur Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln).

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Einige Produkten enthalten teilweise sogar mehr Zucker

Denn bei der Analyse einer Stichprobe von 24 Nestlé-Produkten von 2008 bis heute stellte die Verbraucherzentrale Hamburg eine durchschnittliche Reduktion des Zuckergehalts von gerade einmal 5,7 Prozent fest, während 13 Produkte sogar noch genauso viel oder sogar mehr Zucker beinhalteten.

Beim Fett konnten die Verbraucherschützer im Durchschnitt gar keine Verbesserung erkennen. Lediglich das Salz habe Nestlé im Schnitt um 11,3 Prozent reduziert.

„Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein Recht auf mehr Transparenz und weniger Schönfärberei“, so Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Wer völlig überzuckerte Kinderprodukte im Zuckergehalt auf ein weiterhin sehr hohes Niveau reduziert, sollte sich nicht auf die Schulter klopfen.“

Nestlé bezeichnete die Untersuchungen als nicht repräsentativ. Dennoch bleibt ein fader Eindruck, der durch eine anscheinend produktübergreifende Aussage eines Konzernvertreters zusammen mit der deutschen CDU-Ernährungsministerin entstanden ist.

Doch erntete die CDU-Ministerin im Fall Nestlé nicht das erste Mal Kritik wegen ihrer Nähe zu Konzernen auf Kosten von Verbraucher- und Umweltschutz. Nach einer Rede beim Deutschen Brauer-Bund ließ sie sich im vergangenen Jahr als „Bierbotschafterin“ mit einem Karton mit der Werbung eines Versandhändlers ablichten und veröffentlichte das Foto auf ihrem Twitter-Kanal.

Im Mai gab es Berichte, dass das CDU-geführte Ministerium staatliche Lebensmittelinspektionen zurückfahren will. Noch gravierender dürfte wohl die im Frühjahr unter Klöckners Zuständigkeit erfolgte Zulassung von 18 Pflanzenschutzmitteln mit Inhaltsstoffen wie dem wahrscheinlich krebserregenden Pflanzenschutzmittel Glyphosat und dem Insektizid Cyantraniliprol sein, die das Umweltministerium gar als rechtswidrig bezeichnete.

Noch immer bestreiten einige Behörden die karzinogene Wirkung von Glyphosat, während in den USA immer mehr Krebspatienten Klagen gegen den Glyphosat-Vertreiber Bayer gewonnen haben (Monsanto im Mund: Umweltorganisation entdeckt hohe Glyphosatwerte in Kinder-Müslis).

Abgesehen von dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Versprechen einer Glyphosat-Reduzierung bis in zum Ausstieg breitet sich das Ackergift immer weiter in bedenklichste Lebensbereiche aus.

Jährlich spritzen Unternehmen, darunter die Deutsche Bahn, und Landwirtschaft tonnenweise Glyphosat, während Anwohner davon nichts erfahren. Behörden in Frankreich fanden Glyphosat in Windeln.

Und in einem Test stellte die Washingtoner Umweltorganisation „Environmental Working Group“ (EWG) in diesem Jahr besorgniserregende Mengen an Glyphosat in Frühstücksprodukten für Kinder fest, mit der höchsten Menge in Nestlés Honey Nut Cheerios Medley Crunch.

Literatur:

Codex Humanus – Das Buch der Menschlichkeit

Harte Kost: Wie unser Essen produziert wird – Auf der Suche nach Lösungen für die Ernährung der Welt

Taste the Waste – Warum schmeißen wir unser Essen auf den Müll?

Das Schweinesystem: Wie Tiere gequält, Bauern in den Ruin getrieben und Verbraucher getäuscht werden

Quellen: PublicDomain/deutsch.rt.com am 23.06.2019

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