Es ist Fußball-WM. Die Politiker laufen zu Höchstform auf. Die Phase, einer jeden Legislaturperiode, den Kontroll- und Überwachungsstaat abseits des öffentlichen Interesses weiter auszubauen, beginnt.
Am heutigen Mittwoch wird der Rechtsausschuß des Europäischen Parlaments über den weiteren Gang eines Urheberrechtsvorschlags entscheiden, der das Internet, wie wir es kennen, zerstören könnte.
Das klingt nach Dystopie, doch mehr als 70 Experten – darunter Tim Berners-Lee, Erfinder des World Wide Web und Wikipedia-Gründer Jimmy Wales – haben den Vorschlag bereits vehement kritisiert.
Nach ihrer Meinung wird insbesondere Artikel 13 der Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt das Internet zu einem „Werkzeug für die automatische Überwachung und Kontrolle seiner Nutzer“ machen (WM 2018: Gesetze und Reformen – Fußball als Ablenkungsmanöver).
Urheberrecht soll generell geprüft werden
Dieser verpflichtet, „Diensteanbieter der Informationsgesellschaft, die große Mengen der von ihren Nutzern hochgeladenen Werke (…) speichern oder öffentlich zugänglich machen,“ die Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte zu prüfen.
Aus dem Juristendeutsch übersetzt, werden Onlinedienste, wie Facebook, Youtube, Twitter, Wikipedia und viele Mehr dazu verpflichtet, jede von ihren Nutzern hochgeladene Datei auf mögliche Urheberrechtsverletzungen zu durchsuchen. Sie würde für entsprechende Vergehen ihrer Nutzer haften.
Julia Reda, Abgeordente der Piraten im EU-Parlament, geht davon aus, daß hinter der neuen Richtlinie vor allem große Verlage stecken.
Sie sagte: „Sie erhoffen sich einerseits zusätzliche Profite, und andererseits etwas Kontrolle über das Netz zu erlangen, nachdem sie die digitale Transformation Großteils verschlafen haben.“ Die Meinungsfreiheit im Netz werde damit abermals eingeschränkt (DSGVO: Die schlimmste EU-Zensur-Attacke der Geschichte).
Ein weiteres Instrument zur Überwachung
Die Richtlinie sieht neben dem Upload-Filter auch ein Leistungsschutzrecht für Verlage (Artikel 11) vor. Das würde diese berechtigen von Google, Facebook und allen anderen Plattformen, die Ausschnitte ihrer Inhalte publizieren, Geld zu verlangen.
Vor allem Abgordete der EVP, der Christdemokraten und Konservativen, haben sich von Springer, Bertelsmann, Burda Medien und Co einlullen lassen. Doch insbesondere der Upload-Filter ist eine essenzielle Gefahr für die Freiheit des Internets, die seit Jahren massiv beschnitten wird.
Artikel 13 schafft nämlich ein weiteres Instrument, um Kritik an den europäischen Regierungen zu unterbinden. Wenn die Unternehmen erst Upload-Filter für Urheberrechtsverletzungen implementiert haben, warum sollten sie dann nicht auch dazu gezwungen werden, diese gegen Kritiker von Merkel und Macron einzusetzen?
Zum Schutze der Konzerne und gegen Innovation und Freiheit
Auch in wirtschaftlicher Hinsicht würde die Richtlinie Europa weit zurückwerfen. Die Chancen für Kunst, Kreativität und Innovationen würden weiter beschnitten. Kleine Verlage, Publizisten und Start-Ups sähen sich dann einer weiteren, von den Konzernen aufgestellten, Hürde gegenüber.
Die Barrieren vor dem Markteintritt wären aufgrund des Leistungsschutzrechtes und den damit verbundenen Kosten noch massiver als ohnehin schon.
Freier Markt und freie Gesellschaft sehen anders aus. Was wir heute erleben, ist ein weiteres trauriges Kapitel der toxischen Liebesgeschichte von Staat und Konzernen.
„Zensur-Filter“ fürs Internet
Das neue auf uns alle zukommende Gesetz nennt der YouTuber „PietSmietTV“ einen „Zensur-Filter“. Schauen Sie dazu gerne die beiden Videos, die ihnen die bevorstehenden Auswirkungen des Gesetzes gut erklärt aufzeigen.
Das Problem heißt Upload-Filter. Twitter, YouTube, Instagram, Facebook, quasi alle Social Media-Plattformen würden dann verpflichtet werden das Hochladen sämtlicher Inhalte (Texte, Fotos, Videos, Grafiken) zu blockieren, wenn der Filter glaubt zu erkennen, dass es sich dabei um urheberrechtlich geschütztes Material handelt.
Dabei entstehen viele Probleme: Erstens werden diese Filter aus Gründen der Vorsicht wohl deutlich mehr Uploads blockieren als nötig. Wer will sich schon Millionen-Bußgeldforderungen einhandeln? Und noch wichtiger ist: Satire-Zeitungen, kritische Journalisten, kritische Privatpersonen und jede Menge Spaßmacher verwenden derzeit legal dank des Zitat-Rechts zum Beispiel Fotos oder Video-Schnipsel, um sie mit eigenen Grafiken und Texten zu verändern, und dadurch im Rahmen der künstlerischen Freiheit neue Inhalte zu schaffen.
Nur so ist das Internet überhaupt so weit gekommen. Nur so kann kritisch und satirisch über Probleme oder aktuelle Vorkommnisse berichtet werden. Oder sagen wir es mal so: Ohne diese Möglichkeit wäre die Berichterstattung von Medien und die künstlerische Freiheit in der EU drastisch eingeschränkt. Wie vorher beschriebenes verändertes Original-Material wäre dann vom „Zensur-Filter“ betroffen, und könnte erst gar nicht hochgeladen werden.
Auch wäre der Effekt des Gesetzes, dass quasi die ganze Internet-Community in Europa auf einen Schlag dramatisch weiter zurückfallen würde hinter der Kreativ-Community in den USA, Israel, Kanada und überall sonst auf dem Planeten (vielleicht mit Ausnahme von Kuba, China und Nordkorea). Die Auswirkungen so einer generellen Blockade sind noch gar nicht abzuschätzen, und werden vielen von uns wohl erst bewusst, wenn es zu spät ist.
Laut dem von vielen gehassten, aber auch von vielen gemochten Sascha Lobo (aktuellster Artikel dazu hier) wird eine knappe Mehrheit der Parlamentarier für dieses Gesetz stimmen! Laut Lobo ist die treibende Kraft hinter dem neuen „Leistungsschutzrechtgesetz“ der Axel Springer-Verlag, der massive Lobby-Arbeit in Brüssel betrieben haben soll.
Der Verlag will damit quasi (wie es Sascha Lobo formuliert) automatisch von Google Geld kassieren. Klicken Sie auf den obigen Link um seinen ganzen Artikel zu lesen. Es scheint so, als hätten sich deutsche CDU/CSU-Abgeordnete von Springer ordentlich einwickeln lassen, die dann wiederum Druck auf ihre nicht deutschen Kollegen in Brüssel ausgeübt haben.
Der Upload-Filter aber ist eine essenzielle Gefahr für die Freiheit von Social Media, für die Freiheit der Kritik, Kunst und Kreativität. Wie gesagt: Kommt das Gesetz durch, hängt sich Europa freiwillig massiv von Innovation und Kreativität im Internet ab!
Nachtrag: EU-Rechtsausschuss stimmt für Leistungsschutz und Upload-Filter
Der Rechtsausschuss im Europäischen Parlament hat sich beim europäischen Urheberrecht für die umstrittene Einführung von Upload-Filtern auf großen Online-Plattformen und das sogenannte Leistungsschutzrecht für Presseverlage ausgesprochen. Beide Entwürfe erhielten am Mittwoch in einer geheimen Abstimmung eine knappe Mehrheit. Aller Voraussicht nach wird das Plenum im Juli darüber entscheiden, ob das Parlament zu diesem Thema in Verhandlung mit den EU-Staaten treten wird.
Grundlage des Entwurfs, über den der Rechtsausschuss abstimmte, war ein Gesetzesvorschlag, den der damalige EU-Digitalkommissar Günther Oettinger 2016 vorgelegt hatte (Unglaublich: EU-Internetzensur geht weiter – Viele wichtige Foto-Dokumentationen werden verboten).
Kritiker befürchten durch eine solche Neuregelung das Ende des freien Internets und sehen die Meinungsfreiheit bedroht. Upload-Filter würden für Zensur sorgen. „Das Internet, wie wir es kennen, wird sich ändern, wenn Plattformen systematisch Inhalte filtern müssen, die Nutzer hochladen“, sagte die Generaldirektorin des europäischen Datenschutzverband Beuc Monique Goyens. Dadurch werde das Netz von einem Ort des Teilens zu einem Ort der Kontrolle.
Außerdem kritisieren sie, dass Upload-Filter nicht wissen können, ob geschützte Inhalte legal – etwa als Parodie oder Zitat – genutzt werden. Sie sehen auch das Erstellen sogenannter Memes (Internet-Insiderwitze), die häufig auf Kurzsequenzen aus bekannten Filmen beruhen, gefährdet.
Dem schließt sich auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen in Deutschland an. „Besonders bitter ist, dass keine wirksamen Gegenmaßnahmen für Nutzer eingeführt wurden, um ihre rechtmäßigen Inhalte vor entsprechender Blockierung zu schützen“, bemängelt Vorstandsmitglied Klaus Müller. „Vollkommen legale Inhalte können so mit Verweis auf die Nutzungsbedingungen der Plattform leicht verschwinden.“
Literatur:
Das Ende der Demokratie: Wie die künstliche Intelligenz die Politik übernimmt und uns entmündigt
Deep Web – Die dunkle Seite des Internets
The Dark Net: Unterwegs in den dunklen Kanälen der digitalen Unterwelt
Videos:
Quellen: PublicDomain/jungefreiheit.de/lto.de/news-for-friends.de am 20.06.2018
Weitere Artikel:
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