Fünf große deutsche Medienkonzerne haben sich zusammengeschlossen und nennen sich nun in bestem orwellschem Neusprech „True Media“. Offizielles Motiv ist der angebliche Kampf gegen sogenannte „Fake News“. Doch just diese Verlage ernteten die meisten Rügen des Presserates.
Die Medienkonzerne Axel Springer SE, Hubert Burda Media, Bauer Media Group, Gruner + Jahr GmbH sowie die Funke Mediengruppe nennen sich seit dem 20. November „True Media“, die deutsche Entsprechung wäre „Wahrheitspresse“.
Dass sich diese Kommerz-Medienhäuser einen gemeinsamen Ehrentitel zuerkannt haben, der direkte Assoziationen zum „Truth-Movement“ weckt, welche dieselben Verlage unisono als „absolute Verschwörungstheoretiker“ bezeichnen, ist bei weitem nicht die einzige unfreiwillige Ironie bei diesem Vorgang. Zeitgleich haben die Verlagshäuser aus diesem Anlass eine mehrere Punkte umfassende Agenda veröffentlicht:
1. Wir sichern das publizistische Fundament für die pluralistische Demokratie
Mit unseren journalistischen Inhalten informieren wir die Menschen in unserer pluralistischen, aufgeklärten Gesellschaft. Damit leisten wir einen unersetzlichen Beitrag zur Sicherung der Freiheit von Meinungen und Information in unserer Demokratie.
2. Wir agieren mit Menschen für Menschen
Während Algorithmen der Social Networks mit Reiz-Reaktion-Reflexen arbeiten und das Weltbild durch Filterblasen manipulieren, stellen wir den Menschen mit seiner Kraft zur eigenen Entscheidung in den Mittelpunkt. Unsere Marken und Produkte bestärken den mündigen Bürger und unterstützen seine freie Meinungsbildung – das können und wollen soziale Netzwerke nicht leisten.
3. Wir investieren in die Wahrheit
Unsere publizistische Verantwortung nehmen wir sehr ernst – in Print und Digital. Wir recherchieren, wir überprüfen und wir separieren die Wahrheit, auch die unbequeme, von der Falschinformation – ob es um politische, inspirierende oder unterhaltende Inhalte geht. Dafür beschäftigen unsere Häuser zusammen mehr als 9.000 ausgebildete Journalisten, die dafür jeden Tag im Sinne des Presserechts die Verantwortung übernehmen.
Die formulierte Agenda ist in ihrer Anmaßung kaum zu übertreffen und führt sich selbst ad absurdum, wenn man sich vor Augen führt, welche Art von Printprodukten die genannten Medien-Unternehmen auf den Markt werfen:
Was die den „sozialen Medien“ unterstellten und bemängelten Algorithmen für „Reiz-Reaktion-Reflexe“ angeht, ist die zum Axel Springer SE gehörende BILD-Zeitung noch immer ungeschlagen auf dem deutschen Medienmarkt, ob mit oder ohne Algorithmen (Wem dient Angela Merkel wirklich? Medienmacht in Deutschland).
Doch auch bei allen anderen Verlagshäusern, die sich zu „True Media“ zusammengeschlossen haben, beruht deren Geschäftsmodell genau auf diesem Spiel. Verwiesen sei beispielhaft auf die Boulevardblätter Woche heute, Superillu und Bunte von Hubert Burda Media, Neue Post und Freizeitwoche von der Bauer Media Groupoder Frau aktuell, Das Goldene Blatt sowie Echo der Frau, die alle von der Funke Mediengruppe herausgegeben werden. Auch der sich sonst etwas seriöser gebende Gruner+Jahr Verlag betreibt das Billigboulevardangebot Tag24.
Die Bauer Media Group wurde erst im September 2018 zu einer Strafzahlung von 50.000 Euro verurteilt, weil die vom Verlag herausgegebene Freizeitwoche sechs angebliche „Exklusiv-Interviews mit Sandra Bullock“ veröffentlicht hatte, von der jedoch kein einziges tatsächlich stattgefunden hatte. Ein klassischer Fall von Fake News (Die deutschen Medien im Griff dieser drei Familien).
Auch bei Frau Aktuell investiert man richtig engagiert in die eigene „Wahrheit“: Günther Jauch erzählte dem Boulevardblatt kürzlich, dass er bei einer Prüfung für ein Schwimmabzeichen Befreiungsgriffe unter Wasser vorführen musste, dann aber Panik bekam und die Prüfung abbrechen musste. Daraus macht das Mitglied bei „True Media“:
Das Funke-Produkt Echo der Frau will bei Investitionen in die Wahrheit nicht hintenanstehen und titelt, nachdem Herzogin Meghan mit einem blauen Kleid gesichtet wurde:
Kurz danach trug Queen Elizabeth allerdings rosa Kleidung, was zu der Schlagzeile führte:
Auch der Burda-Verlag ist ganz vorne an der Front im Kampf für die Wahrheit: Dessen Boulevardblatt Woche heute entscheid sich beispielsweise im September 2018 für die Schlagzeile:
Welchen „grausamen und tragischen Schicksalsschlag“ hatte die ZDF-Moderatorin Andrea Kiewel erlitten? Im ZDF-„Fernsehgarten“ unterlief ihr bei einem Gewinnspiel ein Zahlendreher, darum gewann die falsche Teilnehmerin ein Auto und musste dies später wieder zurückgeben.
Angesichts dieser geballten „Investitionen in die Wahrheit“ lässt sich mit Verweis auf die „True Media“-Agenda festhalten: Besser kann man die eigene Aussage „unsere publizistische Verantwortung nehmen wir sehr ernst“ nicht ad absurdum führen.
Der Medienjournalist und Medienkritiker Stefan Niggemeier hat sich die Mühe gemacht und explizit bei den Medienhäusern nachgefragt, ob die „True Media-Agenda“ auch für deren Boulevard-Blätter gilt. Die standardisierte Antwort lautete jedes Mal:
Unsere Thesen zu True Media gelten für das gesamte Spektrum unseres journalistischen Angebots. Ob investigative Recherche oder Unterhaltung. „True Media“ definiert unseren Anspruch, dem unsere Redaktionen versuchen, täglich mit ihrer Arbeit gerecht zu werden. Dabei haben wir stets einen identifizierbaren Absender, für jeden einzelnen Inhalt steht eine verantwortliche Person im Sinne des Presserechts gerade. Wenn wir Fehler machen, dann räumen wir das ein und korrigieren diese.
„True Media“ erklärt mit dieser Aussage zweifelsfrei das Agieren der erwähnten Boulevard-Blätter zum hohen Standard guter journalistischer Arbeit. Quod erat demonstrandum.
Doch damit nicht genug. Im Punkt 3 der Agenda wird getönt: „Dafür beschäftigen unsere Häuser zusammen mehr als 9.000 ausgebildete Journalisten, die dafür jeden Tag im Sinne des Presserechts die Verantwortung übernehmen“ (Immer mehr Medien in immer weniger Händen: Den beiden führenden Medienhäusern laufen die Zeitungskunden davon).
Schaut man sich nun die Übersicht der Rügen des Presserates für das laufende Jahr 2018 an, fällt auf, dass vor allem Produkte der „True Media“ vom deutschen Presserat gerügt worden. Von bisher 24 Rügen in diesem Jahr entfallen mehr als die Hälfte auf die selbsternannten Kämpfer gegen Fake News. Auch für 2017 ergab sich schon ein ähnliches BILD.
Wenig überraschend ist auch dieses Jahr mit weitem Abstand die BILD vom Axel Springer SE Spitzenreiter, was die Anzahl der Rügen des Presserates angeht:
Literatur:
Bewußtseins- und Gedankenkontrolle
Die Macht um acht: Der Faktor Tagesschau (Neue Kleine Bibliothek)
Die Gefallsüchtigen: Gegen Konformismus in den Medien und Populismus in der Politik
Quellen: PublicDomain/deutsch.rt.com am 29.11.2018
Fake News gibt es überall. Mainstream und alternative Medien liegen Kopf an Kopf gleichauf – https://www.youtube.com/watch?v=k4cGJN11MEQ
deutschlandsfreiemedien.de/portfolio/erfahrungsaustausch-fuer-blogger-und-autoren/