Holocaust: Geld und Geldersatz in deutschen Konzentrationslagern 1933 – 1945

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Die frühen Lager und ihr Geld: Bereits kurz nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in Deutschland wurde unter dem Vorwand des Reichstagsbrands durch „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28. Februar 1933 die sog. Schutzhaft eingeführt.

Danach konnten politisch Andersdenkende zum Schutze des Staats vorbeugend inhaftiert werden. Besonders die SA (Sturmabteilung) ging danach brutal und willkürlich gegen Kommunisten, linke Intellektuelle, Publizisten sowie Sozialdemokraten und Gewerkschaftsfunktionäre vor, bis sie schließlich nach dem sog. „Röhmputsch“ im Sommer 1934 entmachtet wurde.

Es entstanden erste „Schutzhaftlager“, bei denen jedoch noch keine einheitlichen Strukturen vorhanden waren. 1933/1934 gab es in Deutschland mindestens 70 Konzentrationslager und 30 Schutzhaftabteilungen, in denen im Laufe des Jahrs 1933 mehr als 80 000 Menschen inhaftiert wurden.

Die meisten dieser Lager bestanden nur kurze Zeit und nur wenige wurden länger als ein Jahr genutzt. Eine Ausnahme bildete Dachau, das bis zum Kriegsende Konzentrationslager blieb.

Lagergeld ist aus dieser Zeit lediglich aus Oranienburg bei Berlin und Lichtenburg bei Torgau bekannt.
Das Lagergeld aus Oranienburg diente nach Einziehung und Umtausch mitgeführter oder angewiesener regulärer Zahlungsmittel als Geldersatz, der ähnlich wie bei Ausgaben für Kriegsgefangenenlager im Ersten Weltkrieg die Fluchtgefahr mindern sollte, aber auch über den anteiligen Einbehalt von Häftlingsgeldern einen Deckungsbeitrag zu den Unterhaltskosten für die Schutzhäftlinge leistete.

Aus Lichtenburg sind nur niedrige Pfennig-Beträge bekannt, die lediglich als Kleingeldersatz anzusehen sind.
Von den sog. „Emslandlagern“ ist kein Lagergeld bekannt geworden.

Zum Geld in Konzentrationslagern

Bisher ging man wohl überwiegend davon aus, daß reguläre Zahlungsmittel in den Lagern kaum eine Rolle spielten und sogar allgemein verboten waren, da man diese den Häftlingen bei deren Ankunft entzog, um sich daran zu bereichern (egal ob seitens der SS oder der Reichsbank) sowie um die Fluchtgefahr zu mindern.

Das ist aber für die große Mehrheit der registrierten Häftlinge in den Lagern unzutreffend und gilt im Hinblick auf den Raub des persönlichen Eigentums lediglich für Personen aus den ab 1942 rollenden Todestransporten zur sog. „Sonderbehandlung“ (hauptsächlich Juden sowie Sinti und Roma), die überwiegend sofort nach Ankunft und Selektion ermordet wurden.

Nur ein kleiner Teil der Menschen aus solchen Transporten wurde als arbeitsfähig eingestuft und registriert. Für die restlichen Personen, die etwa in Auschwitz vergast wurden, erfolgte lediglich eine zahlenmäßige, aber keine namentliche Erfassung.

(Konzentrationslager Dachau, im Sommer 1933 verhaftete SPD-Funktionäre. Foto aus einem Tatsachenbericht von Karl Feuerer, Archiv der Gedenkstätte Buchenwald)

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Eine häufige Annahme war bislang, daß die bekannt gewordenen Prämienscheine eine Art Lagergeld gewesen seien, das ausschließlich und anstelle von kursgültigem Geld im jeweiligen Lager umgelaufen wäre. Diese Annahme resultiert nicht zuletzt aus dem Wissen über den praktischen Einsatz von Kriegsgefangenenlagergeld im Ersten Weltkrieg, trifft aber hier nicht zu.

In Wahrheit spielten sowohl gültige Zahlungsmittel – in allen Lagern in Deutschland und den angeschlossenen Gebieten war nur die Reichsmark gültig – als auch Prämienscheine sowie besonderes Lagergeld eine sehr große Rolle im täglichen Lebens- und Überlebenskampf der Häftlinge. Deshalb soll nachfolgend die Rolle des Umgangs mit dem Eigentum der Häftlinge und mit deren Geld und Geldersatz in der Organisation der Konzentrationslager näher untersucht werden.

Da dieses Thema in der bisherigen wissenschaftlichen Literatur nur am Rande behandelt wurde und die gewonnenen Erkenntnisse zum Teil völlig neue Einblicke in das System des Terrors gewähren, wird es besonders ausführlich und unter reichhaltiger Verwendung historischer Dokumente ausgeführt.

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(Lagergeld des Konzentrationslagers Oranienburg bei Berlin über 50 Pfennig ohne Datum, ausgegeben im Juni 1933)

Die Registrierung und das Eigentum der Häftlinge

Bei der Registrierung eines Häftlings wurde eine Karte für die Häftlingskartei angelegt, in der u. a. persönliche Angaben, die Häftlingsnummer, Daten zur Inhaftierung sowie Angaben zu den nächsten Angehörigen vermerkt wurden. Nach der eigentlichen Registrierung erhielt jeder Häftling einen Laufzettel oder Fragebogen der Effektenkammer, auf der ebenfalls Angaben zur Person vermerkt wurden.

Seine Bekleidung und persönliche Habe wurde, so wie dies heute noch im Strafvollzug üblich ist, in Empfang genommen und gewissenhaft dokumentiert. In der Regel geschah dies ebenfalls durch Häftlinge. Nach der Desinfektion kam der Besitz des Häftlings in einen mit seiner Häftlingsnummer gekennzeichneten Effektensack, der in der Effektenkammer für ihn aufbewahrt wurde.

Der Häftling selbst erhielt meist die übliche Lagerkleidung. Wertsachen, wie Uhren und Schmuck, wurden in einer Wertsachenabteilung für ihn aufbewahrt.

Auch wenn die SS bei registrierten Häftlingen keine Raubabsichten hatte, so sind doch verschiedene Fälle von Diebstahl bekannt, sowohl durch kriminelle Häftlinge als auch auf Veranlassung oder unter Duldung einzelner SS-Angehöriger, die deren persönlicher Bereicherung oder der Bestechung dienten. Gestohlen wurden etwa Goldschmuck und sogar ganze Münzsammlungen.

Die – besonders im Winter – völlig unzureichende Häftlingsbekleidung (Zebra) führte dazu, daß in verschiedenen Lagern auf Weisung der SS auch auf Bekleidung aus den Effektenkammern zurückgegriffen wurde.

So nutzte man etwa Mäntel und Wattejacken ermordeter sowjetischer Kriegsgefangener in Buchenwald oder Bekleidung von den Opfern der Gaskammern aus Auschwitz. In vielen Lagern wurde deshalb immer mehr Zivilkleidung mit Winkeln und Häftlingsnummern zur Kennzeichnung getragen. So waren alliierte Soldaten erstaunt, weil sie einen großen Teil der 1945 befreiten Häftlinge in Zivil vorfanden.

Bei einer möglichen Entlassung oder Verlegung erhielt der Häftling sein Eigentum ausgehändigt (Holocaust: Bordelle in KZs – Himmlers abartiger Plan).

Das Eigentum verstorbener Häftlinge wurde in der Regel den nächsten Angehörigen zugesandt, die auf der Registrierkarte und auf dem Fragebogen der Effektenkammer angegeben waren. Für die Abwicklung war eine besondere Nachlaßverwaltung zuständig, die der Effektenkammer unterstand.

Beim Tod eines Häftlings war es üblich, die Angehörigen per Brief oder Telegramm zu verständigen. Die wahren Todesursachen wurden dabei meist verschwiegen oder geschönt dargestellt. Nicht selten wurde sogar auf eine „umfassende medizinische Versorgung“ hingewiesen, die „leider“ das Leben des Häftlings nicht hatte retten können. Oft erhielten die Angehörigen auch eine Sterbeurkunde, die durch einen SS-Arzt unterschrieben war.

Der Versand des persönlichen Nachlasses erfolgte im Paket. Dem Paket beigelegt war eine Aufstellung der Effektenkammer über die verbliebene Habe des verstorbenen Häftlings. Die Angehörigen hatten den Empfang der Effekten auf einer Empfangsbestätigung zu quittieren, die an die Gefangenen-Eigentumsverwaltung des Lagers zurückzusenden war.

Angehörige außerhalb des Reichsgebiets (also auch im Generalgouvernement Polen) mußten für anfallende Zollgebühren selbst aufkommen. Sollten keine Angehörigen mehr zu ermitteln gewesen sein, so ging das Eigentum des verstorbenen Häftlings in Staatsbesitz über, d.h. es wurde etwa im Lager zur Ausgabe an Häftlinge frei gegeben oder verschwand nicht selten. Wertsachen fanden mitunter ihre Liebhaber in den Reihen korrupter SS-Angehöriger.

Zum Eigentum russischer und polnischer Häftlinge führt der nach der Befreiung erschienene sog. „Erste Lagerbericht“ von Buchenwald aus: „1943 ordnete die SS-Verwaltung an, daß das Eigentum der eingebrachten russischen Häftlinge ‚aufzulösen‘ sei, d. h. es wurde desinfiziert, gewaschen und der Bekleidungskammer zur Ausgabe als Lagerkleidung für Neuzugänge zugeführt.

Sichergestellt wurden für russische Häftlinge nur noch ihre Papiere und Wertsachen. Die Nachlässe von russischen und jüdischen Häftlingen wurden von Anfang an ebenfalls nicht für die Angehörigen sichergestellt, sondern restlos ‚aufgelöst‘; ihre Wertsachen und Geldguthaben zog die SS-Wirtschaftsverwaltung ein.

Seit Herbst 1943 wurden auch die Nachlässe polnischer Häftlinge enteignet. Laut Verfügung des SS-Wirtschaftshauptamtes vom 11. November 1944 sollten dann auch die Bekleidungsgegenstände sämtlicher ausländischer Häftlinge enteignet und als Häftlingskleidung verwendet werden.“

Beim Tod russischer Häftlinge, meist handelte es sich um Kriegsgefangene, erfolgte keine Benachrichtigung der Angehörigen, wie dies bei allen anderen registrierten Häftlingen üblich war. Ganz anders wurde mit dem Eigentum der Menschen verfahren, die mit Todestransporten in die Vernichtungslager kamen und bei der Selektion als nicht arbeitsfähig eingestuft wurden.

Dies betraf in erster Linie Alte und Kranke sowie Frauen und Kinder. So gab es in Auschwitz ein besonderes Arbeitskommando (Kanada), das ausschließlich mit der Aussortierung der wachsenden Berge von Kleidung und Koffern mit der verbliebenen persönlichen Habe der Ermordeten beschäftigt war.

Ein Teil der Bekleidung und Schuhe wurde ausgebombten Familien im Reich zur Verfügung gestellt. Gold und Zahlungsmittel gingen an die Reichsbank oder wurden im Lager gestohlen, anderes wurde an die Industrie zur Weiterverarbeitung geliefert. Schuhe und Taschen aus Leder wurden zum Teil von Häftlingen in Konzentrationslagern zerlegt und mit alten Textilien zu Tarnmatten oder Gürteln für die Wehrmacht verarbeitet.

Ausgehend von den rasant steigenden Häftlingszahlen ab 1942 und der vielerorts fehlenden Häftlingskleidung (große Mengen Textilien wurden für die Wehrmacht verarbeitet, und mit der sich verschlechternden Versorgungslage im Krieg stellte man die Fertigung von Häftlingskleidung schließlich ein), waren viele Häftlinge bald nur noch in Lumpen gehüllt.

Nun wurde auch die Habe von den Opfern der „Sonderbehandlung“ genutzt, um damit die Arbeitssklaven der deutschen Rüstungsindustrie in den Konzentrations- lagern einzukleiden. So erhielt allein das Lager Buchenwald 1941 u.a. 500000 Hemden und

280 000 Unterhosen aus Auschwitz und Lublin sowie 1942 weitere 30000 Anzüge, 100000 Hemden und 80000 Unterhosen aus Auschwitz.

(Prämienschein des SS-Standortältesten des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz über 50 Pfennig ohne Datum (1943). Mit der Dienstvorschrift für die Gewährung von Vergünstigungen an Häftlinge des Chefs des Wirtschaftsverwaltungshauptamts (WVHA) der SS Oswald Pohl vom 15. Mai 1943 wurden u.a. auch Prämienscheine für Häftlinge eingeführt, deren Arbeitskraft in der Kriegswirtschaft immer mehr an Bedeutung gewann)

Zur Durchführung der Deportationen von Juden nach Auschwitz verfügte zwar eine Richtlinie des Reichssicherheitshauptamts (RSHA) vom 20. Februar 1942, daß außer den darin genau festgelegten Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenständen sowie Marschverpflegung für fünf Tage keinerlei Wertsachen (Gold, Silber, Platin – mit Ausnahme des Eherings) mitgeführt werden dürfen und vor Abgang der Transporte auch eine Durchsuchung nach Schmuck und Devisen zu erfolgen hatte. In der Realität führten aber viele Deportierte Gold, Schmuck und Zahlungsmittel mit sich.

Gab man sich etwa in Mauthausen (siehe vorige Seiten) oder Buchenwald noch Mühe, den Todesmitteilungen an die Angehörigen einen menschlichen Anschein zu geben, so waren diese in Auschwitz meist auf ein kurzes Telegramm des Lagerkommandanten beschränkt.

Dank erhalten gebliebener Unterlagen kann der Todesfall eines in Auschwitz inhaftierten und umgekommenen polnischen Häftlings nachvollzogen werden, der exemplarisch für die Bürokratie des Terrors steht.

In seinem Brief vom 16. März 1941, der wie alle Post in und aus deutschen Konzentrationslagern in Deutsch abzufassen war, schreibt der Häftling Julian Zychowicz u. a., daß er gesund und munter sei und er zweimal im Monat 15 RM erhalten darf. Auf die Regelungen zu Geldsendungen an Häftlinge soll später noch detailliert eingegangen werden. Nur zwei Tage später starb dieser Häftling, und am 28. März 1941 wurde von der Effektenkammer ein „Verzeichnis der Nachlass-Sachen“ für den Versand an seine Frau erstellt.

Da der Versand in das Generalgouvernement Polen erfolgte, das nicht Teil des Reichsgebiets war, mußte außerdem eine Zollinhaltserklärung für die Paketsendung erfolgen. Wie in den meisten Fällen, so bestand auch der Inhalt dieser Sendung lediglich aus gebrauchten Kleidungsstücken. Die Verwaltung des Konzentrationslagers Auschwitz bestätigte per Stempel am 21. April 1941 auf dieser Erklärung außerdem, daß die Sendung keimfrei, d. h. desinfiziert, war.

Der Empfänger des Nachlasses mußte anfallende Zollgebühren übernehmen. Hierfür wurde eine Zollquittung mit Abfertigungsbefund ausgestellt. Zur Rücksendung des Nachlasses eines in Auschwitz verstorbenen jüdischen Häftlings blieb eine solche Zollquittung erhalten, die am 17. Juni 1941 beim Zollamt Warschau ausgefertigt worden war.

Ähnlich dürfte auch die Rücksendung des Nachlasses verstorbener Häftlinge in andere Länder gehandhabt worden sein.

Auszug aus dem Buch „Das Geld des Terrors: Geld und Geldersatz in deutschen Konzentrationslagern und Ghettos 1933 bis 1945„.

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Literatur:

Der geplante Tod: Deutsche Kriegsgefangene in amerikanischen und französischen Lagern 1945-1946

Höllensturm: Die Vernichtung Deutschlands, 1944-1947

Verschwiegene Schuld: Die alliierte Besatzungspolitik in Deutschland nach 1945

Quellen: PublicDomain/Hans-Ludwig Grabowski am 06.04.2018

 

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