Die Südostflanke des Ätna rutscht langsam ins Meer. Nun warnen Forscher, dass dies zu einem Bergsturz mit katastrophalen Folgen führen könnte.
Der Ätna auf Sizilien ist der aktivste Vulkan Europas. Kaum ein Jahr vergeht ohne Ausbruch. Doch langfristig stellt nicht glühende Lava die grösste Bedrohung für die Region dar, sondern das Wasser des Mittelmeers.
Denn der Südosthang des Vulkans ist im Rutschen begriffen. Sollte er auf einen Schlag ins Meer stürzen, droht ein Tsunami enormen Ausmasses.
Grund zur Sorge geben dabei neue Messungen deutscher Forscher, die erstmals belegen konnten, dass sich das Abrutschen des Hanges auch unter der Meeresoberfläche fortsetzt.
Dafür setzten die Wissenschaftler unter der Leitung des Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel ein neuartiges Vermessungsnetz ein, wie sie im Fachjournal «Science Advances»schreiben. Die Ergebnisse bestätigen laut den Forschern die Vermutung, dass der gesamte Südosthang in Bewegung ist.
Ursache für die Bewegung des Hangs ist demnach aller Wahrscheinlichkeit nach hauptsächlich die Schwerkraft und nicht, wie bisher angenommen, aufsteigendes Magma.
Vier Zentimeter in acht Tagen
«Am Ätna haben wir zum ersten Mal die schallbasierte Vermessung unter Wasser, die sogenannte marine Geodäsie, an einem Vulkan genutzt», erklärt Morelia Urlaub, Erstautorin der Studie. Dafür wurden im April 2016 unter dem Wasser fünf Transponder platziert. Drei auf dem abrutschenden Hang, zwei auf stabilem Grund. Anschliessend sendeten diese sich alle 90 Minuten ein akustisches Signal. Veränderungen konnten so zentimetergenau bestimmt werden.
«Wir stellten eindeutig fest, dass der Hang im Mai 2017 innerhalb von acht Tagen um vier Zentimeter Richtung Meer abrutschte und dabei einen Zentimeter tiefer sank», erklärt Urlaub. Diese Bewegung könne mit einem langsamen Erdbeben, einem sogenannten Slow-Slip verglichen werden.
Zeitrahmen offen
«Der gesamte Hang befindet sich durch die Schwerkraft in Bewegung. Daher ist es durchaus möglich, dass er plötzlich abrutscht, was einen Tsunami im gesamten Mittelmeer auslösen könnte», erklärt Heidrun Kopp, Co-Autorin der Studie, in einer Mitteilung. Allerdings sei keine Voraussage möglich, ob und wann es zu diesem Ereignis kommen könnte.
Dass früher oder später aber durchaus ein verheerender Bergsturz passieren könnte, zeigt ein Blick in die Geschichte. «Wir wissen von anderen Vulkanen, die katastrophal zusammengestürzt sind: Es gibt diese Gefahr. Wir müssen den Ätnahang im Auge behalten und beobachten, wie er sich bewegt», sagte Urlaub zu Livescience.com.
Nachtrag zum Titelbild:
Der Ätna ist weiterhin dabei aufzuheizen und kleinere Ascheeruptionen zu produzieren. Im aktuellen Sentinel-Foto sieht man, dass im Norden der Schnee schmutzig aussieht. Diese Verschmutzung ist frische Vulkanasche, welche sich auf dem Schnee ablagerte.
Die Eruptionswolke aus dem NE-Krater sieht etwas dunkler aus, als jene aus der Bocca Nuova. Dem Dampf war etwas Vulkanasche beigemischt. Im Infrarot-Spektrum sieht man die thermischen Anomalien im Zentralkrater und dem NE-Krater. Dafür ist der neue Südostkrater diese Woche fast kalt. Es ist schon erstaunlich, wie schnell sich die Bedingungen am Vulkan ändern können.
10. Oktober: Nachts gab es ein weiteres Erdbeben in der Gegend von Paterno. Es hatte die Magnitude 3,4 und lag in nur 4 km Tiefe. Ein weiteres moderates Erdbeben manifestierte sich vor der Ostküste Siziliens. Dort verläuft eine Störungszone, welche mit dem Ätna assoziiert ist.
Zeitbombe La Palma – Erdrutsch auf der Kanareninsel mit katastrophalen Folgen?
Der Vulkan Cumbre Vieja auf der Kanaren-Insel La Palma kann noch Jahrhunderte lang ruhen, aber wenn er ausbricht, könnte sich ein Desaster über die Meere ausbreiten. Losgerüttelt durch die Eruption könnte ein gigantischer Teil der Westflanke des Berges in den Atlantik rutschen – wobei er massive Tsunamis zu den Küsten Afrikas, Europas, Südamerikas, Neufundlands und möglicherweise auch der Vereinigten Staaten schicken würde.
Im ‚Worst-Case Szenario‘ (detailiert beschrieben von den Geophysikern Steven Ward von der University of California in Santa Cruz und Simon Day vom University College, London, in einem Artikel der Geophysical Research Letters, Ausgabe vom 1. September [2001]) könnte eine halbe Billion Tonnen Vulkangestein in den Ozean rutschen.
Innerhalb von fünf Minuten würde sich eine 1500 Fuß [ca. 457 m] hohe Wasserwand auftürmen und mit einer Geschwindigkeit von 30 Meilen (ca. 48 km/h) hinaus auf´s Meer bewegen. Die Welle würde sich abbauen, bevor sie Land erreicht, könnte aber immer noch 900 Fuß [ca. 270 m] hoch sein, wenn sie auf die nahegelegenen Inseln donnert. Während der nächsten fünf bis 45 Minuten, würden sich eine Serie von Wellen ausbreiten, deren Kämme 150 Fuß [ca. 46 m] erreichen, bevor sie auf die afrikanische Küste, Spanien und England treffen.
Sechs Stunden nach dem Ausbruch würden Wellen, mit eine Höhe von bis zu 30 Fuß [ca. 9 m], Neufundland erreichen und 45 bis 60 Fuß [ca. 14 – 18 m] hohe Wellen würden Südamerika bombardieren, wobei sie große Teile des Landes überschwemmen würden. Neun Stunden nach der Eruption, würden Wellenkämme von 30 bis 70 Fuß [ca. 9 – 21 m] an der Ostküste der Vereinigten Staaten aufschlagen.
Die Wissenschaftler sagen jedenfalls, dass womöglich nicht der gesamte instabile Bereich auf einmal einstürzt. Stattdessen können sich mit der Zeit auch kleinere Erdrutsche ereignen. Diese Erdrutsche würden Wellen von einem Viertel bis zur Hälfte der Höhe des Mega-Tsunamis erreichen. Ferner wird das Desaster nicht in nächster Zukunft erwartet. Der Vulkan Cumbre Vieja brach zuletzt im Jahr 1949 aus und hat seither keine Anzeichen für Aktivität gezeigt.
Tsunamis, die häufig zu Unrecht als ‚Flutwellen‘ bezeichnet werden, reichen bis hinab zum Meeresboden. Draußen auf See erscheinen sie wie gewöhnliche Wellen. Wenn sie jedoch Land erreichen, und der Meeresboden ansteigt, drückt er die Welle hoch. „Wir sollten den Leuten keine Angst machen“, sagte Ward der Associated Press.
„Es gibt mit Sicherheit keinerlei Anzeichen, dass dies irgendwann in näherer Zukunft geschehen wird.“ Wie er hinzufügte, erfolgt selbst dann nicht zwangsläufig ein Erdrutsch, wenn eine Eruption stattfindet. Die Möglichkeit bleibt jedenfalls. Ein gigantischer Riss zieht sich von oben bis unten über die Westflanke des Vulkans, und droht ganz durchzubrechen.
Die Bedrohung kommt nicht überraschend. Erdrutsche kennzeichnen die Geschichte des Vulkans. Ein Haufen Schutt vergangener Erdrutsche liegt an der Vulkan-Basis auf dem Meeresboden.
„Vulkane sind bestrebt, kontinuierlich Lava zu einem steilen Hang aufzuschütten, und eventuell wird der Hang so schwer, dass er nachgibt“, erklärte Peter Lipman, ein Vulkanologe beim U.S. Geological Survey, der Associated Press. „Ich sehe dies nicht als etwas an, das wahrscheinlich sehr häufig auf La Palma passiert. Aber es gab dort schon einmal vor einer halben Million Jahren eine solche Problematik, und es wird sie auch künftig wieder geben.“
Literatur:
Die Erde im Umbruch: Katastrophen form(t)en diese Welt. Beweise aus historischer Zeit