Das „Tor zur Hölle“ im Heiligtum von Hierapolis in der heutigen Türkei war in der Antike berühmt. Denn jedes Opfertier, das durch diesen von Steinen ummauerten Eingang geführt wurde, starb durch dem „Atem der Unterwelt“ – es sackte bereits im Vorhof zum „Plutonium“, einer unterirdischen Grotte, in sich zusammen.
Seltsamerweise jedoch schienen die Priester – allesamt Eunuchen – immun gegen den Todeshauch aus der Unterwelt. Für die Menschen der Antike grenzte dies an ein Wunder.
Vulkangas als Todeshauch
Heute weiß man, dass Höllentor und Grotte von Hierapolis über einer tektonischen Verwerfung liegen – wie damals bei vielen antiken Heiligtümern der Fall. Aus Spalten im Boden der Grotte tritt daher bis heute vulkanisches Kohlendioxid (CO2) aus – ein Gas, das bei zu hoher Konzentration in der Atemluft tödlich ist.
Doch reichte die CO2-Konzentration hinter dem „Höllentor“ von Hierapolis aus, um die Opfertiere zu töten? Und warum starben die Priester nicht auch an dem potenziell tödlichen Gas? Das haben nun Hardy Pfanz von der Universität Duisburg-Essen und seine Kollegen untersucht.
Für ihre Studie ermittelten sie die Gaskonzentrationen in der Tempelhöhle von Hierapolis und in ihrem Vorhof. Diese Messungen führten sie zu verschiedenen Tageszeiten und in verschiedenen Höhen über dem Boden durch (Versiegelte Unterwelt: Das Geheimnis der Jahrtausende alten Gänge (Video)).
Tödlicher See aus CO2
Das Ergebnis: „Erstaunlicherweise werden diese Gase bis heute in Konzentrationen freigesetzt, die Insekten, Vögel und Säugetiere töten können“, berichten die Forscher. Denn die Luft, die aus der Grotte bis in den Vorraum dringt, enthält zwischen vier und 53 Prozent CO2.
Je tiefer über dem Boden gemessen wird, desto höher sind dabei die Werte: Bis etwa in Kniehöhe ist das CO2 zeitweilig so konzentriert, dass es selbst einen Menschen innerhalb von einer Minute töten würde, wie Pfanz erklärt.
(Tor zur Unterwelt: Dieser Eingang führt in das „Plutonium“ des Apollo-Tempels von Hierapolis)
Aber auch die Tageszeit spielt eine wichtige Rolle: Tagsüber, wenn die Sonne Gestein und Luft aufheizt, verteilen Luftströmungen das Gas und verdünnen es gleichzeitig.
Nachts jedoch und am frühen Morgen bildet sich ein konzentrierter See aus CO2 in Grotte und Vorraum, wie die Messungen enthüllten.
Weil das Gas schwerer ist als Luft und es in der kälteren Umgebung keine aufsteigendem Warmluftströme gibt, reichert es sich knapp über dem Boden an.
(Unter dem Tempel von Hierapolis liegt eine „stumme“ tektonische Verwerfung. Durch ihre Spalten steigt vulkanisches CO2 aus der Tiefe empor)
Selektiver Tod
Für die geheimnisvollen Opfertode am „Tor zur Hölle“ bedeutet dies: Wenn morgens die Opfertiere zur Höhle geführt wurden, reichte der tödliche CO2-See fast bis auf Kopfhöhe der Schafe, Ziegen oder Rinder.
Die Tiere wurden dadurch betäubt, fielen um und atmeten dann eine erst recht tödliche Konzentrationen des Gases ein. „Antike Geschichtsschreiber wie Strabo oder Plinius haben dieses mysteriöse Phänomen daher durchaus realistisch und ohne große Übertreibungen beschrieben“, sagen Pfanz und seine Kollegen.
Und auch die seltsame „Immunität“ der Priester lässt sich ganz natürlich erklären: Weil diese aufrecht gingen, lagen ihre Köpfe hoch genug, um über den tödlichen und unsichtbaren CO2 hinauszuragen.
Die Priester atmeten daher nur geringe, ungefährliche Konzentrationen von CO2 ein, wenn sie die Opfertiere durch das Höllentor begleiteten. „Sie wussten, dass der tödliche Atem des Höllenhunds nur bis zu einer gewissen Höhe reichte“, sagt Pflanz.
Die Forscher vermuten, dass die römischen Priester ihre Opferrituale vielleicht sogar bewusst auf die Nacht oder den frühen Morgen legten – die Zeiten, in denen das Gas nahe am Boden konzentriert war. Das sicherte den Tod der Opfertiere, und verringerte gleichzeitig ihr eigenes Risiko.
Literatur:
Unterirdisch (DuMont Bildband): Verborgene Orte in Deutschland
Vulkane, Schluchten, Höhlen: Geologische Naturwunder in Deutschland
Quellen: PublicDomain/scinexx.de am 23.02.2018
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