Sieben Jahre nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima hat ein internationales Forscherteam radioaktive Nanopartikel im Boden und Wasser in der Nähe des havarierten Kernkraftwerks gefunden. Die Forscher warnen: Die Strahlenbelastung in der Region sei gefährlicher als gedacht und könnte länger anhalten.
Die von Wissenschaftlern entdeckten Nanopartikeln enthalten nicht nur Cäsium-134 und Cäsium-137, die in großer Menge in den Dampfemissionen von Fukushima gefunden worden waren, sondern auch Uran- und Technetium-Atome, zitiert die Fachzeitschrift „Environmental Science & Technology”aus der Studie.
„Unsere Studie zeigt, dass wir sofort beginnen müssen, nach anderen möglichen Teilchen von Brennelementen innerhalb und möglicherweise außerhalb der Sperrzone zu suchen.
Und obwohl die Probensammlung unter solchen Bedingungen unglaublich schwierig sein wird, ist ihre Analyse von entscheidender Bedeutung, um zu verstehen, wie sich diese Nanopartikel in Zukunft verhalten werden“, sagte der Dozent der Universität Manchester (Großbritannien) Gareth Law.
Wissenschaftler betonen, dass diese Nanopartikel so klein seien, dass sie leicht von Menschen und Tieren eingeatmet werden können. Dies könne die Umweltfolgen der Nuklearkatastrophe erheblich verschärfen.
Am 11. März 2011 hatte ein Erdbeben der Stärke 9 Japans nordöstliche Küste erschüttert. Eine zehn Meter hohe Flutwelle brach über viele Ortschaften an der Ostküste herein, überschwemmte ganze Felder und Straßenzüge und zerstörte zahlreiche Gebäude. Bei der Katastrophe wurden mehr als 15.800 Menschen getötet, mehr als 2630 weitere werden bis heute vermisst (Fukushima und die Erdbeben-Lüge: Das japanische 9/11 heißt 3/11).
m Atomkraftwerk Fukushima wurden vier der insgesamt sechs Reaktoren überschwemmt, wonach es zu einem Ausfall des Kühlsystems, Explosionen und einer Kernschmelze kam.
Als Folge gelangten große Mengen an Radioaktivität in die Luft und ins Meer. Nach dem Reaktorunglück wurden Zehntausende Einwohner wegen der austretenden Strahlung aus den betroffenen Gebieten evakuiert.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat die früher evakuierten Anwohner wegen anhaltender hoher Strahlenbelastung vor einer Rückkehr gewarnt.
Die hohe Radioaktivität in den umliegenden Gemeinden von Fukushima Iitate und Namie liege bislang bis zum Hundertfachen über den international geltenden Grenzwerten (Fukushima: Forscher machen eine beunruhigende Entdeckung – Million Tonnen belastetes Wasser soll ins Meer abgeleitet werden (Video)).
Schilddrüsenkrebs in Fukushima 7 Jahre nach Beginn der Atomkatastrophe
Laut Datenbank des Japanischen Krebsregisters betrug die Neuerkrankungsrate (Inzidenz) von kindlichem Schilddrüsenkrebs vor der Atomkatastrophe rund 0,35 pro 100.000 Kinder pro Jahr. Bei einer pädiatrischen Bevölkerung von rund 360.000 wären in der Präfektur Fukushima somit ca. eine einzige Neuerkrankung pro Jahr zu erwarten gewesen.
Tatsächlich sind seit den multiplen Kernschmelzen im Atomkraftwerk Fukushima Dai-ichi mittlerweile bei 194 Kindern in der Feinnadelbiopsie Krebszellen gefunden worden. 159 von ihnen mussten aufgrund eines rasanten Tumorwachstums, einer ausgeprägten Metastasierung oder einer Gefährdung vitaler Organe mittlerweile operiert werden. In 158 Fällen bestätigte sich die feingewebliche Verdachtsdiagnose „Schilddrüsenkrebs“, in nur einem Fall lag ein gutartiger Tumor vor. 35 Kinder warten weiterhin auf eine Operation.
Versuche, die Schilddrüsen-Studie zu entwerten
Den Verantwortlichen der FMU scheinen diese Daten unangenehm zu sein, widersprechen sie doch der seit Beginn der Atomkatastrophe verbreiteten These, dass der mehrfache Super-GAU zu keinen zusätzlichen Krebserkrankungen führen würde. Die FMU steht seit Beginn der Atomkatastrophe unter großem politischen Druck von Seiten der atomfreundlichen Zentralregierung und der mächtigen Atomindustrie im Land.
Auch erhält sich finanzielle und logistische Unterstützung der internationalen Atomlobby in Form der IAEO, die an der Gestaltung der Schilddrüsenkrebsstudie beteiligt ist. All dies stellt die wissenschaftliche Unabhängigkeit der FMU in Frage. Zahlreiche BeobachterInnen und JournalistInnen in Japan kritisieren aktuell die Bestrebungen der FMU, die Schilddrüsenuntersuchungen zu reduzieren und ggf. ganz einzustellen.
So sollen die Untersuchungsintervalle entgegen ursprünglicher Pläne und Ankündigungen ab dem 25. Lebensjahr von 2 auf 5 Jahre ausgeweitet werden. Seit längerem ist zudem bekannt, dass MitarbeiterInnen der FMU Schulen besuchen, um dort Kinder über deren „Recht auf Nichtteilnahme“ und „Recht auf Nichtwissen“ aufzuklären.
Neuerdings gibt es auf den Formularen auch eine entsprechende „opt-out“ Option, also eine Möglichkeit, aus dem Screening entfernt zu werden. Dies ist bemerkenswert, da die Teilnahme ja ohnehin freiwillig ist und bereits jetzt 20-30% der Kinder aus der Untersuchungskohorte nicht an den Untersuchungen teilnehmen. Kritisch wird auch gesehen, dass die Kosten für die Untersuchungen ab Erreichen des 18. Lebensjahres nicht mehr vollständig erstattet, sondern von den Patienten und deren Familien selbst erbracht werden müssen.
Es ist zu vermuten, dass die Bemühungen der FMU darauf abzielen, die Teilnahmequote weiter zu reduzieren und durch eine systematische Verzerrung der Testergebnisse langfristig die gesamte Studie zu entwerten – eine Konsequenz, die der japanischen Atomindustrie nicht gerade unlieb sein dürfte.
Die verschwiegenen Krebsfälle
Wie schwer es ist, sich auf die offiziellen Zahlen zu verlassen, zeigt sich anhand von zwei besonders offensichtlichen Fällen von Datenmanipulation. Anfang 2017 ging die Familie eines an Schilddrüsenkrebs erkrankten Kindes an die Öffentlichkeit und monierte, dass der Fall ihres Kindes in den offiziellen Daten der FMU nicht auftauchte.
Die Studienleitung argumentierte, dass die Diagnose des Kindes nicht durch sie gestellt worden war, sondern durch eine kooperierende Klinik, an die der Junge zur weiteren Diagnostik und Therapie überwiesen wurde.
Dass der Junge zum Zeitpunkt der Kernschmelzen in Fukushima gelebt hatte, in die Reihenuntersuchung der FMU aufgenommen war und aufgrund einer neu diagnostizierten Schilddrüsenkrebserkrankung operiert werden musste, wurde von der Studienleitung dabei nicht für relevant gehalten.
Ende Dezember wurde nun ein weiterer Fall von Schilddrüsenkrebs bekannt, der in den offiziellen Statistiken der FMU nicht vorkommt. Der Patient lebte zwar zur Zeit der Kernschmelzen in der Präfektur Fukushima und nahm an der Erstuntersuchung der Universität statt, wurde jedoch aus seiner Heimatstadt Koriyama evakuiert, so dass die Diagnose und die Operation an Schilddrüsenkrebs außerhalb der Präfektur statt fand und somit nicht in die offizielle Statistik aufgenommen wurde.
Wie viele weitere Fälle von Schilddrüsenkrebs bei Kindern ebenfalls nicht berichtet wurden, wie viele Fälle außerhalb der Grenzen der Präfektur auftraten oder bei Menschen, die zum Zeitpunkt der Kernschmelzen bereits über 18 Jahre alt waren – all dass wird wissenschaftlich nicht untersucht und damit vermutlich nie bekannt werden (Roboter fährt tagelang durch Fukushima und entdeckt einen Ursprung der Katastrophe (Video)).
Das Recht auf Gesundheit
Es bleibt festzustellen, dass wir in Fukushima einen signifikanten Anstieg der Neuerkrankungsraten von Schilddrüsenkrebs bei Kindern sehen und dass diese Zahlen aufgrund der besonderen Abhängigkeit der Studienleitung von der Atomlobby und der restriktiven Auslegung der Studie gleichzeitig eine systematische Unterschätzung darstellen dürften.
Zudem wird auch von einem Anstieg weiterer Krebsarten und anderer Erkrankungen gerechnet, die durch ionisierte Strahlung ausgelöst oder negativ beeinflusst werden. Die Schilddrüsenuntersuchungen der FMU stellen die einzigen wissenschaftlichen Reihenuntersuchungen dar, die überhaupt relevante Aufschlüsse über die gesundheitlichen Folgen der Atomkatastrophe von Fukushima liefern können. Und sie laufen derzeit Gefahr, von den Befürwortern der Atomenergie unterminiert zu werden.
Die Menschen in Japan haben wie alle Menschen ein Recht auf Gesundheit und ein Recht auf Information. Die Untersuchungen kindlicher Schilddrüsen kommt somit nicht nur den Patienten selber zu Gute, deren Krebserkrankungen frühzeitig detektiert und behandelt werden können, sondern der gesamten Bevölkerung, die durch die freigesetzte Strahlung beeinträchtigt wird (Fukushima: Erschreckende Studie zeigt, wie sich Affen durch die Strahlung verändert haben).
Die korrekte Fortführung und wissenschaftliche Begleitung der Schilddrüsenuntersuchungen liegen somit im öffentlichen Interesse und dürfen nicht durch politische oder wirtschaftliche Beweggründe konterkariert werden.
Literatur:
Reaktor 1F – Ein Bericht aus Fukushima 1
Fukushima: Vom Erdbeben zur atomaren Katastrophe
Quellen: PublicDomain/de.sputniknews.com/ippnw.de am 02.03.2018
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