Rente in Deutschland: Nach Essen und Arztkosten bleibt nicht mehr viel übrig

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Vom Bild eines reichen, im Überfluss lebenden Deutschland bleibt nicht viel übrig, blickt man auf die Lebenswirklichkeit von Millionen Durchschnitts- und Kleinrentnern. Die Situation dürfte sich in den kommenden Jahrzehnten indes noch weiter zuspitzen.

Wie alle Bewohner früherer sozialistischer Länder, die in Deutschland leben, war ich bis zuletzt davon überzeugt, dass ein Alter in Deutschland nur ein würdiges Alter sein kann: Jeder bekommt eine Rente, von der man nicht nur gut leben, sondern auch die Welt bereisen und Kinder und Enkel unterstützen kann.

Neulich traf ich aber meine 90-jährige Nachbarin von oben weinend vor dem Windfang an: Sie hatte unerträgliche Beinschmerzen, ein Termin beim Chirurgen oder Orthopäden wäre jedoch erst in drei Monaten frei – wegen der vielen Wartenden. Kurz darauf musste auch mein Kind zum Orthopäden.

Ich rief bei einer Praxis an, um einen Termin zu vereinbaren, und bekam zu hören: Wenn ich pflichtversichert bin, bekommt mein Kind nicht früher als in zweieinhalb Monaten einen Termin, weil die Quoten erschöpft sind; bin ich aber privat versichert oder zahle gar selbst, dann gern schon am Tag darauf.

Ähnliches geschah meiner Kollegin: Sie litt an heftigen Magenschmerzen und war gezwungen, drei Monate auf eine Darm- und Magenspiegelung zu warten; vier Monate wartete ein Erzieher in der Kita, die mein Kind besucht, auf einen Termin für eine Computertomografie.

Sicher, sie hätten alle die Arztbesuche aus eigener Tasche bezahlen können – doch 1.000 Euro für eine Untersuchung oder 200 bis 300 für einen Facharzttermin können sich nicht einmal alle Arbeitenden leisten. Ganz zu schweigen von Rentnern: Von ihnen lebt jetzt schon eine knappe Million unter der Armutsgrenze und ist nach Renteneintritt zwischen 65 und 67 – gilt ja für Männer und Frauen gleichermaßen – gezwungen, Pfandflaschen zu sammeln, Zeitungen zu verkaufen oder auszutragen, Kleinreparaturen und andere Dienstleistungen auszuführen – um sich nach Abzug aller Fixkosten wie Wohnungsmiete, Krankenversicherung und Arzneimittel noch etwas zu Essen leisten oder im Winter die Heizung bezahlen zu können.

Gekürzte Rente ist der Regelfall

Wie ist das im von Wohlstand geprägten Deutschland überhaupt möglich? Die Antwort: Trotz scheinbar würdiger Rentenhöhe bleibt dem Durchschnittsrentner ein Minimum in der Tasche, von dem man nur schwer leben und oft nicht einmal überleben kann. Betrachten wir mal die Lage mit Zahlen vor den Augen:

Gemäß Bericht des Ministeriums für Arbeit und Soziales leben in Deutschland etwa 21 Millionen Rentner bei einer Gesamtbevölkerung von 82 Millionen, Stand 2016. Das sind etwas über 25 Prozent der Bevölkerung bei einem Renteneintrittsalter von 65 Jahren für Frauen und 67 Jahren für Männer.

Dabei bekommen 78 Prozent der Rentner, in Zahlen ausgedrückt etwa 16.380.000, eine gekürzte Rente: Sei es, weil die Berufstätigkeit unter 40 Jahre beträgt, etwa wegen Geburt eines Kindes – also bei so gut wie jeder Frau -, sei es wegen häuslicher Pflege von Verwandten. Stand 2016 betrug die durchschnittliche gekürzte Rente bei Frauen 671,32 Euro, bei Männern 1.065,36.

Gemäß dem Rentenrechner muss ein Mann, der eine solche Rente bekommt, insgesamt 30 Jahre gearbeitet haben für einen Durchschnittslohn von 2.000 Euro, also einen Aufstieg hingelegt haben. Nach Daten von statista.com betrug der Durchschnittslohn in der BRD der 1980er Jahre nämlich noch 2.500 Deutsche Mark, also umgerechnet 1.300 Euro, und 2.783 Euro in 2016, auch wegen der gewachsenen Kluft zwischen den höherverdienenden zehn Prozent der Arbeitnehmer und dem Rest (Rentenpolitik und Arbeitsmarkt: Abstieg ins Prekariat – totale Verarmung setzt sich fort!).

Von der Sozialversicherung bis zur Wohnungsmiete und Fernsehgebühr

Die Rente in den genannten Höhen ist bei den heutigen Preisen schon auf den ersten Blick als knapp einzustufen. Doch wieviel davon steht dem Rentner tatsächlich zur Verfügung? Gibt man 2018 als das Renteneintrittsjahr in den Rentenrechner ein, kommt heraus: Von einer Rente von 1.065,77 Euro pro Monat gehen 77,77 Euro für die medizinische Pflichtversicherung ab, weitere 27,17 Euro für die Pflegeversicherung.

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Daneben muss jeder Rentner die Ausgaben der Deutschen Rentenversicherung für die Bearbeitung seiner Rentensache tragen (102 Euro) und damit zusammenhängende weitere Ausgaben (36 Euro). So hat der Rentner von den nominal 1.065,36 Euro de facto nur 960,42 Euro zur Verfügung. Noch interessanter ist die Lage der Rentnerinnen, deren Rente der Nennhöhe nach bereits sehr knappe 671,32 Euro beträgt und nach Berücksichtigung aller Pflichtabzüge, gemäß demselben Rentenrechner nur 605,19 Euro.

Von dieser Rente – nach Renteneintritt mit 67 – muss sodann die Wohnraummiete bestritten werden. Dies sind 360 Euro oder mehr, wenn man sowohl einerseits die bei Rentnern üblichen Langzeit-Mietverträge bedenkt als auch die Tatsache, dass andererseits die meisten Rentner in Städten mit ihren höheren Mietpreisen leben.

Von dieser Rente zahlt man auch noch die Mietnebenkosten, im Schnitt 150 Euro im Monat, davon 40 bis 50 Euro an Heizkosten und 30 bis 40 an Stromkosten. Besonders im Fall der Rentnerin wird das Geld richtig knapp: Ihr bleiben für Essen, Haushaltsbedarf, Arzneimittel, Fahrkarten der öffentlichen Verkehrsmittel und Telekommunikation noch ganze 95 Euro und 19 Cent im Monat.

Umgerechnet 49 Euro pro Monat zahlt man für Fahrten im öffentlich-privaten Nahverkehr – im günstigsten Fall der Jahresfahrkarte. Hierbei gilt es zu bedenken, dass der ÖPNV nur in den größeren ostdeutschen Städten gut entwickelt ist, während es im ebenfalls großen westlichen Frankfurt am Main ohne PKW oder Fahrrad sehr schwer ist, wenn man nicht gerade im Stadtzentrum wohnt.

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Ein Telefonanschluss kostet von 20 Euro aufwärts im Monat – wobei, je nach Anbieter und Tarif, unter Umständen noch für jede Minute gezahlt werden muss. Nicht zu vergessen: der Rundfunkbeitrag von umgerechnet 17,50 monatlich.

Bald jede vierte Rentnerin unterhalb des Existenzminimums

Und so müssen um die 1,5 Millionen Rentnerinnen in Deutschland faktisch entscheiden, was sie sich leisten wollen: Essen, Arzneimittel oder Haushaltswaren kaufen, sich einkleiden oder beschuhen, die Wohnung heizen, telefonieren oder mit den Öffentlichen fahren. Denn alles auf einmal ist für sie unerschwinglich – nur den Rundfunkbeitrag müssen sich fast alle leisten, wie man weiß.

In so prekären Verhältnissen leben mittlerweile um die 16,2 Prozent aller Rentnerinnen Deutschlands, und die Aussichten sind wenig erbaulich: Für das Jahr 2036 wird ein Anstieg dieses Anteils auf 27,8 Prozent prognostiziert, was auch zu einem Wahlkampfthema so gut wie aller Parteien bei der letzten Bundestagswahl geworden ist.

Tatsächlich ist es schockierend: Sehr bald wird jede vierte Deutsche aus der Generation gebildeter und arbeitstätiger Frauen unter dem Existenzminimum vegetieren. Wie, muss man sich fragen, soll diese arbeitstätige gebildete Deutsche, wissend, dass bald jede Vierte von ihrer Generation, möglicherweise sie selbst, nach Jahrzehnten der Arbeit unter dem Existenzminimum leben wird, also auf den 32-jährigen syrischen Migranten reagieren, der nicht berufstätig ist, aber wunderbar von der Stütze lebt – zusammen mit seinen zwei Frauen und sechs Kindern im zweistöckigen Einfamilienhaus, das ihm ebenfalls vom Staat gestellt worden ist?

Wichtig zu verstehen ist außerdem, dass der Großteil der heute Not leidenden älteren Damen mutterseelenallein ist. Es gibt aber auch solche, die trotz Kindern und Verwandten kaum über die Runden kommen – heißt es doch immer noch, die ältere Generation sei a priori reicher als die jüngere, müsse im Laufe des Lebens etwas angespart haben, und überhaupt: jeder für sich selbst.

Ferner müssen Eltern ihre mit 18 Jahren meist separat wohnenden Kinder bis zu deren 25. oder, so sie studieren, gar 27. Lebensjahr versorgen – bis das Kind eine Ausbildung oder Hochschulbildung absolviert hat und zu arbeiten beginnt.

Staatliches Pflegeheim ist erst die Ultima Ratio

Der bundesdeutsche Durchschnittsrentner hat es deutlich besser als die Rentnerin: Sogar nach Beheizen seiner Wohnung behält er immerhin noch ganze 450 Euro und 42 Cent zum Leben. Hat er die Dauerfahrkarte, den Rundfunkbeitrag und die Telefongebühren bezahlt, bleiben ihm stolze 363 Euro und 92 Cent für Essen, Gebrauchs- und Haushaltsgegenstände, Arzneien, Kleidung, Schuhe und alles andere, was er sich nur vorstellen kann.

Das muss einer der Gründe sein, warum es sich viele Rentner – wenn sie nicht allzu viel für Arzneimittel ausgeben – immerhin noch leisten können, das während der Berufstätigkeit gekaufte Auto nicht zu verkaufen. Für das bisschen Benzin oder Diesel, das sie verfahren, und für anfallende kleinere Reparaturen am Fahrzeug reicht das Geld meist allemal.

Selbstredend leben nicht alle Rentnerinnen und Rentner so. Es gibt da die 22 Prozent der Rentner, die eine volle Rente erhalten; dann solche, die in größeren Betrieben gearbeitet haben und eine Betriebsrente bekommen; dann Beamte; ferner noch Menschen mit Riester-Rente oder ähnlichen Ansparungen. Schließlich kann man auch mit einem erfolgreichen Geschäft ein Vermögen oder Rücklagen schaffen, sich hochheiraten oder etwas erben.

Dann können zumindest die gesunden und aktiven Rentnerinnen und Rentner ihre Energie und Rührigkeit beim Sammeln von Nachweisen für ihre wirtschaftliche Notlage unter Beweis stellen – und so vielleicht Sozialleistungen zusätzlich zur Rente erwirken und ihren Lebensstandard aufbessern. So beziehen manche Rentner Leistungen, die Teile der Mietkosten decken.

Manche anderen dürfen auf Kosten von Staat und Kasse in ein Senioren-Pflegeheim ziehen – das allerdings eher erst dann, wenn sie 80 bis 90 Jahre alt sind, wie eine meiner ehemaligen Nachbarinnen, oder an irgendeiner Form von Altersdemenz leiden.

Als Kampfthema für die letzte Bundestagswahl haben so gut wie alle Parteien der Bundesrepublik die Frage gestellt, wie sich die Lebensqualität der deutschen Rentner und vor allem der Rentnerinnen verbessern lässt.

Als Ergebnis steht schon jetzt im Koalitionsvertrag der regierenden Parteien, dass im Sinne der Renten-Berechnung der Mutterschaftsurlaub als Arbeitstätigkeit gilt – unabhängig vom Geburtsjahr der Kinder. Das heißt, die neue Bundesregierung verpflichtet sich, ein Gesetz zu verabschieden, welches nicht nur den morgigen, sondern auch den heutigen Rentnerinnen und Rentnern zugutekommt.

Einwanderung löst die Probleme nicht

Nicht zu vergessen ist dennoch, dass die heutigen Rentner nicht aus den ihrerseits geleisteten Einzahlungen, sondern aufgrund des sogenannten Generationenvertrags versorgt werden: Daher ist angesichts der rückläufigen Geburtenrate und der Tendenz zu höherem Durchschnittsalter der Bevölkerung überhaupt nicht garantiert, dass in 20 bis 40 Jahren noch genügend arbeitende Hände vorhanden sind, um künftigen Rentnern ein angemessenes Dasein zu ermöglichen.

Das erklärt zu weiten Teilen die vielgelobte europäische Toleranz: Die politische Elite der Bundesrepublik Deutschland betrachtet Einwanderung schon seit Anfang der 1970er Jahre nicht als Belastung, sondern als mögliche Rettung Deutschlands.

Ehemalige Migranten sollen die Lage in Deutschland als stabil wahrnehmen, daher auch arbeiten und irgendwann auch Kinder zeugen, die später ebenfalls arbeiten gehen – und so die deutschen Rentner sichern. Wenn aber der Migrant selbst in Rente geht, stehen ihm aufgrund der jetzt wirksamen Regeln, Faktoren und Koeffizienten nur Centbeträge zu, und seine Kinder werden arbeiten, um Rentner mit den „richtigen“ Faktoren und Koeffizienten zu ernähren. Im Grunde eine Lose-Lose-Situation für beide.

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Literatur:

Demokratie im Sinkflug: Wie sich Angela Merkel und EU-Politiker über geltendes Recht stellen (Edition Tichys Einblick)

Armut in Deutschland: Wer ist arm? Was läuft schief? Wie können wir handeln?

Verfallssymptome: Wenn eine Gesellschaft ihren inneren Kompass verliert

Die Hartz-IV-Diktatur: Eine Arbeitsvermittlerin klagt an

Quellen: PublicDomain/deutsch.rt.com am 23.05.2018

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