Eine neue Studie hat ergeben, dass die Römer möglicherweise »Metamaterialien« verwendet haben, um die Auswirkungen von Erdbeben abzuschwächen.
Als ob das Kolosseum in Rom nicht schon ein beeindruckendes Beispiel für die robuste, altrömische Architektur wäre, glauben Forscher heute, dass seine Erbauer sogar spezielle Fundamente Schutz vor Erdbeben angefertigt haben, die vom Prinzip her dem Konzept ähneln, das unsere heutigen Wissenschaftler auch zur Entwicklung von sogenannten »Tarnkappen« anwenden.
Der Schlüssel dazu liegt in so genannten Metamaterialien – künstliche Materialien, die Eigenschaften aufweisen, die man so in der Natur nicht vorfindet. Solche Materialien sind in der Lage, Wellen zu manipulieren, z.B. elektromagnetische Wellen um ein Objekt herum zu lenken und es auf diese Weise zu verbergen (das Prinzip von militärischen »Tarnkappen«).
In einer neuen auf arXiv.org veröffentlichten Studie kommen das Forscherteam um Stéphane Brûlé vom Ménard Dynamic Soil Laboratory in Lyon gemeinsam und seine Kollegen vom Fresnel Institute in Marseille zu dem Schluss, dass die Fundamente des Kolosseums mit sehr ähnliche Eigenschaften ausgestattet wurden, wie wir sie aus modernen Metamaterialien kennen.
Die französischen Wissenschaftler vermuten, dass dieses verwendete spezielle Material im Falle eines Erdbebens die seismischen Wellen um das Gebäude herum lenken sollte, um es vor Beschädigungen zu schützen.
Brûlé kam während eines Urlaubs zufällig auf diese Idee mit der altrömischen »seismischen Tarnkappe«, als ihm auffiel, dass die archäologischen Fundamente eines gallo-römischen Theaters Markierungen aufwiesen, die eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Muster einer halben »Tarnkappe« hatte.
Er ging mit seinen Kollegen der Sache nach und sie stellten dieses Bodenmuster auch bei den Fundamenten des Kolosseums in Rom sowie verschiedene römische Amphitheater fest. Sie glauben, die römischen Architekten hätten Gitter mit Löchern oder sonstigen stabilen Strukturen um die Gebäude in den Boden eingelassen.
Wenn die seismischen Wellen dann bei einem Erdbeben innerhalb eines bestimmten Wellenlängenbereichs durch das Gitter strömen, heben sie sich gegenseitig auf, was zu einer deutlichen Reduzierung der Erschütterung des Gebäudes führt.
Kritiker argumentieren jedoch, dass der Entwurf einfach nur Zufall gewesen sein könnte. „Die Vorstellung archäologischer Metamaterialien ist eine faszinierende Idee“, sagt der Physiker Greg Gbur im Interview mit Physics World.
„Ich bezweifle jedoch, dass die Bauherren zu jener Zeit ihre Gebäude bewusst erdbebensicher gestaltet haben oder dass sie sogar in der Lage waren, ihre Entwürfe im Laufe der Zeit unbewusst weiterzuentwickeln, um sie sicherer zu machen – die Zeitfenster dafür scheinen zu kurz zu sein.
Ich könnte mir jedoch vorstellen, dass es eine Art »natürliche Auswahl« geben haben könnte, bei der Megastrukturen mit einem zufälligen Erdbebenmantel gebaut wurden, länger überlebt haben könnten als ihre Gegenstücke, so dass wir ihre Überreste auch jetzt noch sehen können.”
© Fernando Calvo für Terra-Mystica.Jimdo.com am 16.05.2019