Bargeldverbot: „Keine Zahlung mit 500-Euro-Schein möglich“ – Probleme im Einzelhandel

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Es gibt keinen Boykott von 500-Euro-Scheinen im deutschen Einzelhandel. Das sagt der Handelsverband Deutschland. Dennoch ist es so gut wie unmöglich, mit dieser Banknote im hiesigen Handel zu bezahlen. Der im Handelsverband Deutschland für Bargeldlogistik Verantwortliche erklärt bei Sputnik, es gibt vielmehr ein Wechselgeldproblem.

Eine Sorte Hinweisschild scheint im deutschen Einzelhandel allgegenwärtig zu sein: „Keine Zahlung mit 500-Euro-Schein möglich.“ Obwohl die Euro-Banknoten das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel in Deutschland sind, können Händler die Annahme von Banknoten mit besonders hohem Nennwert verweigern. Vertragsfreiheit nennt sich das.

Die Bundesbank formuliert es in einer Antwort an Sputnik etwas sybillinischer: „Ohne anderweitige Regelung ist jedermann in Deutschland gehalten, Zahlungen mit Euro-Banknoten und —Münzen als ordnungsgemäße Erfüllung einer Verbindlichkeit zu akzeptieren.

Dies kann allerdings beispielsweise im Bereich des Zivilrechts eingeschränkt werden. So ist es Vertragspartnern möglich, eine bestimmte Art der Erfüllung zu vereinbaren oder auch auszuschließen – in diesem Fall eine bestimmte Banknotenstückelung.“

Handelsverband dementiert 500er-Boykott

Ulrich Binnebößel, im Handelsverband Deutschland (HDE) für die Bargeldlogistik zuständig, dementiert im Gespräch mit Sputnik nachdrücklich einen mehr oder weniger informellen Boykott des 500-Euro-Scheins im deutschen Handel. Der Grund für die weitverbreitete Verweigerung dieser Banknote sei ein ganz einfacher, aber für Händler sehr wichtiger:

„Tatsächlich ist es so, dass Händler darauf achten müssen, immer genügend Wechselgeld zur Verfügung zu haben, für Kunden, die bar zahlen wollen. Und 500-Euro-Scheine können bei einem kleineren Einkauf tatsächlich an die Grenzen des Wechselgeldverfügbarkeitslevels gehen. Insofern hat möglicherweise der Händler ein Interesse daran, große Geldscheine nicht einzulösen.“

Das Argument des Handelsverbandes, es sei vor allem das knappe Wechselgeld, das die Akzeptanz von 500-Euro-Scheinen erschwere, ist nachvollziehbar. Allerdings drängt sich die Frage auf, warum sich der Handel dann nicht zum Beispiel im Bedarfsfall zweimal am Tag mit Wechselgeld versorgt (EZB-Direktor negiert das Grundrecht auf Bargeld).

Kein Wechselgeld in den Kassen?

Für Ulrich Binnebößel ist das keine zielführende Idee, denn: „Je mehr Geld in der Kasse ist, Wechselgeld für x-beliebige Anzahl an großen Geldnoten, desto höher wird eben auch das Risiko, mit dem Bargeld umzugehen. Das heißt also, wo viel Wechselgeld ist, gibt es auch bestimmte Vorsichtsmaßnahmen und besondere Anforderungen, die zu erfüllen sind. Deswegen gibt es für den Händler immer die Balance zu halten zwischen der Höhe des Wechselgeldes, die vorrätig sein muss, und der Kundenzufriedenheit.“

Diese Aussage ließe sich freilich auch so übersetzen: Je mehr Wechselgeld in der Kasse, desto höher das Risiko, überfallen zu werden. Vielleicht bieten Supermärkte ihren Kunden deshalb immer öfter an, bei Einkäufen, die eine bestimmte Summe überschreiten, bis zu 200 Euro von ihren Girokonten kostenfrei abheben zu können. Das verringert in jedem Fall die Wechselgeldsumme in der Kasse. Und die Kundenzufriedenheit könnte auch steigen.

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Allerdings stellt sich dann die Frage, warum das Wechseln von 500-Euro-Scheinen ein Problem darstellen soll, wenn andererseits immerhin so viel Bargeld vorhanden sein muss, um Kunden den Service eines Geldautomaten zu bieten – denn dieser Service wird auch aus dem Wechselgeld bestritten.

Standardisierte Argumente gegen 500-Euro-Scheine

Die Probleme, die der Durchschnittskunde mit 500-Euro-Scheinen haben kann, sind jedenfalls nicht neu. Inzwischen ließe sich ein dickes Buch mit Fällen der zurückliegenden Jahre drucken, in denen Menschen groteske Erlebnisse mit dem 500er hatten. Eines der jüngsten Beispiele ereignete sich vor ein paar Tagen in Berlin.

In Berlin hat ein Geldautomat einem Sparkassenkunden einen 500-Euro-Schein ausgeworfen. Mit dem Schein hat der Mann allerdings nichts anfangen können. In Geschäften ist er abgewiesen worden. Die Sparkasse, deren Geldautomat den Schein ausgegeben hatte, hat sich geweigert, ihn in kleinere Banknoten zu tauschen.

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Die vergeblichen Versuche des Mannes, seinen 500-Euro-Schein in Noten mit kleinerem Nennwert zu wechseln, erklärt die Berliner Sparkasse damit, dass die Filiale in Berlin-Karlshorst kein sogenannter Kassenstandort ist, Mitarbeiter dort also nicht auf Bargeld zugreifen können.

Die Berliner Sparkasse jedenfalls bedauert den Vorfall ausdrücklich. Sie teilt auf Sputnik-Anfrage mit: „Es handelt sich um den bedauerlichen und äußerst seltenen Einzelfall, dass keine kleinen Scheine mehr im Automaten vorhanden waren.“

Die Gründe und Begründungen von Banken, warum sie kaum noch große Euro-Scheine tauschen, sind inzwischen standardisiert. Die Berliner Sparkasse hatte sie zuletzt in einer Antwort an Sputnik erläutert: „Der Geldwechselservice ist eine freiwillige Dienstleistung. Damit verbunden ist laut Abgabenordnung allerdings eine Verbuchung auf dem Kundenkonto. Daher können ausschließlich eigene Kunden (auch nicht Kunden anderer Sparkassen) diesen Service nutzen.“ Allerdings geht auch das nur, wenn die jeweilige Bankfiliale überhaupt noch einen Kassenbereich hat (Grenzkontrollen: EU erlässt Gesetz zur Konfiszierung von Bargeld).

„Selbstbedienungsterminals“ – auf Kundenkosten?

Die Norm ist inzwischen das „Selbstbedienungsterminal“ – eine beschönigende Bezeichnung angesichts der Tatsache, dass dem Kunden diese Selbstbedienung in Rechnung gestellt wird, obwohl er seine Zeit und seine Arbeitskraft investiert, um einen Zahlvorgang zu initiieren, also Kosten spart.

Der Vodafone-Konzern beispielsweise verdonnert Kunden, die ihre Rechnung über ein „Selbstbedienungsterminal“ ihrer Bank abwickeln, genau dafür ungerührt zu einer Bearbeitungsgebühr pro „Zahlung per Überweisung / Scheck“ von zwei Euro und zehn Cent. Das Wort Selbstbedienung erhält so eine ganz neue Bedeutung.

Ein anderes häufiges Argument, 500-Euro-Scheine zu meiden, sei das Risiko, sich Falschgeld einzuhandeln. Da aber sprechen die Zahlen der Bundesbank eine deutliche Sprache. Demnach sind im vergangenen Jahr gerade mal zwei Prozent aller sichergestellten Blüten 500er gewesen. 86 Prozent waren 50er oder 20er. Aber natürlich käme der Handel nicht auf die Idee, deshalb die Annahme von 50- oder 20-Euro-Noten zu verweigern.

500er vor dem Aus – oder doch nicht?

Ein Trost für alle, die mit einem 500-Euro-Schein aus einem Geldautomaten oder anderer Herkunft im Alltag umgehen müssen: In den 35 Filialen der Deutschen Bundesbank ist das Wechseln von Euro-Scheinen mit großem Nennwert weiterhin problemlos und vor allem kostenfrei möglich.

Allerdings ist das Filialnetz nicht wirklich flächendeckend. In Schleswig-Holstein, Bremen und Brandenburg existieren keine Zweigstellen der Bundesbank. Hier soll die relative Nähe der Hauptverwaltungen Hamburg und Berlin diese Funktion übernehmen.

Ein weiterer Trost könnte sein, dass nach dem Willen der Europäischen Zentralbank (EZB) ab Ende 2018 keine 500-Euro-Scheine mehr ausgegeben werden sollen. Der Druck der 500er wurde bereits 2014 eingestellt.

Interessanterweise torpediert jedoch die Bundesbank das Ende der Euro-Banknote mit dem höchsten Nennwert. Bundesbankvorstandsmitglied Carl-Ludwig Thiele überraschte im Dezember vergangenen Jahres in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa mit der Ansage, der EZB-Beschluss beziehe sich nur auf die zweite Serie der 500er-Scheine: „Wahrscheinlich wird eine neue Banknotenserie im Euro-Raum im Laufe des nächsten Jahrzehnts kommen.“

Bundesbank verdient an Groß-Banknote

Vielleicht hat dieses moderne und einigermaßen unerwartete Rebellentum der Bundesbank den simplen Hintergrund, dass über die Hälfte aller im Umlauf befindlichen 500-Euro-Scheine von Deutschlands Notenbank ausgegeben wurden (Die Freiheit schwindet: Wirtschaftsnobelpreisträger und Finanzelite freuen sich über Bargeldverbot).

Die Bundesbank erzielt mit dem Druck gerade dieser Banknote wegen des „Seigniorage“ oder „Schlagschatz“ genannten Effektes durchaus Gewinn. An den vergleichsweise hohen Kosten der Einziehung und Vernichtung des Geldscheins dagegen hat die Bank kein wirkliches Interesse.

Alle Skeptiker, die eine schleichende Abschaffung des Bargeldes befürchten, dürften diese Entwicklungen freuen. Doch selbst wenn der 500er definitiv verschwindet, ist leider nicht ausgeschlossen, dass wir alsbald Hinweisschilder mit der Botschaft finden werden: „Keine Zahlung mit 200-Euro-Schein möglich.“

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