Um die Rendite zu steigern, manipulieren Konzerne bewusst die Haltbarkeit ihrer Produkte. Das führt zu hohen Verbraucherkosten und gigantischem Wohlstandsmüll.
Jeder aufmerksame Konsument hat es schon bei Druckern, Waschmaschinen, Handys oder Trockenrasierern z. B. erlebt: Nicht selten werden Geräte kurz nach Ablauf der Garantiezeit defekt. Eine Reparatur lohnt sich oft nicht oder ist gar nicht erst möglich.
Nicht wenige große Hersteller sorgen absichtlich dafür, dass die Lebenszeit ihrer Produkte begrenzt ist, damit wir Kunden schneller neue Geräte kaufen müssen und ihr Profit zusätzlich gesteigert wird. Es handelt sich inzwischen um ein Massenphänomen, durch das enorme Ressourcen unnötig verbraucht und sinnlose Müllberge produziert werden – auf Kosten der Verbraucher.
Christian Kreiß, Professor für Finanzierung und Wirtschaftspolitik an der Fachhochschule Aalen, hat sich diesem Phänomen der „geplanten Obsoleszenz“, wie es im Fachjargon auch genannt wird[1], gründlich gewidmet und seine Forschungsergebnisse in einem Buch zusammengetragen.[2]
Darin macht er gleich zu Anfang darauf aufmerksam, dass eine Form des geplanten Verschleißes auch darin besteht, voll funktionsfähige Produkte durch ständig neue Modelle psychologisch altern zu lassen, um den Kunden zum vorzeitigen Kauf eines neuen Produktes zu bewegen. Oft werden beide Strategien im Zusammenwirken verfolgt (Opfer unserer Konsumgesellschaft: Unsichtbare Hände – Sklaverei heute (Videos)).
Darwinistische Marketingstrategie gegen Henry Ford
Bewusst geplanter vorzeitiger Verschleiß ist in der Wirtschaft seit etwa 100 Jahren zu beobachten und hat in den USA seinen Ausgangspunkt genommen. Besonders eindrucksvoll und folgenreich zog er Anfang der 1920er Jahre in die US-Automobilindustrie ein.
„Henry Ford war ein unerschütterlicher Anhänger von Qualität und langer Haltbarkeit, ein überzeugter Techniker, für den die ´Integrität des Produkts` immer an erster Stelle kam. Alle Gedanken an Gewinn waren für ihn nebensächlich. Er wehrte sich vehement gegen alle Arten von Verkürzung der Lebenszeit oder vorzeitiger ´Veralterung` seiner Autos: ´Wir möchten gern eine Maschine bauen, die ewig dauert. … Wir wollen, dass der Kunde, der eins unserer Produkte ersteht, niemals ein zweites anzuschaffen braucht.`“[3]
Damit war Ford lange außerordentlich erfolgreich. Sei Model T wurde 1921 über 15 Millionen Mal gebaut und hatte, als bereits über 55 Prozent aller US-Haushalte ein Auto hatten, einen Marktanteil von 61 Prozent.“
Doch der Spitzenmanager von Fords Hauptkonkurrenten General Motors; Alfred Sloan, hatte am Massachusetts Institut of Technologie, Cambridge, Boston, entgegengesetzte Werte erlernt:
„Neue Modelle, neue Technologien sollten im Wettbewerbsprozess, der darwinistisch gedacht war, vorhandene Produkte zum Veralten bringen, um einen Wettbewerbsvorteil und hohe Gewinne zu erzielen. So setzte GM bewusst auf Designe und schnelle Modezyklen – jedes Automodell wurde jedes Jahr geändert und leicht modernisiert. … Dabei wurde die Haltbarkeit der Automobile bewusst verkürzt.“[4]
Die darwinistische Marketingstrategie von GM erwies sich bald als extrem erfolgreich. Fords Marktanteil sank in wenigen Jahren von vorher über 60 Prozent auf 30 Prozent. 1927 musste Ford die Produktion des ´Model T` endgültig einstellen. Fahrzeugdesign und Marketing waren zum entscheidenden Verkaufsfaktor geworden.
„Dieses historische Beispiel zeigt beeindruckend, wie die Strategie, auf haltbare, qualitativ hochwertige, langlebige Produkte zu setzen, bei geschicktem Marketing und starkem Wettbewerb bestraft wird und wie die Einführung von weniger haltbaren, qualitativ minderwertigen Produkten, die durch schickes Design und viel Werbung vertrieben werden, die Wettbewerbsfähigkeit stärken kann.“ (s. Anm. 4)
Das Glühbirnenkartell
In der Glühlampenindustrie kam es schon am 24.12.1924 (!) in Genf zu einer regelrechten Kartellabsprache zwischen den damaligen großen internationalen Herstellern (General Electric, Philips, Osram, Compagnie des Lampes usw.), die bis in die Gegenwart gewaltige Auswirkungen hat. Alle Firmen verpflichteten sich, die Lebensdauer der Glühbirnen von den etwa möglichen 2.500 Stunden Brenndauer auf 1.000 Stunden zu verringern.
Auch die Preise legte man auf ein relativ hohes Niveau fest. Über Konventionalstrafen, die nach der Höhe der Brenndauer-Überschreitung gestaffelt waren, setzte man die Reduzierung durch. Der ökonomische Grund wurde von Philips in einem Schreiben vom 7.3.1928 selbst genannt:
„Von einem kommerziellen Standpunkt aus betrachtet ist es von größter Wichtigkeit, die Brenndauer von 1.000 Stunden so wenig wie möglich zu überschreiten, da jede Überschreitung von nur 10 Stunden einen Verlust an Weltkontingent von plus/minus ein Prozent bedeutet oder etwa vier Millionen Stück. Technisch ist es möglich, eine durchschnittliche Lebensdauer von 1.000 Stunden bis auf wenige Prozent exakt zu erreichen, wenn man bei der Herstellung sorgfältig ist.“[5]
Das bedeutet, wie Christian Kreiß vorrechnet, dass ab Ende der 1920er Jahre etwa jährlich 400 bis 600 Millionen Glühbirnen zusätzlich und damit unnötig produziert wurden. „Aufgrund des weltweiten Wachstums dürfte die Zahl der unnötig produzierten Glühbirnen in den Jahrzehnten danach (bis heute) ein Vielfaches von 400 bis 600 Millionen Stück pro Jahr betragen haben.“[6]
Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass die Brenndauer vielfach auf weit unter 1.000 Stunden reduziert wurde. So betrug laut dem Phoebus-Kartellspezialisten Krajewski die Brenndauer 1998 durchschnittlich nur 750 Stunden.[6]
Noch heute wird auf den Verpackungen der neuen Glühlampenversion von den großen Herstellern als Referenzwert der Vergleich mit einer 1.000-stündigen Brenndauer einer früheren konventionellen Glühbirne gebraucht. „Die 1.000-Stunden-Vorgabe des Kartells von 1924 hat bis heute Realitäten geschaffen.“ (s. Anm. 6)
Angesichts der ans Tageslicht gekommenen internen Akten werden inzwischen die Absprachen nicht mehr geleugnet, aber damit gerechtfertigt, es habe sich um einen sinnvollen Kompromiss zwischen Lebensdauer, Helligkeit und Stromverbrauch gehandelt, der durchaus auch zugunsten der Verbraucher gewesen sei (vgl. Wikipedia). Christian Kreiß hält das zu Recht für unglaubwürdig.
Denn wozu erfolgten schon bei geringen Überschreitungen Strafzahlungen? Wenn das Argument stimmte, hätte man ja Glühlampen mit unterschiedlichen Schwerpunkten anbieten können.
Qualitätsschwindel bei Konsumgütern
Jeder kennt die Leiden der Frauen mit den Nylonstrümpfen und Strumpfhosen, bei denen nicht selten plötzlich Laufmaschen entstehen, die noch relativ neue Strümpfe unbrauchbar machen. Bereits in den 1940er-Jahren verkürzte der Konzern DuPont die Haltbarkeit der von ihm erfundenen Nylon-Damenstrümpfe. Man reduzierte die Menge der chemischen Zusatzstoffe, die z. B. das Nylon gegen das UV-Licht der Sonne stabilisieren, so dass die Fäden wesentlich leichter reißen.
Diese geplante Qualitätsverschlechterung wurde geringfügig begonnen und nur langsam und allmählich gesteigert, damit sie mit Rücksicht auf den Unternehmensruf möglichst lange verdeckt und damit unter der Wahrnehmungsschwelle der Käufer blieb.[7]
Was so bei DuPont begann, ist heute nicht nur in der Textil-, sondern auch in der Schuhbranche offenbar bei einer Vielzahl von Produkten Standard geworden. So wird bei Hosen oder Pullovern anstatt langfaseriger oft kurfaserige Baumwolle verwendet, wodurch sie schneller durchscheuern und früher altern. Schuhsohlen werden nicht selten aus minderwertigem Kunststoff hergestellt, der sich schneller abreibt.
Hinzu kommt, dass in vielen Fällen die Sohlen so eingearbeitet sind – wie ich aus eigener Erfahrung weiß – dass eine Neubesohlung nicht möglich ist. Davor ist man auch bei teuren Markenschuhen nicht unbedingt geschützt.
Eine häufige Methode bei Handys und insbesondere Elektrorasierern ist, dass Akkus mit begrenzter Lebensdauer eingebaut werden, aber nicht ausgetauscht werden können, weil sie fest verklebt sind oder das Gehäuse sich wegen Verklebung oder Spezialschrauben nicht öffnen lässt. Damit bestimmt die kurze Lebensdauer des Akkus die des sonst noch intakten Gerätes. Apple hatte es deswegen 2003 in den USA mit einer Sammelklage geschädigter Käufer des „iPods“ zu tun und verpflichtete sich in einer außergerichtlichen Einigung zu einem kostenfreien Austauschservice – ein implizites Eingeständnis von geplantem Verschleiß.
Doch Apple wendet laut der IT-Zeitschrift „CHIP“ in den neueren Produkten andere Methoden an, um die Kunden möglichst schnell, das heißt unökonomisch früh, zum Neukauf zu zwingen. „Neue Software wird schlecht kompatibel gestaltet, damit die Geräte von der Softwareseite her künstlich vorzeitig veralten. … Der Produzent ist aufgrund seiner überlegenen Produktkenntnis dem Verbraucher immer überlegen.“[8]
Eine weitere Spielart, Reparaturen zu erschweren, besteht darin, sie unverhältnismäßig zu verteuern. So schrieb die Stiftung Warentest im September 2013:
„Ab 762 Euro ist die Bosch Waschmaschine ,WAS28440′ im Internet erhältlich. Geht nach der Gewährleistung der Motor kaputt, bietet Bosch den Austausch zum Festpreis von 299 Euro an. Fallen mehrere Bauteile aus, können die Reparaturkosten den Gerätepreis übersteigen. Da erscheint vielen Verbrauchern ein Neukauf sinnvoller.“[9]
Häufig werden Ersatzteile auch dadurch bewusst verteuert, dass einzelne defekte Teile nur zusammen mit ganzen Bauteilgruppen gekauft werden können. So kann man bei manchen Waschmaschinen einen defekten Türgriff (ca. 8 €) nicht separat ersetzen, sondern muss die ganze Tür (ca. 110 €) neu kaufen. Bei Autos werden häufig Leuchtsysteme montiert, bei denen nicht mehr einzelne Glühbirnen gewechselt, sondern nur die gesamte Leuchtkomponente ausgetauscht werden kann, zu erheblich höheren Kosten.
Viele Drucker haben Zähler eingebaut oder sind so konstruiert, dass sie nach einer vorgegebenen Zahl von beispielsweise 15.000 Druckvorgängen ihre Arbeit einstellen, obwohl sie noch problemlos bis zu 30.000 Mal oder mehr drucken könnten. Solche Drucker sind offenbar derart häufig, dass Christian Kreiß sie als regelrechte Klassiker des geplanten Verschleißes bezeichnet.
„Interessant ist angesichts der Flut der nachgewiesenen Fälle, dass sich bis jetzt aus Marketing- und Imagegründen nicht einmal eine zumindest dem Anschein nach geänderte Produktstrategie der Hersteller abzeichnet. Das ist ein Hinweis darauf, wie fest verankert diese Absatzpraktiken sind und wie sicher sich die Hersteller dabei im Sattel fühlen.“[10]
Darüber hinaus gibt es zahllose Beschwerden über Toaster, Küchenmaschinen, Fernseher, Fotoapparate, DVD-Rekorder, elektrische Zahnbürsten und Bügeleisen beispielsweise, dass sie kurz nach Ablauf der Gewährleistungsfrist kaputtgehen. Die Liste könnte noch beliebig verlängert werden.
Irreführung der Kunden
Starker ökonomischer Anreiz zu geplantem Verschleiß entsteht bei den Herstellern in den heute zumeist gesättigten bzw. sehr wettbewerbsintensiven Märkten, in denen es daher leicht zu Überkapazitäten kommt. „Solange die Nachfrage munter wächst und die Produktion kaum Schritt halten kann, ist die gewollte Verkürzung der Haltbarkeit zur Renditeerhöhung aus ökonomischer Sicht nicht nötig.“[11]
Doch wenn, wie bei den meisten etablierten Produkten, kaum neue Käufer hinzukommen können, ist Wachstum nur dadurch möglich, dass die bisherige Haltbarkeit verkürzt und der Verbraucher so früher zum Neukauf gezwungen wird.
In der US-Automobilindustrie z.B. war bereits in den 1950er-Jahren der Markt gesättigt, und es bestanden hohe Überkapazitäten. Das trieb die Hersteller in dem hoch wettbewerbsintensiven US-Automarkt „geradezu zu einem Wettlauf um immer kürzer haltende Fahrzeuge und insbesondere Fahrzeugteile. So wurden etwa Karosserien, Reifen Auspuff usw. bewusst immer weniger haltbar konstruiert.“[12]
In Europa dagegen herrschte in der gleichen Zeit Nachkriegsaufschwung. Die Nachfrage nach Autos wuchs sprunghaft, die Autobauer kamen nicht nach, so dass Wartefristen bis zu 18 Monaten bestanden. Zur Haltbarkeitsverkürzung bestand kein Anlass.
Um den geplanten Verschleiß möglichst unbemerkt durchführen zu können und das Abwandern der Kunden zu vermeiden, verbreiten die Hersteller einen Schleier der Intransparenz. Natürlich werden über die Dauer der Haltbarkeit keine Angaben gemacht. Im Grunde bräuchte aber der Verbraucher eine Gesamtkostenberechnung, die sich über die gesamte zu erwartende Nutzungsdauer erstreckt. Er bräuchte Angaben über die Haltbarkeitsdauer, Reparierbarkeit, das Vorhandensein von Ersatzteilen, und er muss die Folgekosten wie die der Wartung, der Reparatur und die der Ersatzteile kennen. Praktisch alle wichtigen Informationen über die Zeit nach dem Kauf der Produkte liegen dem Kunden in der Regel zum Zeitpunkt des Kaufs nicht vor. Und ein Abwandern zur Konkurrenz hilft nicht, weil ihn dort die gleiche Intransparenz erwartet.
Andererseits werden die Verbraucher mit einer verwirrenden Fülle von nichtssagenden Informationen überschüttet. Sie gehen insbesondere von der Werbung aus, deren Ziel in der Regel nicht wirkliche Information über nutzerrelevante Fakten, sondern Desinformation ist. Sie soll den Verbraucher nicht von der Qualität des Produktes überzeugen, sondern ihn mit allen möglichen unterschwellig erzeugten Emotionen zum Kauf verführen und überwältigen.
Gravierender Kaufkraftentzug
Christian Kreiß hat in einer etwas groben Berechnung versucht, die durch den geplanten Verschleiß für die Verbraucher entstehenden zusätzlichen Kosten zu ermitteln. Dazu hat er nach der Erfahrung eine Produktgruppe mit 50-prozentiger und eine andere mit 25-prozentiger Lebensdauerverkürzung gebildet und deren zusätzliche Ausgaben für die Verbraucher zu den gesamten Konsumausgaben der privaten Haushalte in Beziehung gesetzt. Danach müssen die Verbraucher für diese Produkte ca. 106,5 Milliarden Euro im Jahr unnötig mehr ausgeben. Bezogen auf die 1.442 Milliarden Euro Gesamtausgaben für den Konsum aller privaten Haushalte pro Jahr entspricht dies gut 7 Prozent Kaufkraftentzug.
„Bezogen auf die etwa 80 Millionen Einwohner in Deutschland entspricht dies 1.325 Euro pro Kopf und Jahr, vom Säugling bis zum Greis. Also jedem Einwohner werden pro Monat derzeit über 110 Euro durch geplanten Verschleiß entzogen.“[13]
Auf der anderen Seite bedeutet die künstliche Verkürzung der Produktlebensdauer, dass für das Güterangebot mehr gearbeitet werden muss. Würde die geplante Obsoleszenz abgestellt, müsste in Deutschland 7 Prozent weniger gearbeitet werden. 7 Prozent weniger als die derzeitige durchschnittliche Arbeitszeit der Vollbeschäftigten von 1.650 Stunden jährlich würde bedeuten, dass die Wochenarbeitszeit von etwa 38 auf gut 35 Wochenstunden gesenkt werden könnte; oder jeder Vollbeschäftigte könnte 14 Arbeitstage zusätzlichen bezahlten Urlaub nehmen.
Alternativ könnten 106 Milliarden Euro Kaufkraft jährlich in den Händen der deutschen Kunden freigesetzt werden, das entspricht 110 Euro zusätzliches Einkommen pro Einwohner (!) im Monat.
„Zum Vergleich: 106 Milliarden jährlich sind mehr als die gesamten Ausgaben der Haushalte für Energie, die 98 Milliarden betragen oder gut drei Viertel der 130 Milliarden Euro für Nahrungsmittel und beinahe doppelt so viel wie die gesamten Ausgaben für Kraftstoffe (56 Milliarden).“[14]
Geplanter Verschleiß schadet auch durch unnötig verbrauchte Ressourcen und steigende Müllberge der Umwelt. Es werden etwa 9,6 Millionen Tonnen zusätzlichen Müll verursacht, was 120 Kilo pro Kopf und Jahr entspricht. Nach Berechnungen von Christian Kreiß arbeiteten 2011 von insgesamt 70 Abfallverbrennungsanlagen etwa fünf allein für geplanten Verschleiß.
Davon abgesehen hat volkswirtschaftlich „geplante Obsoleszenz eine ähnliche Wirkung wie Löcher graben und wieder zuschaufeln. Sie fördert kurzfristig die Konjunktur, ist ein Strohfeuer, trägt aber nicht zu realem Wirtschaftswachstum bei. Sie ist eine ökonomisch völlig unsinnige Beschäftigungstherapie, die Arbeitskraft, Fleiß, Intelligenz und Ressourcen nutzlos verschwendet und die gesamtwirtschaftliche Produktivität künstlich reduziert. … Nimmt unnötige Arbeit zu, so sinkt die gesamtwirtschaftliche Produktivität. Das hat gravierende realwirtschaftliche Konsequenzen. Menschen die unnötige Arbeit verrichten, müssen essen, sich kleiden, wohnen usw. Das heißt, je mehr Menschen unnötig arbeiten, desto mehr müssen die übrigen Menschen arbeiten. Diejenigen Menschen, die sinnvolle Arbeit verrichten, müssen diejenigen Menschen, die unnötig arbeiten, mitversorgen. Nimmt unnötige Arbeit zu, verteuern sich also die lebensnotwendigen Dinge.“[15]
Verschleiß und Renditeerwartungen
Hauptursache für den geplanten Verschleiß ist das im kapitalistischen Wirtschaftssystem fest verankerte Ziel, möglichst hohe Profite zu machen. Diese zentrale Gewinnorientierung ist besonders stark in den Großkonzernen ausgeprägt. Gerade börsennotierte Aktiengesellschaften unterliegen enorm hohen Renditeerwartungen der Eigentümer und der hinter diesen stehenden Kapitalmärkten. Die Unternehmensführungen sind ständig unter Druck, über mehr oder weniger lautere Maßnahmen nachzudenken, die den Gewinn erhöhen.
Die Internationalisierung der Kapitalmärkte hat seit den 1990er Jahren den Siegeszug des aus den USA stammenden Shareholder-Value-Konzepts gebracht, wonach die Unternehmensleitung im Interesse der Anteilseigner, der Aktionäre, zu handeln und die Steigerung des langfristigen Unternehmenswertes durch Gewinnmaximierung und Erhöhung der Eigenkapitalrendite zu verfolgen hat. Dieser immer mehr gestiegene Druck auf die Unternehmensleitung, die Rendite ständig zu erhöhen, hat die Verbreitung von geplantem Verschleiß stark begünstigt.
„Daher wurden praktisch alle in der jüngeren Geschichte aufgedeckten prominenten Fälle von vorsätzlich geplantem Verschleiß von Großkonzernen begangen.“ [16]
Deshalb warnt Christian Kreiß vor Pauschalierungen und weist darauf hin, dass „es auch heute noch immer eine Fülle von inhabergeführten, mittelständischen, wenig gewinnorientierten Unternehmen (gibt), die nach wie vor tadellose, lang haltende Produkte herstellen. Von daher wäre es unfair, alle Produzenten pauschal geplanter Obsoleszenz zu verdächtigen.“ [17]
Das ist sicher richtig. Man darf aber nicht übersehen, dass dieses Verhalten der vom Eigentümer selbst geführten Unternehmen von ihrer Persönlichkeit und ihrer menschlichen Nähe zu den Kunden abhängt. Das kapitalistische System gibt auch ihnen die Möglichkeit dazu, und es sind sicher nicht alle in jeder Lage gegen die Versuchungen immun.
Zu Recht sieht Christian Kreiß auch die unbegrenzte Eigentumsanhäufung und den Zinseszins als die eingebauten Schwachstellen der Wirtschaftsordnung, die über die Exponentialfunktion zu ständigem Wirtschaftswachstum zwingen und dadurch die Unternehmen zu geplantem Verschleiß drängen, „weil die (in den Händen relativ weniger) überreichlich zur Verfügung stehenden´vagabundierenden` Geld- bzw. Kapitalmittel investiert werden müssen. Da andererseits wegen der zunehmenden Ungleichverteilung die Masseneinkommen und damit die Massennachfrage nicht Schritt hielten …, herrscht ständig eine Tendenz zu Überkapazitäten. Diese … führen dazu, dass renditemaximierende Großunternehmen nach immer neuen Absatzwegen suchen müssen, um die verkaufte Menge zu erhöhen, um die Gewinne aufrecht zu erhalten oder zu steigern. Geplanter Verschleiß ist eine probate Möglichkeit.“[18]
Selbstsüchtige Motivation
Doch man muss ja noch tiefer gehend fragen, woraus denn die unbegrenzte Eigentumsanhäufung hervorgeht: aus dem mit dem heutigen privaten Eigentumsrecht verbundenen alleinigen Rechtsanspruch des Unternehmen-Eigentümers auf den Gewinn in seine private Tasche. Ein Wirtschaftsunternehmen dient aber nicht dem privaten Konsum, sondern der Bedürfnisbefriedigung vieler Menschen, den im Betrieb selbst Tätigen und den Verbrauchern.
Die Leistungen des Unternehmens können auch nur durch das Zusammenwirken vieler Menschen, ja der ganzen Gesellschaft, insbesondere des Bildungs- und Ausbildungssystems zustande kommen. Der Gewinn ist daher auch nicht allein das Verdienst eines einzelnen Unternehmensleiters, erst recht nicht der im Unternehmen überhaupt nicht tätigen Aktionäre.
Seine Ableitung in private Taschen ist ungerechtfertigtes leistungsloses Einkommen, de facto Okkupation, Raub, und dessen gesetzliche Legitimierung setzt in Wahrheit kein Recht, sondern Unrecht im Schleier eines die soziale Wirklichkeit nicht fassenden allgemeinen Eigentumsbegriffs, der vom Gesetzgeber in Bezug auf ein Wirtschaftsunternehmen sozial gebunden differenziert werden müsste.[19] Der über ein angemessenes Einkommen des tätigen Eigentümers hinausgehender Anspruch auf den Gewinn ist sozial nicht zu rechtfertigen (Gesellschaft: Die dunklen Philosophien der Elite – über den Sinn des Lebens, den Tod und das Böse).
Damit entfällt die selbstsüchtige Motivation auf den privaten Profit und seine unaufhörliche Maximierung, und an seine Stelle kann das ursprüngliche Ziel alles Wirtschaftens treten, die Befriedigung der realen Bedürfnisse der Menschen. In der kapitalistischen Wirtschaftsordnung haben sich die Produktionsentscheidungen verselbständigt und von den Grundbedürfnissen der Menschen losgelöst. „Die Wirtschaft selbst – das heißt Geld- oder Profitinteresse – entscheidet darüber, was die Menschen kaufen und wollen sollen, und drückt diese Meinung mit großem Ressourceneinsatz und Heeren von Marketing- und Vertriebsmitarbeitern in den Markt.“[20]
Es ist höchste Zeit für eine grundlegende Änderung.
Literatur:
Saubere Sachen: Wie man grüne Mode findet und sich vor Öko-Etikettenschwindel schützt
Dreimal anziehen, weg damit: Was ist der wirkliche Preis für T-Shirts, Jeans und Co?
Verweise:
[1] Von lateinisch obsolescere: sich abnutzen, alt werden, an Wert verlieren, aus der Mode kommen
[2] Christian Kreiß: Geplanter Verschleiß, Berlin 2014
[3] Christian Kreiß a.a.O., S. 16
[4] a.a.O., S. 17
[5] Zitiert nach Kreiß a.a.O., S. 37, 38
[6] Christian Kreiß a.a.O., S. 38
[7] a.a.O., S. 40
[8] a.a.O., S. 41, 42
[9] Zitiert nach Christian Kreiß a.a.O., S. 47
[10] Christian Kreiß a.a.O. S. 42
[11] a.a.O., S. 21
[12] a.a.O., S. 21, 22
[13] a.a.O., S. 115, 116
[14] a.a.O., S. 116
[15] a.a.O., S. 121, 122
[16] a.a.O., S. 24
[17] a.a.O., S. 25
[18] a.a.O., S. 132
[19] Vergl. dazu GEOLITICO: Die Ungezügelte Macht des Kapitals
[20] Christian Kreiß a.a.O., S. 93
Quellen: PublicDomain/geolitico.de am 08.01.2018
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