Das überforderte Gehirn: Mit Steinzeitwerkzeug in der Hightech-Welt

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Wir sind von unseren technischen Geräten nahezu besessen. Zudem sind wir stolz auf unsere Multitasking-Fähigkeiten: zugleich telefonieren, E-Mails senden und Autofahren, kein Problem. Kein Familienessen ohne blinkende Smartphones neben den Tellern.

Wir wollen immer alles auf einmal – ungeachtet von Schreibfehlern, Beinahe-Unfällen und ignorierten Gesprächen zu Tisch. Doch haben wir wirklich noch alles im Griff?

Gazzaley und Rosen – ein Neurowissenschaftler und ein Psychologe – erklären, warum unsere Gehirne nicht fürs Multitasking gemacht sind. Ablenkungen, Unterbrechungen und technologische „Interferenzen“ überfordern unsere Gehirne. Wir sind schlicht nicht auf eine so vernetzte Welt programmiert.

Die Autoren zeigen, wie wir dank der Wissenschaft mehr Rücksicht auf unsere „alten“ Gehirne nehmen können. Sie bieten praktische Strategien, um die heutigen Herausforderungen zu bewältigen – mithilfe von Mediation, Videospielen, Fitnessübungen und Verhaltensänderungen.

Es geht dabei nicht etwa darum, völlig offline und zurückgezogen zu leben. Es geht darum, eine gute Balance zwischen unseren Möglichkeiten und der Hightech-Welt zu finden.

Vorwort

Das Buch „Das überforderte Gehirn: Mit Steinzeitwerkzeug in der Hightech-Welt“ ist das erste seiner Art, das sich den ganz realen Herausforderungen zuwendet, mit denen wir in unserer außerordentlich spannenden, jedoch auch extrem ablenkenden Hightech-Welt konfrontiert sind – und zwar aus der doppelten Perspektive eines Psychologen und eines Neurowissenschaftlers.

Anhand von wissenschaftlichen Erkenntnissen und realen Beispielen, wie Menschen konkret mit ihrem eigenen überforderten Gehirn umgehen, vermitteln wir Ihnen einen einzigartigen Blick auf unsere von Informationen immer stärker gesättigte Umwelt (mit allgegenwärtigen Smartphones, Chat-Nachrichten, E-Mails, sozialen Medien und Computerspielen, Werbeeinblendungen und Dialogfenstern) in Verbindung mit ständig zunehmenden Erwartungen, dass wir das ganze Jahr über rund um die Uhr erreichbar sind und auf alles sofort reagieren (Kinder haben das Halten eines Stifts durch Smartphones & Co. verlernt).

Wir legen dar, wie immens unser Gehirn davon beansprucht wird. Das überforderte Gehirn nimmt Sie mit auf eine Reise, auf der Sie erfahren, wie und warum wir so sehr mit Unterbrechungen und Ablenkungen zu kämpfen haben, die sowohl innere als auch äußere Ursachen haben können. Außerdem vermitteln wir Ihnen ganz praktische Strategien, wie Sie Ihr Verhalten ändern und Ihr Gehirn gegen Interferenzen wappnen können, damit Sie Ihre Ziele besser erreichen.

Es besteht kein Zweifel daran, dass die unterbrechenden Technologien unsere Aufmerksamkeit immer stärker von den wichtigen Aspekten des Lebens ablenken, weshalb wir unbedingt verstehen müssen, warum wir so anfällig sind für Interferenz und wie wir vor dem Hintergrundrauschen unserer Hightech-Welt relevante Signale nicht aus dem Blick verlieren.

Das überforderte Gehirn ist kein pseudowissenschaftliches Werk, das versucht, mit farbenfrohen Hirnscans und fragwürdigen Inhalten zu überzeugen. In diesem Buch präsentieren wir mit vereinterwissenschaftlicher Kompetenz aktuelle und praxisbezogene Erkenntnisse. Dr. Adam Gazzaley ist kognitiver Neurowissenschaftler und ein Vorreiter in der Forschung darüber, wie das Gehirn mit Ablenkungen und Unterbrechungen umgeht. Dr. Larry Rosen ist Psychologe, der sich vor allem mit der »Psychologie der Technik« beschäftigt und seit mehr als dreißig Jahren als Pionier auf diesem Gebiet tätig ist.

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Aus beiden Perspektiven setzen wir uns damit auseinander, warum wir uns in unserem modernen technischen Ökosystem nur ungenügend orientieren können und inwiefern dies unsere Sicherheit, Kognition, Bildung, Arbeitsumgebung und Beziehungen zu Freunden und Verwandten massiv beeinträchtigt. Wir illustrieren diesen Diskurs mit unseren Forschungsergebnissen und wissenschaftlichen Hypothesen sowie Auffassungen anderer Experten und erläutern, warum unser Gehirn nur so mühsam mit den Anforderungen durch Kommunikation und Informationen zurechtkommt.

Wir gliedern unsere Darstellung in drei Teile. In Teil I vermitteln wir Ihnen neu gewonnene Erkenntnisse, warum unser »Interferenz-Dilemma« überhaupt existiert und weshalb es für uns aktuell eine so große Rolle spielt. Wir erörtern, wie ein besonders hoch entwickelter Aspekt unseres Gehirns, der unser Menschsein kennzeichnet – die Fähigkeit, uns übergeordnete Ziele zu setzen –, heftig mit den fundamentalen Einschränkungen unseres Gehirns hinsichtlich der kognitiven Steuerung – Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis und Ziel-Management – kollidiert.

Diese Kollision bewirkt eine enorme Empfänglichkeit für Ziel-Interferenz in Form von Ablenkungen durch irrelevante Informationen sowie Unterbrechungen durch Versuche von Multitasking. Diese Störungen beeinträchtigen unsere Wahrnehmungen, wirken sich auf unser Sprachvermögen aus, behindern Entscheidungsprozesse und hemmen präzise Erinnerungen an Lebensereignisse.

Die negativen Auswirkungen sind noch stärker ausgeprägt bei Menschen mit unterentwickelter oder gestörter kognitiver Steuerung, z. B. bei Kindern, Jugendlichen und Senioren sowie klinischen Populationen. Weiterhin erörtern wir aus evolutionärer Perspektive, warum wir stark Interferenz-fördernde Verhaltensweisen zeigen und dabei gewissermaßen optimal agieren, um unseren inhärenten Trieb nach Informationsbeschaffung zu befriedigen (Der Handy-Nacken: Eine globale Erkrankung jüngerer Generationen).

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In Teil II untersuchen wir sorgfältig unser reales Verhalten und zeigen, wie die in Teil I beschriebene Kollision durch unsere ständige Konfrontation mit den vielfältigen Möglichkeiten moderner Informationstechnologie zusätzlich verstärkt wird. Wenn wir mit Freunden und Verwandten gemütlich am Tisch sitzen und zusammen essen, schauen wir alle immer wieder auf unser Handy.

Niemand steht mehr untätig in einer Warteschlange und hängt einfach seinen Gedanken nach oder unterhält sich mit den Mitwartenden. Stattdessen starren wir wie gebannt auf unser Smartphone und tauchen dabei in virtuelle Welten ein. Wir verteilen unsere beschränkte Aufmerksamkeit auf komplexe Anforderungen, die häufig nachhaltige, alleinige Konzentration und intensives Nachdenken erfordern.

Wir erläutern, warum wir uns so verhalten, obwohl wir uns der Nachteile bewusst sind. Anhand eines neuen Modells auf Grundlage der Theorie zur optimalen Nahrungsbeschaffung legen wir dar, wie unsere HightechWelt dieses Verhalten aufrechterhält, indem wir unseren instinktiven Drang nach Informationen jederzeit befriedigen können und darüber hinaus starke internale Faktoren wie Langeweile und Angst eine Rolle spielen. Es besteht kein Zweifel daran, dass wir mit einem archaischen Gehirn in einer Hightech-Welt leben.

In Teil III erörtern wir schließlich, was wir ändern können, um die Resilienz unseres Gehirns zu stärken, und welche Verhaltensstrategien wir anwenden sollten, um in allen Lebensbereichen zu bestehen. Zunächst widmen wir uns dabei einer breiten Palette von möglichen Ansätzen – von technikfrei bis Hightech –, die uns zur Verfügung stehen, um die Neuroplastizität zu fördern und unser überfordertes Gehirn zu stärken.

Dabei betrachten wir unter anderem traditionelle Bildung, kognitives Training, Computerspiele, Medikation, körperliche Betätigung, Meditation, Naturerfahrung, Neurofeedback sowie Hirnstimulation und legen dar, wie in unseren faszinierenden Zeiten genau jene Technologien, die das überforderte Gehirn hervorbringen, im Umkehrschluss als Gegenmittel eingesetzt werden können.

Anschließend geben wir Hinweise, wie wir unser Verhalten gezielt modifizieren können, ohne auf moderne Technik zu verzichten, um die negativen Auswirkungen der Überforderung unseres Gehirns zu minimieren. Unter Verwendung des weiter vorn im Buch vorgestellten Optimalitätsmodells als theoretische Grundlage für die empfohlenen Verhaltensänderungen sind alle von uns vorgeschlagenen Strategien praxiserprobt und wissenschaftlich solide unterfüttert.

Das überforderte Gehirn vermittelt Einsichten, wie und warum unser Gehirn Schwierigkeiten dabei hat, den permanenten Informationsstrom zu bewältigen und sich in einer von unaufhörlichen Unterbrechungen und Ablenkungen geprägten Welt auf das Wesentliche zu konzentrieren. Wir weiten diese Perspektive noch etwas aus und beschäftigen uns damit, welche Folgen diese Überbeanspruchung in unserem Privatleben, im Straßenverkehr, in der Schule und am Arbeitsplatz hat, und erörtern, warum wir uns so verhalten.

Ganz entscheidend ist jedoch, dass wir handfeste, praktikable Hinweise vermitteln, was wir konkret tun können, um im Informationszeitalter erfolgreich unseren Weg zu gehen.

Verschlimmert sich die Lage?

Der Mensch lebt schon immer in einer äußerst komplexen Welt, die reich an verlockenden Ablenkungen ist und nur so strotzt vor Unterbrechungen durch Alternativhandlungen, die uns daran zu hindern drohen, unsere Ziele zu erreichen. Während Ziel-Interferenz wahrscheinlich schon so lange existiert wie der moderne Mensch die Erde besiedelt, ist es in den letzten Jahrzehnten zu gravierenden Veränderungen gekommen: Moderne Entwicklungen in den Bereichen Computertechnik, Medien und Kommunikation haben das Informationszeitalter eingeläutet.

Diese jüngste Phase der Menschheitsgeschichte ist möglicherweise durch die digitale Revolution in Gang gesetzt worden, wobei jedoch die starke Verbreitung von PCs, Internet, Smartphones und Tablets nur die Spitze des Eisbergs bildet. Der eigentliche Kern der Veränderung unserer mentalen Landschaft besteht darin, dass die Information selbst enorm an Wert gewonnen hat und inzwischen eine heiß begehrte Ware ist.

Das hat eine nicht enden wollende Explosion ausgelöst, was das vielfältige und leicht verfügbare Angebot von Unterhaltungstechnik betrifft, die mit attraktivem Sound, ansprechender Grafik und eindringlichen Vibrationen auf sich aufmerksam macht, während unser Gehirn angestrengt versucht, sich in der Vielzahl von konkurrierenden Informationsströmen zu orientieren…

Hier die gesamte Leseprobe und das Inhaltsverzeichnis von „Das überforderte Gehirn: Mit Steinzeitwerkzeug in der Hightech-Welt“ als PDF.

Elektronische Medien führen zu auffälligem Verhalten: Medienkonsum überfordert Vorschulkinder

Wissenschaftler der Universität Leipzig haben herausgefunden, dass der Konsum von elektronischen Medien bei 2- bis 6-jährigen Kindern zu emotionalen und psychischen Verhaltensauffälligkeiten führen kann. Dafür wurden im Rahmen der LIFE Child-Studie 527 Kinder aus Leipzig und Umgebung untersucht. Die aktuellen Studienergebnisse sind nun veröffentlicht (Mehr als 100 Studien: Keine WLAN-Strahlung an Schulen!).

„Wir haben bei unseren Untersuchungen festgestellt, dass Vorschulkinder, die täglich Smartphone oder Computer nutzen, ein Jahr später mehr Verhaltensauffälligkeiten wie Hyperaktivität und Unaufmerksamkeit aufweisen als Kinder, die diese Medien nicht nutzen,“ resümiert Studienleiterin Dr. Tanja Poulain. „Kinder ohne Medienkonsum haben vergleichsweise auch weniger emotionale Probleme.“

Die Studie ergab aber auch, dass Kinder, die zum ersten Erhebungszeitpunkt mehr Probleme mit Gleichaltrigen haben, ein Jahr später häufiger elektronische Medien nutzen. Die Ergebnisse waren Resultate aus Fragebögen, die Eltern im Rahmen der LIFE Child-Studie zum Konsum elektronischer Medien ihrer Kinder ausfüllten.

Die LIFE Child-Studie ermöglicht es, die individuellen Entwicklungsverläufe der Kinder langfristig zu begleiten, da die Studienteilnehmer ca. einmal im Jahr zur Untersuchung in die Studienambulanz kommen. Im Rahmen der aktuellen Studie stellten die Wissenschaftler Fragen zur Nutzung von TV/Video, Smartphone und Computer/Internet (Handy: BioIntitiative fordert Einstufung als ‚Krebs erregend‘ – Mediziner besorgt angesichts tödlicher Hirntumore).

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„Die Ergebnisse geben Hinweise darauf, dass verstärkter Medienkonsum ein Risiko darstellt, Verhaltensauffälligkeiten zu entwickeln. Wiederum können Verhaltensauffälligkeiten auch zu einem vermehrten Konsum dieser Medien führen“, so Poulain.

Daher raten die Leipziger Wissenschaftler, den Konsum elektronischer Medien äußerst gering zu halten und frühe Anzeichen von Verhaltensauffälligkeiten ernst zu nehmen.

Die Kinderstudienambulanz LIFE Child ist ein Projekt des Forschungszentrums für Zivilisationserkrankungen der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig unter Leitung von Prof. Dr. Wieland Kiess, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Leipzig.

Über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren werden die Teilnehmer der Langzeitstudie – Schwangere, Neugeborene, Kinder und Jugendliche – in ihrer Entwicklung begleitet und dabei ganzheitlich und interdisziplinär zu ihrer jeweiligen sozialen, psychischen und medizinischen Lebenssituation untersucht.

Das LIFE Forschungszentrum wird im Rahmen der Sächsischen Landesexzellenzinitiative seit 2009 mit einer Summe von mehr als 38 Millionen Euro vom Freistaat Sachsen und der EU gefördert (Mobilfunk: Ärzte und Wissenschaftler warnen vor Risiken durch 5G).

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Literatur:

Im digitalen Hamsterrad. Ein Plädoyer für den gesunden Umgang mit Smartphone & Co.

Gesund ohne E-Smog: Neue Strategien zum Schutz vor der lautlosen Gefahr

Mobilfunk die verkaufte Gesundheit: Von technischer Information zur biologischen Desinformation. Warum Handys krank machen

Digitale Erschöpfung: Wie wir die Kontrolle über unser Leben wiedergewinnen

Quellen: PublicDomain/m-vg.de am 23.05.2018

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